Interview mit Vereinsvorsitzendem Wilfried Laudel Kulturfreunde starten mit großen Risiko und geringem Zutrauen in die Stadthallenplanung

Mit dem Konzert der Robert-Schumann-Philharmonie am heutigen Samstag – Solistin ist Julia Bauer – starten die Kulturfreunde in die Saison 2014/2015. Der Verein steht vor Herausforderungen, und die größte davon bietet das Große Haus: Mit der Stadthallensanierung ab 2016 fürchten die Konzertveranstalter um ihre Klientel. Mit Kulturfreunde-Chef Wilfried Laudel sprach der Kurier über Planungen, Katastrophen und Aufgaben für den Kulturreferenten.

 
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Die Kulturfreunde starten heute in die Saison. Worauf dürfen sich die Bayreuther freuen?
Laudel: Die Saison steht unter drei Vorzeichen. Wir erinnern an den Mauerfall vor 25 Jahren. Daher haben wir auch zwei Orchester aus den Neuen Bundesländern eingeladen, die Robert-Schumann-Philharmonie aus Chemnitz und die Weimarer Staatskapelle. Das zweite Vorzeichen ist der 150. Geburtstag von Richard Strauss. Der ist Ehrenbürger von Bayreuth, was, glaube ich, viele Leute hier gar nicht wissen. Im Oktober 1949 wurde hier anlässlich seines Todes ein Festkonzert gegeben, und zwar im Festspielhaus – das muss man sich mal vorstellen. Ich nehme an, weil er in der Anfangszeit hier als Repetitor gearbeitet hatte. Und er ist eingesprungen, als Toscanini absagte. Strauss muss ganz gute Beziehungen zur damaligen Festspielleitung gehabt haben. Den Strauss ehren wir mit dem Waseda-Orchester aus Tokio. Das dritte Ereignis: Die Stadthalle wird, in der neuen Fassung von Hans Reissinger, 50 Jahre alt.

Ein Jubilar vor der Zwangspause...
Laudel: Ja, so wie es aussieht, ist das vorerst die letzte volle Saison in der Stadthalle, in der wir fünfzig Jahre zu Hause waren.

Die Nachricht von der Verschiebung der Bauarbeiten war dennoch willkommen.
Laudel: Die Verschiebung gibt uns die Möglichkeit, die erste Hälfte unseres Programms wie gewohnt stattfinden zu lassen. Für diese Phase planen wir die symphonischen Konzerte, dann, in der zweiten Hälfte, lassen wir die kammermusikalischen Konzerte folgen. Wir tragen das große Risiko, dass wir nicht wissen, wie lange uns die Leute folgen. Die Stadthalle wird vermutlich für längere Zeit eine Großbaustelle sein.

Was müsste Ihrer Meinung nach im Großen Haus getan werden?
Laudel: Ich finde die Akustik in der Stadthalle sehr gut, wir hören das auch immer von unseren Künstlern: Das sei eine gute Akustik, wir sollten die bloß behalten. Das Urteil hängt natürlich von der Größe des Ensembles ab. Mit symphonischen Orchestern ist das schwieriger. Die Halle hat viele Plätze mit einer guten Akustik, nur auf manchen Plätzen ist es halt nicht ganz so gut. Welcher Konzertsaal ist schon perfekt? Das Urteil der hochklassigen Kammermusikgruppen, die die besten Konzertsäle der Welt kennen und sich positiv geäußert haben, ist ein gewisser Maßstab.

Die Bamberger mögen das Große Haus nicht ganz so gern...
Laudel: Die Bamberger mögen die Halle nicht sehr, aber erst, seit sie die eigene haben. Früher mochten sie die auch.

Was also müsste man ändern?
Laudel: Was uns gestört hat, war das Ambiente. Die Wandelhalle war in meinen Augen immer ein bisschen kahl und nüchtern. Das war nie so wie in anderen Häusern, wo einen die Atmosphäre schon beim Eintritt gefangen nimmt. Die Gastronomie war auch nie so, dass die Leute sich wohlgefühlt hätten, so dass man vor und nach dem Konzert gerne dageblieben wäre. Den Saal selber finde ich nicht schlecht, der hat ja seinen Charme.

