In Gesees und Hummeltal müssen die Bürger etwas pflegen, wozu sie kaum Zugang haben Wasserleitung: Eigentum unter der Straße

Von Thorsten Gütling
Martin Herrmann, Mitarbeiter der Stadtwerke Bayreuth, präsentiert einen sogenannten Wasserschieber. Wie überall, liegen diese Teile auch Gesees und Hummeltal unter den Straßen und markieren den Anfang der Grundstücksanschlüsse. Dass für die Wartung der Teile die Grundstückseigentümer selbst zuständig sind, das ist im Landkreis Bayreuth aber nur in Gesees und Hummeltal so. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Bürger in Gesees und Hummeltal haben ein Problem: Teile der Wasserleitung, für deren Wartung sie zuständig sind, befinden sich unter der Straße. Für die Bürger ist das kostspielig und gefährlich. Die Gemeinde könnte das ändern, tut es aber nicht. Weil es teuer ist.

 
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Etwa 300 Wasseranschlüsse gibt es in Gesees. 200 davon, so schätzt es Verwaltungsleiter Siggi Müller, sind kaputt. Der Wasserschieber, also die Stelle, an der das Wasser von der Hauptleitung zu den Grundstücken abzweigt, lässt sich nicht mehr öffnen und schließen. Weil der Schieber über Jahrzehnte nicht bewegt wurde. Die Gefahr: Wer ihn jetzt bewegt, weil er zur Wartung verpflichtet ist, der bricht den Schieber ab. Wasserschaden unter der Straße inklusive. Stefan Küfner, Gemeinderat der Freien Wähler in Gesees, fragt deshalb: „Wer haftet eigentlich, wenn wegen meines defekten Wasserschiebers die Straße aufquillt und ein Unfall passiert?“

In der Praxis schwierig

Für die Wartung, also das jährliche Auf- und Zudrehen des Schiebers, sind die Grundstückseigentümer zuständig. In der Praxis erweist sich das aber als schwierig. Für den ein oder anderen Geseeser würde das bedeuten, die Straße vor seinem Haus sperren und aufbaggern zu müssen. Zwar gibt es kleine Schächte, die den Schieber mit der Straßenoberfläche verbinden. In vielen Fällen sind die Abdeckungen aber genauso kaputt, wie die Schieber selbst. Mit der Folge, dass sich der Schmutz Zentimeter hoch in den Kanälen türmt. Und dass die Geseeser und Hummeltaler jedes Jahr ein paar tausend Euro in die Hand nehmen müssten, um ihrer Verpflichtung zur Wartung nachzukommen.

Auch der zweite Anlauf scheitert

Claus Hofmann will das ändern. Der stellvertretende Bürgermeister und Vorsitzende der SPD-Fraktion nennt es eine jahrzehntelange Ungerechtigkeit. Die Gemeinde wälze eine Aufgabe auf ihre Bürger ab, für die sie eigentlich zuständig wäre. Weil die Bürger andernorts erst ab der Grundstücksgrenze für ihre Wasserleitungen verantwortlich wären. Doch damit nicht genug. Würden kaputte Straßen nicht saniert – und Gesees schiebe einige Maßnahmen seit Jahren auf die lange Bank – ginge auch der Unterbau und damit der Schieber der Bürger kaputt. Hofmann sagt: „Wir haben nicht nur miserable Straßen, sondern gefährden damit auch noch das Eigentum der Leute.“

Warten auf den Schaden

Die logische Konsequenz der Satzung macht Georg Nützel, der Fraktionsvorsitzende der CSU, deutlich: „Ich kann mich nicht auf die Kreisstraße stellen und meinen Schieber warten. Also warte ich, bis er kaputt ist, und lasse dann die Versicherung zahlen.“ Nur: Ob die Versicherungen für Schäden an der Wasserleitung außerhalb des Grundstücks haften, ist umstritten. Erst recht, ob sie das tun, wenn die Wartung zuvor jahrelang unterlassen wurde. Verwaltungsleiter Müller rät daher zu einer Überprüfung und notfalls zum Wechsel der Versicherung. Und im Gemeinderat herrscht Einigkeit: Wer jetzt noch an seinen Wasserschieber fasst, der ist selber schuld.

600.000 Euro teuer

Claus Hofmann wählt einen anderen Weg. Das zweite Jahr in Folge unternimmt er einen Anlauf, die Wassersatzung der Gemeinde zu ändern. „Eine Satzung, die horrende Kosten für die Bürger verursacht, und unmöglich umzusetzen ist.“ Ohne Erfolg. Wurde eine Entscheidung im vergangenen Jahr noch vertagt, stimmten jetzt neun der zwölf Gemeinderäte dagegen. Die Gemeinde, der die Wasserleitung gehört, wird die Schieber also nicht übernehmen. Der Grund: das Geld. Mit Kosten von bis zu 600.000 Euro rechnet Verwaltungsleiter Müller, wenn 200 kaputte Wasserschieber repariert werden müssen. Defekte Schieber könne die Gemeinde schließlich schon aus Haftungsgründen nicht übernehmen. Das würden auch die Stadtwerke Bayreuth, die das Wasser liefern, nicht zulassen.

Ungerecht aber nicht zu ändern

Dass die derzeitige Wassersatzung aber nicht gerecht ist, das sehen auch Verwaltungsleiter Müller und Bürgermeister Harald Feulner (Freie Wähler) so. Müller sagt: „Heute würde man das so auch nicht mehr machen.“ Es sei aber zu schwierig, das System zu wechseln.

Das Wasser teurer machen?

Ein Lösungsvorschlag kommt von Manfred Barchentenbreiter (CSU): Die Gemeinde könnte den Wasserpreis erhöhen, dadurch Rücklagen bilden, und die Schieber zu erneuern. Bei 50000 Kubikmetern Wasser, die die Gemeinde jedes Jahr verkauft, müsste der Wasserpreis dafür zwölf Jahre lang um einen Euro angehoben werden, rechnet Verwaltungsleiter Müller vor. Jeder Haushalt würde so jährlich etwa 200 Euro mehr bezahlen. Georg Nützel (CSU) geht das zu weit. Er spricht sich gegen eine „unnötige“ Wasserpreiserhöhung aus. Und so stimmen außer Thorsten Fritsche, Gabi Bayerlein und Claus Hofmann (alle SPD) alle Gemeinderäte dagegen, das Problem zu lösen.

Zwei Ausnahmen

Die Mustersatzung für gemeindlichen Wasserversorger regelt, dass alle Leitungen zwischen der Versorgungsleitung und der ersten Armatur auf dem Grundstück, mit der die gesamte Wasserzufuhr abgeschaltet werden kann, Eigentum der Gemeinde ist. Allerdings nur solange, wie die Gemeinden keine anderen Vereinbarungen treffen. Beim öffentlichen Wasserversorger Juragruppe heißt es auf Nachfrage: „Was unter öffentlichen Straßen liegt, obliegt der Unterhaltspflicht des Wasserversorgers.“ Und die Stadtwerke Bayreuth erklären: „Dort, wo uns das Netz gehört, kümmern wir uns bis zum Haus um die Wasserleitungen.“