Michael König lebt auf einer Insel vor der pazifischen Küste Kanadas und singt in den größten Opernhäusern Wanderer zwischen den Welten

Gert-Dieter Meier
 Foto: red

Ein Traum von Michael König, der in Mutlangen geboren wurde, ist vor Jahren schon in Erfüllung gegangen. Nachdem er mehrfach Urlaub in Kanada gemacht hatte und die Liebe zu diesem Land ihn nicht mehr loslassen wollte, entschloss er sich mit seiner Familie dazu, nach Haida Gwaii nördlich von Vancouver in Kanada zu ziehen.

 
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„Da leben wir – und sind überglücklich.“ Was er an diesem Land? „Platz! Weite! Ruhe! Wenn nicht so viele Menschen an einem Ort zusammengedrängt leben, dann ist viel mehr Toleranz und Offenheit spürbar.“ Seine Frau, seine vier Töchter – sechs, acht, elf und vierzehn Jahre alt – und er lieben die Natur, die Freiheit, das Leben draußen: „Da fühlen wir uns wohl.“ Das ist das Reich des anderen Michael König.

Das Bayreuth-Debüt

Der eine Michael König ist bekannt durch seine wunderbare Stimme. König ist Tenor. Und als solcher feierte er in diesem Jahr sein Bayreuth-Debüt. Als Erik in Jan Philipp Glogers Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“. Beinahe hätte es König vor Jahren schon einmal nach Bayreuth geschafft – als Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes Mannheim. Doch eine Krankheit hinderte den jungen Künstler daran, damals schon „das beste Festival der Welt“ (König) zu erleben. Nun ist er hier, genießt die Atmosphäre und die Zusammenarbeit auch mit Christian Thielemann:

„Der verlangt viel. Mit ihm zu arbeiten, das ist speziell – und eine große Freude.“ Im „Holländer“ singt König den Erik – einen Jäger mitten in der Seefahrerwelt, einen Wanderer zwischen zwei Welten. In gewisser Weise spielt König sich selbst – hier der Naturbursche, der fischt und jagt, dort der Tenor, der schon in vielen großen Opernhäusern und Städten der Welt gesungen hat – unter anderem in Stuttgart, Lissabon, Paris, Wien, Hamburg, Zürich, Tokio, in Barcelona, Toronto und Amsterdam – und zahlreiche Engagements vor sich hat – etwa in Frankfurt und in Berlin („Lohengrin“), oder beim „Holländer“ in München, an der Scala und in Dresden, unter Christian Thielemann singt.

Bei Gloger ist der Jäger ein Hausmeister, mit Taschenlampe statt Gewehr. Was die Partie zur Herausforderung mache, ist der Umstand, dass sie zum einen noch das Lyrische in sich trägt, zum anderen aber auch „den heldischen Ansatz“ beinhaltet, wie König sagt. Das mache diese Partie besonders, aber nicht einfach: „Beim Ausruf ,Senta‘ fängt man mit dem hohen A an. Da muss man wissen, was man tut.“

Mag Kanada noch so schön sein, einen Nachteil hat es: Man ist weit weg von den großen Opernhäusern. Ja, sagt der Schwabe, es habe viele warnende Stimmen gegeben. Er aber hat sich nicht abschrecken lassen: „Vielleicht geht die Karriere nun etwas langsamer, aber wichtig ist doch, dass Qualität vorhanden ist.“ Er arbeitet gemeinsam mit seiner Agentur nach einem genauen Plan. So kann er sich konzentrieren, mit seinen Energien haushalten und auf sein Kapital, den Sängerapparat, Rücksicht nehmen. Wenn es stimmt, dass in der Ruhe die Kraft liegt, dann bringt König alle Voraussetzungen mit für einen veritablen Wagner-Kraftprotz.

Seine Familie begleitet König, wann immer es geht. Und das geht dank des kanadischen Schulsystems erstaunlicherweise oft. König: „Die Schule unterstützt das sogar, wenn unsere Kinder mit uns unterwegs sind. Wir waren im November und Dezember fünf Wochen lang in Madrid. Meine Kinder, die alle zweisprachig erzogen sind, waren dabei. Die Schule hat ihnen die Aufgaben mitgegeben, meine Frau hat sie unterrichtet und ein Lehrer stand online zur Verfügung, wenn man ihn brauchte.“

Das Wagner-Baby

König steht im Spezialfach Wagner ganz am Anfang: „Wenn man so will, bin ich noch ein Wagner-Baby“, sagt er. So klein und hilflos mag man sich ihn allerdings nicht vorstellen. Den Erik könnte König wohl an sehr vielen Plätzen der Welt singen, der Lohengrin kommt im Jahr 2013. Was dann? „Irgendwann mal den Siegmund – und natürlich, wenn die Zeit reif ist, den Parsifal.“ Sein größter Traum wäre es, irgendwann den Tristan zu singen. König: „Angefragt wurde ich schon ein paarmal. Das aber habe ich bisher immer abgelehnt.“ Er will sich Zeit lassen, langsam hineinwachsen. Seinen Weg gehen, sein Leben leben, sich seine Individualität bewahren. Und sich nicht verheizen lassen als Wanderer zwischen den Welten.

Foto: Lammel