Weniger Jugendliche in den Moscheen

Von Andrea Pauly
Taner Ekici, Archivfoto: Andreas Harbach Foto: red

Taner Ekici (40) aus Bad Berneck ist stellvertretender Vorsitzender der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde in Bayreuth. Im Interview spricht er über Anfeindungen, Bayreuth als Wohnort und ob Flüchtlinge und in Deutschland geborenen Muslime ihren Glauben unterschiedlich auffassen.

 
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Die türkisch-islamische Gemeinde hatte in dieser Woche einen Aufkleber einer Organisation der Neuen Rechten mit dem Schriftzug „Islamisierung - nicht mit uns“ auf dem Briefkasten. Was bedeutet das für Sie und die Gemeinde?

Taner Ekici: Diese Situation ist für uns beunruhigend, vor allem für den Vorstand. Wir haben Bedenken, was der nächste Schritt ist. Wir wollen nicht, dass etwas passiert. Wir haben die Polizei informiert, die Kriminalpolizei ermittelt jetzt.

Wie werten Sie den Begriff „Islamisierung“?

Ekici: Gerade auf uns bezogen ist das völliger Quatsch. Die Gemeinde ist ganz bestimmt nicht radikal. Wir sind ja noch nicht mal missionarisch tätig. Wir sind nur ein Gebetshaus. Und wir sind alle Bayreuther. Bis auf den Vorstandsvorsitzenden ist der gesamte Vorstand der türkisch-islamischen Gemeinde in der Stadt oder im Landkreis Bayreuth geboren. Wenn man den Begriff auf Migranten aus der Türkei bezieht, und die machen bei uns den größten Teil aus, ist gerade das Gegenteil richtig: Die Tendenz bei uns in Deutschland geht dahin, dass unsere muslimischen Jugendlichen die Moscheen seltener besuchen. Wir haben in den Schulen keinen Islamunterricht, keinen Geschichts- und Kulturunterricht. Einmal im Jahr im Urlaub in der Heimat der Vorfahren ist zu wenig für die Jugendlichen, um sich mit ihrer Religion zu befassen. Und gerade die dritte Generation ist total integriert.

Haben Sie vor diesem Aufkleber schon Erfahrungen mit Anfeindungen gemacht?

Ekici: Unsere Gemeinde hat in der Hinsicht noch nie etwas Negatives erlebt. Und wir hoffen, dass das auch so bleibt.

Und persönlich?

Ekici: Ich habe auch persönlich keine negativen Erlebnisse gehabt. Ich wohne in Bad Berneck, ich bin hier aufgewachsen, bin im Stadtrat aktiv. Auch meine Familie hat nie etwas Negatives erlebt, auch nicht seit der Flüchtlingskrise. Die dritte Generation ist hier einfach gut integriert. Aber ich weiß von muslimischen Schülern in Großstädten, die gehänselt werden, und ich weiß auch, dass Flüchtlingskinder gehänselt werden.

Wie nehmen Sie Bayreuth wahr, wenn es um das interkulturelle Zusammenleben geht?

Ekici: Wir sind eine Multikultistadt, und wir haben viele muslimische Studenten, die die Moschee besuchen. Auch Flüchtlinge kommen zu den Gebetszeiten.

Haben Sie das Gefühl, dass die Flüchtlinge den Islam anders auslegen als Sie?

Ekici: Nein, sie nehmen ihre Religion auch nicht anders wahr. Das gilt übrigens auch für die Moschee in der Friedrich-Puchta-Straße. Da gibt es keine Unterschiede zwischen uns und den Flüchtlingen.

Wie thematisieren Sie die aktuelle Krise in der Gemeinde?

Ekici: Wir reden täglich darüber, dass Muslime sterben müssen, weil Kriege geführt werden, und dass Muslime Muslime bekämpfen. Das ist so schrecklich. Wir beten, dass das zu Ende geht.

Was wollen Sie tun, um den Frieden in Ihrem direkten Umkreis zu erhalten?

Ekici: Wir können nur anbieten, dass wir miteinander reden. Nur durch Dialog kommen wir voran. Aber das liegt nicht allein in unserer Hand, muss gegenseitig passieren. Wir würden es gern diskutieren, wenn jemand ein Problem mit dem Islam hat. Wir möchten mit denen reden, die Vorurteile haben. Sympathie, Toleranz, Respekt: Das spielt alles eine Rolle. Gewalt geht gar nicht.

Die Kriminalpolizei ermittelt

Auf dem Briefkasten der türkisch-islamischen Gemeinde ist am Dienstag ein Aufkleber einer rechtgerichteten Organisation aufgefallen. Sie hat die Polizei informiert, die Abteilung Staatsschutz der Kripo war vor Ort. „Wir müssen davon ausgehen, dass es sich um eine rechtgerichtete politisch motivierte Tat handelt“, sagt ein Sprecher der Kripo. Nach ersten Ermittlungen seien die anderen muslimischen Gemeinden im Stadtgebiet nicht betroffen.

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