Politiker beraten über konkrete Schritte gegen gezielte Falschnachrichten im Netz Was tun gegen Falschnachrichten?

Tim Braune und Andrej Sokolow
Sogenannte Falschmeldungen verbreiten sich in den sozialen Netzwerken mit rasanter Geschwindigkeit. Besorgniserregend ist die massive Zunahme von Meldungen, mit denen offenbar gezielt Stimmung gemacht werden soll – zum Beispiel gegen Asylbewerber. Gezielte Falschmeldungen sollen nach Expertenansicht auch eine entscheidende Rolle bei der vergangenen US-Präsidentschaftswahl gespielt haben. In Deutschland nimmt die Zahl solcher Meldungen dramatisch zu. Archivfoto: dpa Foto: red

Falschnachrichten bei Facebook hatten nach Expertenansicht maßgeblichen Einfluss auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. Auch in Deutschland verbreiten sich solche Meldungen rasant. Gut neun Monate vor der Bundestagswahl erwägt die Regierung konkrete Schritte.

 
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Die deutsche Politik droht Facebook mit hohen Bußgeldern, wenn Falschmeldungen und Hassbotschaften nicht gelöscht werden. „Natürlich müssen wir am Ende auch über Bußgelder nachdenken, wenn andere Maßnahmen nicht greifen“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Die Meinungsfreiheit habe Grenzen: „Beleidigungen, Volksverhetzungen oder Verleumdungen haben bei Facebook nichts zu suchen.“

Zugleich wird in Deutschland vor dem Jahr der Bundestagswahl auch der Druck auf das weltweit größte Online-Netz stärker, härter gegen erfundene Nachrichten, sogenannte „Fake News“, vorzugehen. Im US-Wahlkampf hatten die gefälschten Nachrichtenartikel Hochkonjunktur, sie fielen zumeist zugunsten des künftigen Präsidenten Donald Trump aus. Facebook kündigte am Donnerstag Maßnahmen gegen das Phänomen an, die zunächst in den USA umgesetzt werden sollen.

Das Ende der Geduld

Der Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, äußerte sich erfreut darüber, dass nun auch aus der SPD seine Initiative unterstützt werde, soziale Plattformen wie Facebook zur konsequenten Löschung von Hassbotschaften und Falschnachrichten zu veranlassen. Zu lange schon sei nur geredet worden. „Jetzt werden wir in der Koalition gleich zu Beginn des kommenden Jahres handeln.“

Nach Jahren der Diskussion müssen die sozialen Medien nun leider zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung gezwungen werden. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte im „Spiegel“, dass „marktbeherrschende Plattformen“ wie Facebook gesetzlich verpflichtet werden, auf deutschem Boden eine an 365 Tagen rund um die Uhr erreichbare Rechtsschutzstelle einrichten zu müssen.

Facebook: Bis zu 500.000 Euro Bußgeld?

Dort könnten sich Opfer von Hass, Häme und gefälschten Nachrichten melden. „Wenn Facebook nach entsprechender Prüfung die betroffene Meldung nicht unverzüglich binnen 24 Stunden löscht, muss Facebook mit empfindlichen Bußgeldern bis zu 500.000 Euro rechnen“, sagte Oppermann dem Magazin.

Auf Wunsch von Betroffenen müssten Facebook & Co. zudem eine „Richtigstellung mit der gleichen Reichweite“ im Netz verbreiten. Oppermann bestätigte, dass er mit Kauder nach der Weihnachtspause aktiv werden wolle.

Diskussion um Pressrecht für soziale Netzwerke

Eine Diskussion entbrannte auch um die Idee, soziale Netzwerke unter das Presserecht zu stellen. Der medienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz (CDU), zeigte sich offen für einen Vorstoß seines Parteifreundes Ruprecht Polenz, Facebook bei der Haftung für Inhalte wie Presseverlage zu behandeln.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) lehnte eine Ausdehnung des Presserechts auf Online-Netzwerke strikt ab. Bei Facebook und anderen Diensten handele es sich nicht um Medien, sondern um technologiegetriebene Plattformen. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall erinnerte im „Handelsblatt“ daran, dass es längst die sogenannte Verbreiterhaftung gebe, nach der der Foren-Betreiber zu belangen ist, wenn strafrechtlich Relevantes verbreitet werde.

Kontrolle von innen und außen

Zu den Maßnahmen gegen „Fake News“, die Facebook nach massiver Kritik für die USA ankündigte, gehört die Zusammenarbeit mit externen Fakten-Check-Spezialisten aus der Medienbranche. Außerdem solle es einfacher werden, Fake News zu melden, kündigte das weltgrößte Online-Netzwerk in einem Blogeintrag an.

Auch die Algorithmen, die darüber entscheiden, welche Artikel im Newsfeed der Mitglieder auftauchen, sollen angepasst werden. Wenn ein Beitrag von Nutzern nicht geteilt wird, nachdem sie ihn gelesen haben, könne das als Warnsignal in die Gewichtung einfließen, erläuterte der zuständige Facebook-Manager Adam Mosseri.

Schließlich wolle Facebook konsequenter die Einnahmequellen der Autoren gefälschter Nachrichten austrocknen. Im US-Wahlkampf sollen einige ein gutes Geschäft damit gemacht haben, aufsehenerregende Nachrichten zu erfinden: Sie wurden von Nutzern angesehen und weiterverbreitet – und die dabei angezeigte Werbung ließ bei den Autoren die Kassen klingeln.

dpa

Glossar:

Fake News: Falschnachrichten, die im Netz – insbesondere in sozialen Netzwerken – verbreitet werden. Nach Expertenansicht hatten gezielte Falschnachrichten bei Facebook deutlichen Einfluss auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl.

Post: Ein Eintrag eines Nutzers in einem sozialen Netzwerk wie Facebook, Twitter, Instagram usw. Posts bei Facebook können Texte, Bilder, Video- und Audiodateien sowie Links zu anderen Facebook-Seiten oder externen Websites enthalten.

"Fake News" in Bayreuth

Falschnachrichten sind auch in Bayreuth nicht unbekannt. Im September verbreitete sich bei Facebook eine Geschichte über einen vermeintlichen Vorfall mit drei Asylbewerbern, die eine Frau bedrängt haben sollen. Im Nachhinein erwies sich diese Geschichte als frei erfunden.

Bis dahin war sie aber schon mehr als tausendmal geteilt worden. Zahlreiche Menschen in und um Bayreuth nahmen für bare Münze, was ein Facebook-Nutzer öffentlich gepostet hatte. Der Autor des Posts behauptete, die Polizei habe einer Frau, die von Asylbewerbern bedrängt wurde, nicht helfen wollen; außerdem schrieb der Autor, dass der „Nordbayerische Kurier“ sich weigere, über den Vorfall zu berichten.

Als der Kurier der Sache nachging, stellte sich bald heraus, dass der Mann eine im Netz kursierende asylfeindliche Geschichte kurzerhand an Bayreuther Verhältnisse angepasst und verbreitet hatte, wohl wissend, dass sie sich niemals so zugetragen hatte. Auf die Frage, warum er das getan habe, erwiderte er lediglich: „Weil das in unserem Land nicht so weitergehen kann. Wir sind doch nicht deren Sklaven.“

Als der „Nordbayerische Kurier“ den Post an die Polizei weiterleitete, entschuldigte der Autor sich: „Ich habe [die Geschichte] geglaubt, ohne sie zu überprüfen.“ cb

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