Braucht es nicht etwas mehr als Charme?
Laudel: Die Bestuhlung dürfte bequemer sein, man kann sicherlich akustisch die Dinge so gestalten, das die Halle flexibler wird, etwa für Sprech- und Musiktheater. Ansonsten haben wir weniger auszusetzen. Was uns immer gestört hat war, dass die Podeste auf der Bühne verhältnismäßig viel Aufwand gekostet haben. Das allerdings kann mit der neuen Seitenbühne besser werden. Allerdings schluckt die auch wieder Schall. Hundert Prozent wird man nicht erreichen. Immer werden wir das Problem haben, dass dieses Haus für alles gut sein soll.

Was halten Sie von den Kongressplänen?
Laudel: Das Projekt „Renovierung“ ist letztlich ein Deckmantel dafür, dass man ein Kongresszentrum haben möchte. Das Projekt mit Maisel hat man seinerzeit verworfen, daher wird das jetzt unter der Hand gemacht. Daher kommen letztlich auch die großen Kosten. Die Innenrenovierung wird erst nachgeschoben, das hat uns erstaunt. Darum wäre es uns doch hauptsächlich gegangen. Wir werden mit einem Großprojekt belastet, das von der Dauer her ein Problem ist. Und niemand kann sagen, was genau gemacht werden soll. Da zeigt es sich, wie die öffentliche Hand plant, wie es zu solchen Katastrophen wie in Berlin und in Hamburg kommt. Da wird was angeschoben, und dann weiß man nicht, wie es am Ende aussehen soll. In der Industrie denkt man erst nach, was man eigentlich will, dann schreibt man aus, dann versucht man, sich an die Kosten zu halten. Hier ist es umgekehrt. Was mir gegen den Strich geht, ist das Fehlen einer Ersatzspielstätte. Solche Kosten müssten bei so einem Großprojekt, mit solchen Kosten, von Anfang einkalkuliert werden.

Das erinnert an das Hin und Her bei der Graserschule.
Laudel: Das verstehe ich auch nicht. Wie will die Stadt das wuppen? Man argumentiert stets, dass kein Geld da sei. Man sollte sich konzentrieren. Aber da sieht man, dass die Interessen in der Stadt sehr verschieden sind, da hat jeder sein Projekt. Diese Art der Zusammenarbeit muss jemand leiten.

Wer?
Laudel: Da muss von der Spitze kommen. Von der Oberbürgermeisterin. Man muss die Kirche im Dorf lassen. Was man riskiert ist, dass in den nächsten Jahren einiges zum Erliegen kommt. Je länger die Arbeiten dauern, desto schwieriger wird es für uns und andere. Einige Anbieter werden nachdenken, ob sie ihre Tätigkeit hier nicht einzustellen. Wir wissen es noch nicht, mal schauen, wie uns Bevölkerung die Treue hält. Wir haben uns Kirchen angeschaut, das Gemeindehaus, auch das Zentrum – das erscheint mir am geeignetsten. Das Problem ist unsere Klientel, die werden nicht ständig woanders hingehen wollen. Dann kommen wir an das Problem, dass viele Spielstätten ausgelastet sind. Auch die Oberfrankenhalle ist eigentlich nur für ganz wenige Termine frei.

Das wäre doch die Chance, neues Publikum an neue Orte zu locken?
Laudel: Das ist so eine Sache. Wer soll dazukommen, der bislang nicht bekommen ist? Dazu müsste die Spielstätte einen eigenen Charme haben. Das ist bei den hier zur Verfügung stehenden Spielstätten nicht gegeben. Und es ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Unsere Ensembles kosten Geld. Die brauchen gewisse Zuhörerzahl. Stadt unterstützt uns, ja, aber der Zuschuss ist begrenzt und seit Jahrzehnten nicht mehr gestiegen.

Die freiwilligen Leistungen könnten gekürzt werden...
Laudel: Unter diesem Damoklesschwert leben wir seit Jahrzehnten. Große Wagnisse kann man damit nicht eingehen. Wir dürfen auch keine Gelder ansammeln, wir stehen da eigentlich im luftleeren Raum.

Man könnte mit der Sanierung warten, bis das Markgräfliche Opernhaus fertig wäre.
Laudel: Das wäre eine Alternative, wenn die Mietkosten entsprechend niedrig wären. Aber das ist wahrscheinlich nicht der Fall, in der Vergangenheit jedenfalls waren sie hoch. Und geöffnet war es genau in der Zeit, in der wir unsere Konzerte nicht angeboten haben. Fast für die gesamte normale Konzertsaison von September bis Mai ist es geschlossen. Wenn man es aber nützen könnte, wäre das eine Hilfe. Vorausgesetzt, die Mietkosten wären nicht so hoch. Aber an sich würde ich es begrüßen: Das ist ein Magnet, eine Attraktion.

