Bad Berneckerin Nina-Laura Kreutzer im Porträt Weltmeisterin Kreutzer am Scheideweg

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Nimmt Nina-Laura Kreutzer auch einmal die Olympischen Spiele ins Visier? Das Talent dazu hat sie, die Einstellung aber muss sie noch finden, sagt ihr Trainer Wolfgang Nickl. Foto: Wittek Foto: red

Enormer Trainingsaufwand, akribische Vorbereitung, absolute Fokussierung auf den Sport: Aus diesen Zutaten werden Weltmeister gemacht. Normalerweise. Nina-Laura Kreutzer wählte eine andere Rezeptur, um in die Weltspitze der Juniorinnen vorzustoßen. Mit einer Mischung aus Lockerheit, mentaler Stärke und enormem Talent hat es die 20-jährige Bad Berneckerin zur Doppelweltmeisterin gebracht. Ist Kreutzer eine künftige Olympia-Teilnehmerin?

 
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„Das Zeug für Olympia hat sie, keine Frage“, sagt Wolfgang Nickl. Der 61-Jährige ist Stützpunkttrainer in Neubau und auch Cheftrainer der Bundesliga-Mannschaft der SG Coburg, für die Nina-Laura Kreutzer seit zwei Jahren auf Ringejagd geht. Seit sieben Jahren hat er die Bad Berneckerin unter seinen Fittichen und weiß um ihr Potenzial.

„Von den Ergebnissen her“, sagt er, sei sie schon ganz nah dran an der nationalen Spitze der Damen und somit auch nicht weit weg von der Weltspitze. „Sie klopft da schon an, allerdings braucht sie noch die nötige Konstanz.“ Und um die zu bekommen, sind abseits allen Talents weitere Tugenden unabdingbar – nämlich unbedingter Wille und enormer Trainingsfleiß.

"Bin kein gutes Vorbild"

Nina-Laura Kreutzer fehlt beides noch. Das sagt nicht Wolfgang Nickl, das sagt die Juniorinnen-Doppelweltmeisterin selbst. Bislang hat sie weder das eine noch das andere ausreizen müssen, um auf höchstem Niveau zu schießen. „Ich bin wirklich kein gutes Vorbild, denn mein Trainingsaufwand ist schon sehr überschaubar.“ Mehr als das Pflichtprogramm absolviert sie kaum – in Wettkampfpausen ist sie oftmals nur einmal in der Woche im Stützpunkt-Schießstand in Neubau anzutreffen.

Während andere Juniorinnen ihrer Leistungsstärke oft stundenlang in ihren schweren Schießanzügen schwitzen und nebenbei noch Kondition bolzen, konzentriert sich die Bad Berneckerin auf das Wesentliche. Nur vor Wettkämpfen intensiviert sie das Training. „Ich gebe aber auch hier nicht viele Schüsse ab, manchmal sogar weniger als im Wettkampf. Aber die mit vollster Konzentration.“ Und Konditionstraining? „Nein, eigentlich nie.“ Sie hat eine chronische Fußentzündung, die Laufeinheiten unmöglich macht. „Ich bin wirklich alles, aber nicht sportlich.“

Vermeintliche Schwäche ist Stärke

Freunde, Familie, die Ausbildungsstelle als Euro-Industriekauffrau bei einem Bad Bernecker Textilunternehmen, das ihr alle Freiheiten gewährt – das hat für sie Vorrang. „Ich will für das Schießen nicht alles aufgeben“, sagt Kreutzer und vermutet, dass ihre vermeintliche Schwäche vielleicht auch ihre größte Stärke sein könnte: „Weil das Schießen für mich nicht alles ist, mache ich mir halt auch nicht so einen riesigen Kopf, gehe locker und mit Spaß an die Wettkämpfe heran.“

Mit vergleichsweise moderatem Trainingsaufwand und der ihr eigenen lockeren Einstellung hat sie sich kontinuierlich weiter entwickelt. Sie wurde im Nachwuchsbereich mehrfach bayerische und deutsche Meisterin, dann 2013 Mannschaftseuropameisterin der Juniorinnen mit dem Luftgewehr und vor wenigen Wochen nun Doppelweltmeisterin in den Disziplinen Luftgewehr und Kleinkaliber 3 x 20 – jeweils im Team.

Erster Erfolg im Jahr 2005

Neun Jahre nachdem sie beim Schnupperschießen des Bad Bernecker Ferienprogramms das erste Mal ein Gewehr in der Hand hatte, ist sie – zumindest bei den Juniorinnen – ganz oben angekommen. Auch das Schnupperschießen hat sie natürlich gewonnen. „Ihr Talent war nicht zu übersehen“, sagt Erwin Kurz, Vorsitzender der Bad Bernecker Schützengesellschaft, Nina-Laura Kreutzers Heimatverein.

Hier schießt auch ihr Vater Günther. Er ist Förderer und Motivator in Personalunion. Dazu auch noch Chauffeur, Fan und ein bisschen Trainer. „Manchmal hat er mich ganz schön gedrillt“, erinnert sie sich an ihre Anfangszeiten. Ihr Vater entgegnet schmunzelnd: „Ich habe nur ein bisschen angetrieben.“

Zusammen mit Mutter Andrea und Nina-Lauras Freund Tobias schafft Günther Kreutzer das Umfeld, das die Schützin nach eigener Aussage braucht, um auf hohem Niveau zu schießen. Ihr Vater hat sie damals auch zum Schnupperschießen geschickt, obwohl sie nur wenig Lust darauf hatte. Aber dieser erste kleine Erfolg im Sommer 2005 im Schützenkeller des Bad Bernecker Kurhauses darf wohl als Initialzündung für ihre bisherige Karriere gewertet werden. Hier machte es zum ersten Mal klick.

Einstellung muss sich ändern

Nun aber muss es das zweite Mal klicken, nachdem Kreutzer altersbedingt von den Juniorinnen zu den Damen wechselt. Hier beginnt das Spiel von neuem. Wahrscheinlich befindet sie sich sogar am Scheideweg. Wolfgang Nickl sagt das nicht so deutlich, man muss es eher zwischen den Zeilen lesen. Er lobt Kreutzer zunächst für ihre Effizienz und auch dafür, dass sie immer da ist, wenn es drauf ankommt. Und vor wichtigen Wettkämpfen sei sie sehr wohl bereit, auch im Training die Schlagzahl zu erhöhen. „Sie ist halt ein Mädchen, das mit geringem Trainingsaufwand große Leistungen abrufen kann. Und das nutzt sie bislang voll aus.“

Dass es bei den Damen automatisch so weitergeht, wie es bei den Juniorinnen aufgehört hat, daran allerdings zweifelt ihr Trainer stark. Sie werde mehr investieren müssen, wenn sie einmal auf der ganz großen Bühne schießen wolle, bei den Olympischen Spielen beispielsweise.

„Ich bin zuversichtlich“, sagt Nickl, „dass sie mit zunehmendem Alter und auch jetzt mit dem Einstieg ins Berufsleben die Flausen verliert, dass es klick macht und sie eine etwas andere Einstellung findet.“ Und dann betont er noch einmal: „Sie hat die Voraussetzungen.“

Und Nina-Laura Kreutzer selbst? Die kommt, angesprochen auf eventuelle Olympia-Ambitionen, ins Grübeln. „Olympische Spiele – das wär schon was“, sagt sie, hält kurz inne, überlegt und fügt dann hinzu: „Das zu schaffen wäre schon echt cool, aber auf Teufel komm raus muss es nicht sein.“

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