Kreisjugendring fordert Willkommenskultur, Regionalplaner warnen vor alleiniger Ausrichtung auf junge Leute mit Kindern Warum Familien nach Speichersdorf kommen

Von Ulrike Sommerer
Marcus Köppel, seine Frau Jana und die Kinder (von links) Aliya, Rayk und Lucia haben sich ganz bewusst für Speichersdorf entschieden. Hier passt, sagen sie, die Infrastruktur für junge Familien. Foto: Harbach Foto: red

Ein Baugebiet löst kein Problem. Nicht das, dass es immer weniger Kinder gibt. Nicht das, dass immer mehr Menschen wegziehen aus den Dörfern und Gemeinden am Rande von Städten. Und doch verspricht man sich in einer Gemeinde viel davon, wenn man  neue Baugebiete ausweist. Hofft auf den Zuzug junger Familien. Zumindest aber darauf, dass die, die hier sind, auch hier bleiben. Nur: Familie ist nicht alles.

 
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Ein Baugebiet ist nicht das allein seligmachende in der Diskussion um den demografischen Wandel und die damit verbundenen Herausforderungen für Gemeinden und Vereine. Doch vielleicht fragt man in dieser Diskussion zu oft den Bürgermeister oder den Gemeinderat. Und nicht die, die bleiben oder gar kommen sollen.

Der Kreisjugendring hat sich mit dieser Thematik befasst, es ist noch gar nicht so lange her. Und die, die dort diskutiert haben, haben Leitlinien herausgegeben, was eine Gemeinde und ein Landkreis tun kann, um Menschen zu halten. Kämpferisch sein – auf diesen Nenner bringt es dabei Christian Porsch, Vorsitzender des Kreisjugendrings. Man müsse, sagt er, um jedes Kind kämpfen, um den Nachwuchs für die Vereine zu sichern, kein Kind dürfe mehr durch ein gesellschaftliches Rost fallen. Und in den Gemeinden der Region müsse man um jede Familie kämpfen, die sich hier niederlassen könnte. Familienfreundlichkeit sei hier der Schlüssel, findet Porsch. Es müsse eine „Art Willkommenskultur für Kinder“ geben.

Marcus Köppel und seine Familie sind Neu-Speichersdorfer. Ihre Geschichte geht so: Der gebürtige Bayreuther Köppel, 33 Jahre alt, kam über einen Kollegen zum Kirchenlaibacher Soldaten- und Kriegerverein, wurde dort erst Fahnenträger, irgendwann dann auch Vorsitzender. Als er seine Frau kennenlernte und die beiden überlegten, wo sie gemeinsam leben könnten, war schnell klar, dass der beste Ort für die Familie die Gemeinde Speichersdorf sein kann. Auch, weil Köppel über den Kriegerverein schon in das Vereinsleben des Ortes integriert war, sich dort gut angenommen und aufgehoben fühlte.

„Wenn Kommunen darauf abzielen, junge Menschen anzulocken, sind Familien unterstützende Einrichtungen das A und O“, sagt Regionalplaner Manfred Miosga. Krippe und Kindergarten gehören hier dazu, Ganztagsbetreuungen für Schulkinder, immer mehr aber auch Möglichkeiten der Unterstützung bei der Pflege von alten Menschen. Was Regionalplaner in der Theorie erkennen, waren bei Familie Köppel ganz praktische Überlegungen. In Speichersdorf gibt es Krippe, Kindergarten und Schule. Es gibt Einkaufsmöglichkeiten. Es gibt ein reges Vereinsleben. Es gibt einen Bahnhof. Marcus Köppel arbeitet in Bayreuth als Rechtspfleger, fährt mit dem Zug zur Arbeit. Jana Prokoph arbeitet bei der Bundespolizei in Stuttgart, fährt mit dem Zug zur Arbeit, Schichtdienst, bleibt zwei, drei Tage dort, fährt wieder zurück. Durch die Möglichkeit mit dem Zug zur Arbeit zu fahren, reicht der Familie ein Auto. Das spart Kosten.

Die Infrastruktur, die Speichersdorf vorhält, passte genau zur Lebenssituation der Familie. Dazu kamen weitere Punkte, die die Entscheidung für gerade diese Gemeinde leicht machten: Köppel war hier bereits ins Vereinsleben, er selbst spricht vom „Dorfleben“, integriert, seine Frau Jana fand ebenfalls schnell Anschluss, die Kinder sowieso. „Der Zusammenhalt im Dorf passt. Wir wurden hier gut aufgenommen.“ Für die Familie von Marcus Köppel sollte es also Speichersdorf sein. „Der Ort war klar, es ging nur noch darum, wo im Ort wir bleiben“, erinnert sich Marcus Köppel. Eine passende gebrauchte Immobilie fand sich nicht, aber ein passendes Baugrundstück. 2010 fingen sie mit dem Hausbau an, im Mai 2011 zog die Familie nach Speichersdorf. Auch das ein Wunsch der Familie, der sich in Speichersdorf erfüllen konnte: Ein Haus, groß genug für viele Kinder, umgeben von einem Garten. Und die Kinder können in dem Wohngebiet sogar auf der Straße spielen.

Sich auf Familienfreundlichkeit zu stürzen, sei jedoch nicht der allein selig machende Weg, sagt Miosga. Denn so lasse man Menschen außen vor, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden würden. Man müsse sich von dem Gedanken „Eigenheim, Garten, Zaun drumrum“ lösen und auch andere Wohnformen – vor allem im Mietbereich – anbieten. Junge Menschen, sagt Miosga, haben heute vielfältige Lebensformen. Und junge Familien, um die die Gemeinden buhlen könnten, die werden einfach immer weniger...