Wer braucht eigentlich Meister-Bafög?

Von Sarah Bernhard

Bafög bekommen nicht nur Studenten. Auch Berufstätige, die sich weiterbilden wollen, werden gefördert – mit dem sogenannten Meister-Bafög. Wir haben mit zwei Beziehern gesprochen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und die doch eines gemeinsam haben.

 
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Acht Jahre trennen den Versicherungsvertreter André Kaul aus Bayreuth und den Schreiner Michael Haas aus Treppendorf. Während ihre Leben völlig verschieden sind, nutzen beide eine Chance: Sie bilden sich fort. Möglich macht das das sogenannte Meister-Bafög, das – trotz seines Namens – auch für Abschlüsse wie Techniker oder Betriebswirt gewährt wird. Zwei Geschichten über eine Investition in die Zukunft.

André Kaul: Je früher desto besser

André Kaul duzt seine Kunden. Und seine Vorgesetzten. Eigentlich fast alle. Hierarchien und festgefahrene Strukturen liegen dem 25-Jährigen nicht. Seinen sicheren Job im Bayreuther Verkehrsamt gab er auf – weil er keine Aufstiegschancen sah. Vor drei Jahren wechselte er als Bestandsbetreuer und Schadenregulierer zu einer Versicherung. „Wenn du zeigen willst, was du draufhast, ist die Versicherungsbranche ideal.“ Jetzt habe er nicht nur „ein schönes Außendienstauto“, sondern auch viel mehr Möglichkeiten, sagt Kaul.

Doch das reicht dem Bayreuther nicht. „Mein Vater hat mal gesagt: Was du bis 30 nicht gemacht hast, machst du nicht mehr.“ Seit eineinhalb Jahren bildet sich Kaul deshalb in Teilzeit bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) zum Wirtschaftsfachwirt weiter. „Ich bekomme dort ein viel breiteres Wissen, ohne diesen Versicherungsbranchen-Tunnelblick.“

Staat bezahlt 30,5 Prozent der Fortbildungskosten

Jeden Montag- und Mittwochabend lernt er, wie er sich als Führungskraft durchsetzen kann, wie Unternehmer ihre Finanzen regeln und welche Steuervorschriften zu beachten sind. Wirtschaftsfachwirt gehört neben Industriemeister zu den beliebtesten Weiterbildungen bei der IHK, sie kostet knapp 3000 Euro.

Etwa 1000 Euro, 30,5 Prozent, bekommt Kaul als Förderung. Hätte er nach dem 1. August dieses Jahres angefangen, wären es 40 Prozent. Den Rest finanziert er über ein zinsloses Darlehen bei der KfW-Bank. „Es wäre auch ganz ohne Förderung gegangen, ich bekomme ja Gehalt“, sagt Kaul. „Aber natürlich ist es einfacher. Und warum solltest du ein Null-Prozent-Darlehen nicht nehmen?“

Im April kommenden Jahres will Kaul fertig sein. Und weiß jetzt schon, dass ihm auch das nicht reichen wird. „Meine Freundin ist Betriebswirtin. Ich will auf den gleichen Wissensstand.“ Also wird er sofort eine Weiterbildung zum Betriebswirt dranhängen. „Solange ich jung bin, will ich mitnehmen was geht.“

Michael Haas: Erst einmal etwas schaffen

Auf sein Meisterstück freut sich Michael Haas besonders. Denn es wird nicht irgendetwas sein. Sondern das perfekte Geschenk für seine fünf Monate alte Tochter Sophie. So wie das Bulldogbett, das er seinem Sohn Hannes (4) gebaut hat. Und das Prinzessinnenbett für Tochter Marie (2). Inklusive goldener Bettpfosten-Kugeln.

Die beiden älteren Kinder toben durch das Haus, das die Familie vor fünf Jahren in Treppendorf gebaut hat, Mama Anja spielt mit Sophie. Seine Familie bedeutet dem Schreiner alles. Einer der Gründe dafür, dass er erst mit 33 Jahren den Meister macht. „Es kam familiär immer was dazwischen“, sagt er, und schielt zu seinen Kindern. Ein anderer Grund: „Ein paar Jahre Erfahrung schaden nicht, bevor man sich vor Gesellen hinstellt, die schon 20 Jahre im Betrieb sind.“

Der Chef freue sich über die Hilfe

Dass jetzt die Förderung angehoben wurde, freut den Schreiner, der momentan in einem Fünf-Mann-Betrieb Möbel baut und einbaut. Denn mittlerweile hat er auch den Chef an seiner Seite: „Die Bürokratie wird immer mehr, er freut sich, wenn er jemanden hat, der sich damit auskennt.“ Er sieht die kaufmännische Seite als Herausforderung. Und die Kollegen seien froh, dass sie es nicht machen müssten.

Im Gegensatz zu André Kaul hat Haas sich für eine Vollzeit-Weiterbildung entschieden, die im September beginnt. Dafür bekommt er zusätzlich zur Kursförderung einen Beitrag zum Lebensunterhalt, so wie reguläre Studenten auch. In seinem Fall knapp 1500 Euro. „Das sichert uns ein nahezu sorgenfreies Leben, auch wenn wir den Gürtel wohl etwas enger schnallen müssen“, sagt Haas. Ohne diesen Zuschuss wäre eine Weiterbildung „fast unmöglich“.

Eigene Schreinerei? - Viel zu teuer!

Eine eigene Schreinerei will Haas aber auch mit Meisterzertifikat nicht eröffnen. „Da sind zwei Millionen Euro weg, um die wieder reinzuwirtschaften, ist eine Generation beschäftigt. Und ein 40-Stunden-Job ist es auch nicht.“ Und so gerne er Schreiner ist, so gerne er jedem Werkstück einen eigenen Charakter gibt, so gerne er seine Kunden berät, so empfindlich reagiert er, wenn es um seine Familie geht. „Denn die hat einfach die höchste Priorität.“

5 Fakten zum Meister-Bafög

1. Im vergangenen Jahr bezogen im Landkreis Bayreuth 422 Menschen Meister-Bafög. IHK-Präsident Heribert Trunk vermutet, dass diese Zahlen nach der Bafög-Erhöhung steigen werden.

2. Meister-Bafög bekommt man auch für andere Abschlüsse als den Meister, etwa wenn man sich zum Fachwirt, Techniker, Erzieher oder Betriebswirt weiterbildet.

3. 90 Prozent derer, die eine entsprechende Weiterbildung bei der IHK machen, beantragen Meister-Bafög.

4. Die Mehrzahl der Teilnehmer ist zwischen 20 und 35 Jahre alt. Der 25-jährige André Kaul sagt, in seinem Kurs gehöre er bereits zu den „mittelalten“ Teilnehmern. Drei Teilnehmer seien „um die 50, aber die anderen sind eher 20 oder 21.“ Sie schlössen die Weiterbildung direkt an ihre Ausbildung an.

5. Seit dem 1. August übernimmt der Staat 40 Prozent der Kurskosten, vorher waren es 30,5 Prozent. Bei bestandener Prüfung werden 40 Prozent des KfW-Darlehens erlassen, bei Unternehmensgründung bis zu 66 Prozent. Dazu kommen 1000 Euro Meisterbonus vom Freistaat. Bei Vollzeitweiterbildungen gibt es außerdem Zuschüsse zum Lebensunterhalt, die mit der Zahl der Familienmitglieder steigen.