Da würden die Besucher wohl auch von weit her kommen?
Laudel: Wenn das Stadtmarketing das unterstützt, ja. Städte wie Bayreuth sind eigentlich zu klein, um diesen Rahmen zu füllen. Da muss man schon in die Region gehen. Und da muss das Stadtmarketing helfen. Ein gemeinnütziger Verein kann das nicht leisten. Wir haben uns immer als Teil der Maschinerie gefühlt, die Kultur anbietet. Als Dienstleister. Dafür aber ist man darauf angewiesen, dass da was zusammenläuft. Dass da was gebündelt wird. So wie das mal im Fremdenverkehrsverein gebündelt war, und wie es bei der Bayreuth Marketing und Tourismus mal gebündelt werden sollte. Ich habe den Eindruck, dass es da mehr Reibungen gibt als früher.

Das wäre ein Job für einen Kulturreferenten.
Laudel: Die Idee ist an sich sehr gut. Aber da passiert doch was ähnliches wie bei der Planung der Stadthalle. Man müsste doch erst mal fragen: Was soll er tun, welche Befugnisse wird er haben, welchen Etat wird er zur Verfügung haben? Man zäumt das Pferd auch da vom Schwanz her auf .

Beworben haben sich 180 Kandidaten...
Laudel: Quantität ist noch lange nicht Qualität.

Was muss der Kulturreferent mitbringen?
Laudel: Leidenschaft für die Stadt. Er muss die Bayreuther Sehenswürdigkeiten kennen, er müsste sie, genau wie die anderen Angebote der Stadt, erst mal gründlich erkunden. Und dann braucht er ein Konzept, wie man die Angebote hier bündeln kann.

Und ein gewisses Selbstbewusstsein.
Laudel: Ja, das ist eine Frage der Persönlichkeit. Er müsste sich nicht nur gegenüber Anbietern behaupten, sondern auch gegenüber der Stadt.

Sollte er auch das Verhältnis zu den Festspielen neu angehen?
Laudel: Bayreuth und sein Verhältnis zu den Festspielen muss man ohnehin neu überdenken. Bisher war der Grüne Hügel für die Stadt total abgeschirmt. Die neuen Strukturen zeigen, dass das nicht mehr geht. Man muss sehen, wie sich die Stadt Gehör verschafft. Wolfgang Wagner hat das abgedeckt, so lange er bei Kräften wär. Aber bei seinem Abgang ist wohl eine Lücke entstanden. Ne aufgeklärte Tyrannei kann doch ganz gut sein (lacht).

Nochmals zum Kongresszentrum - braucht Bayreuth überhaupt eins?
Laudel: Die Bamberger sind ja schon wirtschaftlich nicht glücklich, und das Zentrum dort ist eigentlich ganz gut ausgelastet. Man muss sich fragen: Womit soll eine Stadt punkten? Mit welchen weichen Standortfaktoren? Da ist es so, dass jede Stadt andere Ressourcen hat. Ob es richtig ist, dass Bayreuth Kongresse anbietet, weiß ich nicht. Die meisten Kongresszentrum haben nur dann eine Chancen, wenn auch eine gute Hotellerie da ist. Und das sehe ich in der Bayreuther Planung nicht so unbedingt gegeben.

Der Kongresszweck könnte die Stadthalle von Grund auf verändern...
Laudel: Ich habe von Carsten Hillgruber erfahren, dass der Balkonsaal keine richtige Bühne haben wird. Wo sollen die Aktivitäten hin, die im kleinen Haus stattgefunden haben? Ich dachte, die werden da integriert. So tröpfchenweise lässt der eine oder andere Informationen fallen. Aber ein vollständiges Konzept scheint nicht da zu sein.

Das Gespräch führte Michael Weiser

INFO: Franz Schuberts Sinfonie Nr. 3 D-Dur am Anfang, Beethovens Sinfonie Nr. 6 F-Dur „Pastorale“ zum Abschluss, dazwischen mit „Ah, se in ciel, benigne stelle“und „Popoli di Tessaglia“zwei Mozart-Konzert-Arien: So sieht das Programm der Kulturfreunde beim Eröffnungskonzert am heutigen Samstag in der Stadthalle aus. Es spielt die Robert Schumann Philharmonie unter Dirigent Frank Beermann, Solistin ist Julia Bauer. Beginn in der Stadthalle ist um 20 Uhr. Karten an der Theaterkasse.

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