"Walküre" macht Lust auf Rest des "Rings"

Von Florian Zinnecker
Eine Szene aus dem zweiten Aufzug. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele Foto: red

"Die Walküre" erweist sich auch in diesem Jahr als romantischster, aber anstrengendster Teil des "Rings" - für die Mitwirkenden wie die Zuschauer. Man verlässt das Festspielhaus aber mit einem guten Gefühl. Die Premierenkritik.

 
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Trotz Sicherheitskonzept und mehrstufigen Einlasskontrollen gibt es im Festspielhaus zurzeit einen Eindringling: eine Fledermaus. Schon im „Rheingold“ kreiste sie über den Köpfen der Zuschauer, aufgekratzt von der turbulenten Handlung auf der sich drehenden Bühne und wohl auch irritiert über die arg verrutschten Sänger-Einsätze.

Zur „Walküre“ war sie wieder da, deutlich ruhiger, die akustischen Probleme des Vortags waren unter Kontrolle, allerdings blieb sie nach dem zweiten Akt verschwunden. Vielleicht hatte sie auf eine konventionellere Inszenierung gehofft. Vielleicht dachte sie, es wäre schon zu Ende, weil sich auf der Bühne über mehrere Viertelstunden hin nahezu niemand gerührt hatte. Oder sie hatte sich, enttäuscht von der Schwächen in der Intonation, für ein Schläfchen in den Schnürboden gehängt.

Castorf ohne neue Idee

Ach, die „Walküre“. Romantischster, aber in der Castorf-Deutung auch anstrengendster der vier „Ring“-Teile. Der Abend ist ein einziger Kampf. Auf der Bühne: Siegmund und Sieglinde gegen Hunding, Fricka gegen Wotan, Brünnhilde erst gegen Siegmund, dann mit ihm gegen Hunding, dann Wotan gegen Brünnhilde. In vielen Momenten kämpfen auch die Sänger. Regisseur Frank Castorf dagegen kämpft nicht mehr, er verwaltet die eine Idee, die seit vier Spielzeiten unter der vierstündigen Handlung ächzt.

Castorf erzählt die Handlung als kleine Geschichte der russischen Revolution auf einer Ölfarm in Aserbaidschan. Man verlässt das Festspielhaus - vor allem des spektakulären Bühnenbildes wegen - mit einer merkwürdig aufrührerischen Nostalgie im Bauch.

Janowski erinnert an Petrenko

Nur: Bis dahin sind viele Stunden vergangen, von denen man jede Minute einzeln spürt. Mag sein, dass das Konzept ist - eine Anschaulichmachung der bleiernen Zeit, die überwunden werden muss. Allein: Für die Oper wäre dieser Theatertrick ein bisschen zu billig. Aber in der Kunst, Regie zu führen ohne Regie zu führen, macht Castorf niemand so leicht etwas vor. Da ist dieser „Ring“, und gerade die „Walküre“, ein Musterbeispiel.

Marek Janowski, nach Hartmut Haenchen in dieser Saison schon der zweite in Bayreuth debütierende Wagner-Altmeister, beginnt den Abend mit einer kleinen musikalischen Klarstellung. Kirill Petrenko hatte das Vorspiel in den vergangenen Spielzeiten als impressionistisches Gewitter dirigiert, der pulsierende Rhythmus entstand viel mehr aus dem Laut-Leise-Wechseln in den Streichern als durch den rastlosen Basslauf. Und Janowski, dieses Jahr, macht es beinahe genauso. Natürlich sind die Kanten der Töne nicht so schroff und die Bläserklänge gedämpfter, aber die Aussage ist unüberhörbar: So verschieden sind wir gar nicht.

Bühne und Orchester stimmen sich besser ab

Das zeigt sich auch in der Todesverkündung im zweiten und bei Wotans Abschied im dritten Akt. Andererseits zeigt Janowski schon wenige Takte nach dem Vorspiel, im schwelgerischen Cello-Solo bei der ersten Begegnung des Wälsungenpaars, seinen eigenen Kopf - und die Entschlossenheit zum vorbehaltlosen, fein nuancierten Schwelgen: Petrenko ist vorbei, jetzt weht ein anderer Wind, meist sanft, aber mit heftigen Böen. Und, anders als am Vortrag, weht er nun tatsächlich.

Den Sängern weht dieser Wind meist durchaus aus günstiger Richtung. Die Abstimmung zwischen Bühne und Orchestergraben klappt besser als im „Rheingold“, es sind nicht mehr viele Einsätze, die bedenklich wackeln, allerdings verrutschen nach wie vor viele Töne leicht zwischen den Notenlinien.

Ein guter Abend - mit Luft nach oben

Wotan John Lundgren gelingen zwei souveräne Aufzüge, Fricka Sarah Connolly blüht nach mattem Vorabend nun stimmlich auf. Christopher Ventris ist ein starker Siegmund, Heidi Melton als kurzfristig eingewechselte Sieglinde kommt gut durch den Abend, flackert in der Höhe jedoch bedrohlich. Die beiden Glanzlichter: Catherine Fosters Brünnhilde und Georg Zeppenfeld als Hunding. 

Ein guter Abend also, das schon. Aber auch der zweite „Ring“-Teil ist nicht nur geeignet, Lust auf den dritten zu machen. Sondern auch die Vorfreude zu nähren auf die erste wirklich runde Aufführung der Saison.

 

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