Weidenberg: 70 Prozent der Bäume schadhaft

Von Renate Allwicher
Komplett gespalten, hohl bis weit in den Stamm hinein: In der Sitzung des Weidenberger Gemeinderates lag viel marodes Holz auf dem Tisch. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Bäume sind schön. Und gefährlich. Den Weidenbergern wurde dies im Frühjahr 2016 in Erinnerung gerufen, als Äste mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern auf den Weg zum Montessori-Kindergarten stürzten. „Zum Glück in der Nacht“, wie Bürgermeister Hans Wittauer sagt. Damals entschieden die Weidenberger Räte, ein Baumkataster anzulegen. Nun wurden erste Ergebnisse vorgestellt – in einer Gemeinderatsitzung mit viel morschem Holz auf dem Tisch.

 
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„70 Prozent aller Bäume sind schadhaft“, lautet das Fazit des Forstingenieurs Johannes Wurster. Wurster betreut mehrere Gemeinden. „Das ist kein ungewöhnliches Bild“, sagt er. Bislang habe er in Weidenberg und Waizenreuth rund 2300 Bäume erfasst. Alle Außenortschaften sollen folgen: Das Kataster könnte auf etwa 5000 Bäume anwachsen, die alle mit Ortschaft, Straße, GPS-Koordinaten, Baumnummer, Baumart, Alter, Zustand und Schäden vom Wurzelwerk bis zur Krone erfasst werden.

Die Gemeinden haften

Die Gemeinden seien im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht in der Pflicht, dass von Bäumen auf Grundstücken in ihrem Eigentum keine Gefahr für Menschen ausgeht, sagt Michael Benz, der Sprecher des Landratsamtes – ein Thema, das auch bei der jüngsten Bürgermeisterdienstbesprechung diskutiert worden sei. Dafür seien regelmäßige Kontrollen notwendig – mit besonderem Augenmerk auf Bäume entlang von Straßen oder im öffentlich zugänglichen Bereich. „Viele Kommunen setzen daher zu Dokumentationszwecken auf ein Baumkataster, um im Schadensfall den Nachweis darüber führen zu können, dass der Verkehrssicherungspflicht nachgekommen wurde“, sagt Benz.

Wem gehört der hohle Baum?

Weidenberg macht das, anders als beispielsweise die Partnergemeinden Emtmannsberg, Seybothenreuth und Kirchenpingarten. Zahlreiche Bäume, vor allem In der Au, wurden allerdings gar nicht erst ins Kataster aufgenommen, sondern gleich mit der Spraydose ausgezeichnet, sagt Wurster – ihr Zustand war so schlecht, dass sie gefällt werden mussten. „So eine Erle will man zum Beispiel nicht neben sich haben“, sagt Wurster, als er eine der Baumscheiben hochhebt: „Hier fanden wir massive Fäule, Pilzbefall und eine große Höhlung.“ Die Baumscheibe einer Kastanie brachte er in einem Eimer mit, sie hielt nicht mehr zusammen. Bäume mit Brandkrustenpilz, mit durchgehenden Spalten oder hohl: All das gibt es und all das wurde in Weidenberg gefunden. „Es waren Sachen dabei, da war es Glück, dass es gut ging“, sagt Wurster. Seiner Erfahrung nach werde den Gemeinden erst bei der Erstaufnahme für das Kataster klar, welche Baumbestände der Gemeinde eigentlich gehören.

Mit der Spraydose fürs Fällen markiert

„Ich bin froh, dass wir für uns entschieden haben, das zu machen. Wir haben ein großes Gebiet, bei uns ist die Unfallgefahr proportional höher als in manch anderer Gemeinde“, sagt Wittauer. Die Baumscheiben seien ein guter Beleg: Sie machten offensichtlich, dass die Gefahr im Detail steckt und von außen nur durch einen Fachmann zu erkennen ist. Die Kosten für die Erfassung und die erstmalige Untersuchung benennt Wittauer mit etwa 20.000 Euro, außerdem rechne er mit Folgekosten von etwa 5000 Euro im Fünfjahrestakt. Aus dem Kataster ist genau abzulesen, wann welcher Baum wieder kontrolliert werden muss. Dies hänge vom Alter und den Vorschäden ab, erläutert Wurster. Generell gelte: Je jünger ein Baum ist, desto seltener muss er kontrolliert werden. Gefällt haben die markierten Bäume in der Regel Mitarbeiter des Weidenberger Bauhofs.

Einstimmige Entscheidung für's Kataster

Gerhard Steininger (CSU), selbst vom Fach, stellte in Frage, ob es tatsächlich nötig sei, die Bäume alle einzeln zu erfassen und das schon ab einer Stammstärke von zehn Zentimetern. Diese Kritik sei aus forstwirtschaftlicher Sicht logisch, entgegnete Wittauer. Aus kommunaler Sicht, wenn es um Sicherheit und Haftung geht, sei aber die Einzelkartierung der Bäume wichtig: „Man muss jeden Baum extra abrufen können.“

Zum Vergleich: „In der Stadt Bayreuth werden grundsätzlich alle erhaltenswerten Bäume – unabhängig von ihrer Größe – erfasst“, sagt Robert Pfeifer, Leiter des Stadtgartenamtes. Allerdings hätten nicht alle im Kataster erfassten Bäume draußen eine Nummer, manchmal handele es sich auch um Baumbestände, in denen nicht alle Bäume markiert sind. „Die Nummern vor Ort haben – im Gegensatz zu GPS-Koordinaten – den Vorteil, dass die Bäume auch ohne GPS-Gerät draußen eindeutig identifiziert werden können“, sagt Pfeifer.  Die Entscheidung für ein Baumkataster war im Mai 2016 vom Weidenberger Gemeinderat einstimmig beschlossen worden.