Wenn Bayerns Bürger Akten sehen wollen

Von Moritz Kircher
Das Bürgerforum Weidenberg kritisiert, dass das Rathaus mit Informationen hinter dem Berg hält oder sie nur widerwillig rausgibt. Archivfoto: Moritz Kircher Foto: red

Der Bund hat ein Informationsfreiheitsgesetz. Viele Bundesländer haben ein Informationsfreiheitsgesetz. Bayern hat kein Informationsfreiheitsgesetz. Kritiker befürchten, dass es bayerische Behörden deshalb leichter haben, mit Informationen hinterm Berg zu halten. Das gelte auch für das Weidenberger Rathaus, sagen Erwin Wutschka und Werner Füßmann vom dortigen Bürgerforum. Bürgermeister Hans Wittauer widerspricht.

 
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Erwin Wutschka und Werner Füßmann glauben nicht immer, was die Gemeinde Weidenberg an Informationen an ihre Bürger herausgibt. Ob es um die Erneuerung der Wasserversorgung, Verkaufspreise gemeindeeigner Immobilien oder den Schuldenstand des Marktes geht – immer mal wieder werden die Vertreter des Weidenberger Bürgerforums im Rathaus vorstellig und fordern Informationen ein. Wie die Gemeinde mit diesen Anliegen umgeht, gefällt ihnen nicht. Das wirft die Frage auf: Welche Informationsansprüche haben Bürger in Bayern eigentlich gegenüber ihren Rathäusern?

Zwei Stunden, um sechs Aktenordner zu wälzen

Füßmann ist regelmäßig im Gemeinderat, hört zu, protokolliert und veröffentlich hinterher, was gesprochen wurde. Das reicht ihm jedoch nicht aus, wenn es zum Beispiel um die Frage geht, wie viele Schulden die Gemeinde hat. „Ich will wissen, wie viel es effektiv ist. Nicht nur das, was veröffentlicht wird.“ Laut Gemeinde liegt der Schuldenstand bei etwas mehr als 16 Millionen Euro. Das Bürgerforum kommt auf über 20 Millionen.

Das ist nur ein Beispiel für die Meinungsverschiedenheiten, die sich mit einem Blick in die Akten ausräumen ließen. Beim letzten Besuch im Rathaus ging es Füßmann und Wutschka um die abschließenden Kosten für die Sanierung der Weidenberger Wasserversorgung, die bereits Jahre zurück liegt. Zwei Stunden hatten sie nach eigenen Angaben, um mit ihrem Rechtsbeistand sechs Aktenordner zu wälzen. „Meistens steckt doch weniger dahinter als man vermutet“, sagt Füßmann. Wenn eine Gemeinde aber mit Informationen hinterm Berg halte, wecke das Misstrauen.

Wittauer: „Was wir rausgeben dürfen, das enthalten wir auch keinem vor“

Bürgermeister Hans Wittauer sieht das ganz anders. Es gebe verschiedene Gründe, den Datenschutz zum Beispiel, warum nicht alles veröffentlicht werden könne. Und grundsätzlich gebe die Verwaltung auch keine Kopien von Akten heraus. Einsehen und Notizen machen, das sei für den Bürger im Einzelfall möglich. „Was wir rausgeben dürfen, das enthalten wir auch keinem vor“, sagt Wittauer.

Aber was dürfen oder müssen Verwaltungen in Bayern eigentlich herausgeben? Auf Bundesebene und in vielen Bundesländern gibt es ein sogenanntes Informationsfreiheitsgesetz. Mit einigen Einschränkungen ermöglicht es Bürgern grundsätzlich Zugang zu allen Akten der Verwaltung. Bayern hat kein solches Gesetz. Und die Staatsregierung hält das auch für überflüssig. „Wenn ein Bürger bei berechtigtem Interesse Auskunft möchte, dann bekommt er sie in der Regel auch“, teilt das Innenministerium auf Anfrage des Kuriers mit.

Dritte haben ein Recht darauf, dass Informationen über sie geschützt werden

Grundlage dafür sei Artikel 36 im Datenschutzgesetz, den es seit Ende 2015 gibt. Darin heißt es: „Jeder hat das Recht auf Auskunft über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen.“ Ähnlich wie in den Informationsfreiheitsgesetzen folgt eine ganze Menge an Einschränkungen. Das Innenministerium findet: „Eine insgesamt ausgewogene Regelung des bayerischen Gesetzgebers.“

So ähnlich sieht es auch Stefan Brodmerkel. Der Kommunalrechtler an der Uni Bayreuth sagt, dass die Regelung im Datenschutzgesetz ähnlich umfassend sei, wie die Informationsfreiheitsgesetze anderer Bundesländer. Einschränkungen der Informationsfreiheit müsse es immer geben. Denn, so Brodmerkel: „Es muss immer abgewogen werden zwischen den Grundrechten Dritter und dem Informationsinteresse der Bürger.“ Sprich: Verwaltungsakten beinhalten oft auch Informationen über andere Bürger. Und die haben auch ein Recht darauf, dass ihre Informationen geschützt werden.

Keine Informationsfreiheitssatzung im ganzen Landkreis

Die bayerischen Auskunftsrechte gingen rund 80 Kommunen im Freistaat in der Vergangenheit nicht weit genug. Deshalb haben sie auf eigene Faust Informationsfreiheitssatzungen erlassen. Diese räumen den Bürgern weitgehende Rechte ein, Verwaltungsakten einzusehen. Im Landkreis gibt es keine Gemeinde mit einer solchen Satzung. Die Stadt Bayreuth hat sie seit Juli 2011. Stadtsprecher Joachim Oppold sagt: „Tatsächlich beschränkt sich die Anzahl der Anfragen seither auf einige ganz wenige Fälle.“ Der Stadtrat habe die Satzung verabschiedet, um die „Transparenz des Verwaltungshandelns zu erhöhen“.

Genau das wünschen sich auch Erwin Wutschka und Werner Füßmann für Weidenberg. Das Bürgerforum hat mit Martin Lochmüller einen Vertreter im Gemeinderat. Auch wenn wenig Aussicht auf Erfolg bestehe, wolle man möglicherweise den Antrag einbringen, als erste Landkreisgemeinde eine Informationsfreiheitssatzung zu verabschieden. Bürgermeister Wittauer blockt ab. Er sieht keine Notwendigkeit. „So eine Satzung klingt wahnsinnig gut“, sagt er. Aber sie regele nicht mehr als das, was in Bayern seit Dezember eh schon Gesetz sei.

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