Der frühere Pfarrer Wolfgang Burkholz bekämpfte seine Depression - und hilft heute anderen Depression: Wenn jede Energie verschwindet

Von Andrea Pauly
Wolfgang Burkholz, Selbsthilfegruppe Depressionen Bayreuth. Foto: Andrea Pauly Foto: red

Er hatte richtig schlechte Zeiten: Es gab Nächte, in denen er um zwei Uhr aufwachte und die negativen Gedanken ihn nicht mehr losließen, in denen er Angst hatte, den folgenden Tag nicht zu bewältigen. Diese Zeiten sind vorbei. Wolfgang Burkholz hat seine Depression bekämpft. Heute hilft er anderen, die das Gleiche erleben.

 
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Burkholz war von 1990 bis 2003 evangelischer Gemeindepfarrer in Laineck. „Ich hatte schon im Studium depressive Phasen“, erinnert er sich. Doch bis zur Diagnose dauerte es Jahre. Gerade im kirchlichen Umfeld „ging man damals nicht zum Psychologen, sondern zu einem anderen Pfarrer“, erinnert er sich. Lange dachte er, er müsse die schweren Phasen aushalten und allein aus der Krise kommen. „Und nicht alle Psychologen oder Psychiater waren hilfreich und verständnisvoll. Das war eine Odyssee.“ Erst nach langer Zeit sagte ihm ein Arzt: „Sie dürfen krank sein.“

Dann ging das Grübeln los

Er erinnert sich an die Zeiten, in denen es ihm extrem schlecht ging. „In den schlimmsten Phasen war ich früh um zwei wach und dann ging das Grübeln los. Da ist immer der Gedanke: Du schaffst es nicht, aufzustehen. Du hast Angst vor dem Tag. Es ist, wie wenn jemand den Stöpsel aus der Wanne zieht: Alle Energie wird weggesaugt, man fühlt keine Lebensfreude mehr.“

Viel Verständnis in der Gemeinde

Anfang der 1990er Jahre, als er zur Behandlung in eine Klinik musste, legte er seine Krankheit im Gottesdienst offen. Damals begegnete ihm seine Gemeinde mit viel Verständnis. „Danach kamen einige zu mir und sagten mir, dass sie das auch von sich kennen.“ Aufenthalte in der Klinik zeigten bei ihm schnell Wirkung: „Man ist weg von zuhause, hat eine Tagesstruktur, man muss aufstehen. Und man fühlt sich aufgehoben. Und es gibt 20 Mitpatienten, denen es ähnlich geht.“

Krise pünktlich zu Weihnachten

Trotz Verständnis und Therapie war der Pfarrer nach einigen Jahren nicht mehr in der Lage, seinen Beruf weiter auszuüben. „Gerade bei den Highlights wie Weihnachten und Konfirmation hatte ich immer mal eine Krise.“ Seine Krankheit hatte auch seinen Glauben verändert: Es fiel ihm schwer, Hoffnung zu verbreiten, wenn er selbst nur Hoffnungslosigkeit fühlte. Und so wurde er mit 48 Jahren frühpensioniert.

Die Hoffnungslosigkeit ist nur noch Erinnerung

Heute ist das Gefühl der Schwere und Hoffnungslosigkeit nur noch eine Erinnerung; aber eine, die er nicht vergessen will. „Seit einigen Jahren geht es mir eigentlich richtig gut“, sagt der 59-Jährige. Aber er ist vorsichtig: „Jeder hat mal eine Flaute. Aber als Depressiver macht man sich eventuell schneller Sorgen, dass man wieder absackt.“ Er nimmt Medikamente - aber nur noch wenige. Alle paar Wochen geht er zum Psychiater und zur Psychologin. Und der 59-Jährige sitzt nicht herum: „Eine Tagesstruktur ist ganz wichtig.“ Er treibt Sport, kümmert sich um seine Hündin Cora, er hat Patenkinder vom Verein Lavenir, singt im Gospelchor Rainbow und macht gemeinsam mit Freunden und mit seiner Partnerin Musik - vor Kurzem ist er in Laineck wieder aufgetreten.

Es hilft, anderen zu helfen

Vor allem aber hilft es ihm, anderen zu helfen, die in der gleichen Situation sind wie er früher. Wolfgang Burkholz arbeitet bei der Telefonseelsorge und leitet alle zwei Wochen eine von drei Gesprächsgruppen bei der Bayreuther Selbsthilfegruppe Depression. Sie ist wie ein Sicherheitsnetz. „Und sie ist immer wieder Anlass zur Dankbarkeit für mich. Ich sehe dort, wie stabil ich bin und wie gut es mir geht.“ Er will anderen Patienten helfen, das zu schaffen. Denn er weiß: Es ist möglich.

Wo gibt es Hilfe?

Wer aus den negativen Gedanken nicht mehr herauskommt, wer keine Lebensfreude mehr hat, wer Suizidgedanken hat, solle sich sofort Hilfe holen, sagt Wolfgang Burkholz. Der Hausarzt ist meist die erst beste Anlaufstelle, denn die Wartezeiten beim Psychiater und Psychologen sind lang. Die Selbsthilfegruppe ist auch eine Möglichkeit, außerdem die Telefonseelsorge, die unter 0800-1110111 oder 0800-1110222 kostenlos und anonym berät. Außerdem könnten Betroffene sich in akuten Fällen jederzeit im Bezirkskrankenhaus aufnehmen lassen.

Die Selbsthilfegruppe

Die Selbsthilfegruppen treffen sich jeden zweiten Donnerstag von 10 bis 11.30 und Mittwoch von 18.30 bis 20 Uhr. Kontakt und Informationen gibt es bei Wolfgang Burkholz unter 0921/1689118 und Isolde Veigl unter 09275/6699.

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