Wagner-Slam: Die Runde der Grasritter

Von Wolfgang Karl
"Steve aus Nürnberg" nennt sich der am Ende siegreiche Slammer. Was nicht darüber hinwegtöuscht, dass man ihn in Bayreuth auch als Musiker kennt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Erst die Tannhäuser-Overtüre, dann Geschichten und Gereimtes über Richard Wagner: Der erste Poetry Slam zu Richard Wagner ging in Bayreuth über die Bühne. Unser Rezensent sagt: Mein lieber Schwan!

 
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Der Ort ist schon ungewöhnlich, in ihrer Art ist die Veranstaltung gar außergewöhnlich zu nennen: der mutmaßlich erste Richard Wagner-Poetry- Slam überhaupt, ein Dichter-Wettstreit zu Ehren des Dichter-Komponisten. In der Wäscherei von Franz-Peter Wild, genauer: unterm Vordach. Sogar einige Bläser des Festspieleorchesters sind gekommen, zu dieser Premiere namens „Wagner goes wild“.

Eine Veranstaltung nah an der Wortspielhölle: Ein „Wagneris“ sei die Veranstaltung, sagt Moderator Michael Jakob, wie gewohnt ausgefallen angezogen, diesmal in einem ganz und gar grünen Anzug, er deutet auf seinen Bauch und sagt, er habe Diät gehalten, um nicht als grüner Berg vorm Publikum zu stehen, sondern allenfalls als grüner Hügel. Jakob hat übrigens Erfahrungen mit solchen Themen-Slams, auch über die Bibel wurde schon geslammt.

Aggressive Pokemons

Zwei Runden, ein Sieger. So lautet das Programm. Runde eins: Nur Wagner und nochmals Wagner. Runde zwei: freie Auswahl. „Steven aus Nürnberg“, der spätere Sieger, beweist Kenntnis des „Parsifal“, gehört sich ja auch, wenn man denn schon einen Tag vor der Eröffnungspremiere mit dem „Parsifal“ zu Wagners Ehren slammen will. In seiner „Parsiflage“ ist die Hauptfigur allerdings ein kiffender Pokemon Go-Spieler und damit kein Grals-, sondern ein Grasritter. Im Wald hat er keinen Schwan, sondern ein aggressives Pokemon getötet. Ein Vergehen, für das vor den Graskönig zitiert wird. In wenigen Minuten fasst Steven die gesamte Erzählung zusammen: Klingsor ist Großdealer, der selbst zu viel vom Gras des Königs geraucht hat, weswegen es zum Streit kommt. Erst Parsifal widersteht im Zaubergarten dem Zaubergras und kann dem Graskönig Erlösung bringen – Lachstürme im Publikum, vor allem bei den Mitgliedern des Richard-Wagner-Verbands Ammersee, die den Slam mitorganisiert hatten.

Zotengrin

Ja, es hat was, sich mit Wagner auf diese Art und Weise zu beschäftigen. Martin Geier an der langersehnten Rache an einer alten Schul-Feindin. Der fränkische Poetry Slam Meister 2015, Flo Langbein ist, was die Souveränität der Sprache betrifft, der stärkste Teilnehmer. In seinem „Rheingold“ in drei Szenen präsentiert er Ideologiekritik auf hohem Niveau. Alberich, Wotan Fafner – alle sind sie dem Golde verfallen. „Die Luft wird erbeben, wenn Ordnung zu Chaos zerfällt“, lässt er seinen Wotan sprechen. Poesie im Rhythmus des Sprechgesanges. Ein etwas weniger steil erhobener Zeigefinger allerdings täte seiner Lyrik gut.

Der vierte im Bunde: Dietmar Wilgosch aus Kaufbeuren. Ein verfasstes „Lohengrin“-Gedicht von wenigstens der Länge von Schillers Glocke trägt er frei vor. Nicht ganz frei von billigen Zoten, aber doch hoch amüsant. Die Slammer und das Publikum genießen auch die Musik sichtlich. Wann wird ein Poetry Slam schon mit dem „Tannhäuser“–Vorspiel eingestimmt? Das Vordach sorgte dazu für eine erstaunlich plastische Akustik – der Veranstaltungsort, aus der Not geboren, entpuppt sich als wahrer Glücksfall. Aber schon die Akustik des Festspielhauses soll ja das Ergebnis mehrerer Zufälle gewesen sein.

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