Von der Grün: Mit Bayreuth nichts am Hut

Von
Max von der Grün, Friedensfest, 09.05.1988, 14.11.1997, Foto: Lammel Foto: red

Obwohl im Stadtteil St.Georgen geboren, hatte der Schriftsteller Max von der Grün nicht viel am Hut mit seiner Geburtsstadt Bayreuth. Wenn er sie doch besuchte - sei es auf der Fahrt zu seiner Mutter nach Schönwald oder wegen einer Einladung zu einer Lesung - blieb er nur die allernötigste Zeit. Am Mittwoch, 25. Mai, hätte der 2005 gestorbene Autor seinen 90. Geburtstag gefeiert.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

"Ich gestehe freimütig, dass ich immer durch Bayreuth wandere mit ein wenig Spott, Spott im Gesicht eines Mannes, der sich von seiner Geburtsstadt gelöst hat, und weitab in einem Industriezentrum wohnt... und der sich fragt: Möchtest du wieder hier wohnen und der auch sofort die Antwort weiß....“

Die Eindrücke, die der Schriftsteller Max von der Grün, der zur Riege der bedeutendsten deutschen Autoren gehört, von seiner Geburtsstadt ins Erwachsenenleben hinüber rettete, dürften gering gewesen sein. Zu kurz war die Zeit, die er als Kind in Bayreuth verbrachte. Trotzdem zog es ihn immer wieder aus seiner Heimat, dem Ruhrgebiet, nach Oberfranken. Genauer, nach Schönwald, wo er im Hause seiner Großeltern aufgewachsen ist. Am heutigen Mittwoch wäre der Autor 90 Jahre alt geworden.

Blick auf das Zuchthaus

Geboren wurde Max von der Grün im Stadtteil St. Georgen. „Vom Fenster unserer Wohnung sah man auf das Zuchthaus. Meine Mutter war 25 Jahre alt und Dienstmagd.“ In seinen Buch „Wie war das eigentlich? – Kindheit und Jugend im Dritten Reich“ erwähnt von der Grün Bayreuth nur in wenigen Zeilen. Weil seine Mutter ihre Arbeit beim Bauern nicht verlieren wollte, hat sie ihre Sohn recht bald in die Obhut ihrer Mutter in Schönwald gegeben. „Max Mutter musste viele Stunden, auch am Wochenende arbeiten. Deshalb hat sie Max schon als wenige Tage alten Säugling nach Schönwald gebracht“, sagt Werner Künzel. Der gebürtige Schönwalder, der zusammen mit seinem Schulkollegen Werner Volkmann eine Biografie des Schriftstellers geschrieben hat, kann sich diese Erinnerung von der Grüns nur damit erklären, dass er als Kind seine Mutter hin und wieder in Bayreuth besuchen durfte.

Romane sind aktueller denn je

„Nein, Bayreuth spielte im Leben von Max von der Grün keine große Rolle“, ist auch Rüdiger Scholz überzeugt. Der emeritierte Germanistikprofessor der Universität Freiburg hat 2015 das Standardwerk „Max von der Grün: Politischer Schriftsteller und Humanist“ veröffentlicht. „Von der Grün hat in den fünfziger Jahren die Arbeiterliteratur erneuert, ohne sich auf eine Seite zu schlagen“, sagt Scholz. Im Gegenteil: Weil er die Gewerkschaften kritisierte, wurde er ausgeschlossen. Weil er den Arbeitgebern, besonders den Kohlengrubenbetreibern, Ausbeutung und Missbrauch vorwarf, verlor er seine Arbeitsstelle. „Dabei sind seine Romane heute aktueller denn je“, sagt Scholz. „So hat er in einem seiner Werke die Überwachung der Arbeiter angeprangert. Das ist auch heute noch so, nur die Methoden sind moderner geworden.“

Nie wieder Musik

Wenn schon nicht an seiner Geburtsstadt – war der Intellektuelle von der Grün dann vielleicht an der Musik von Richard Wagner interessiert? „Nein“, sagt Scholz. „Er hat die Wagnermusik und besonders den Wagnerkult abgelehnt.“ Das liest sich bei von der Grün so: „Ein Ereignis, das mich für Jahrzehnte zum Opernverächter machte: Wir, ganze Schulklassen der Umgebung, wurden zur neuen germanischen Kultur nach Bayreuth gefahren. Die Generalprobe einer Oper stand auf dem Programm, ich weiß nicht mehr, welche es war. Da stand jedenfalls einer auf der Bühne, der wollte dauernd sterben und starb dann doch nicht. Das wurde mir zu viel, ich verließ den Zuschauerraum und beschloß, nie wieder Musik zu hören; damals konnte ich noch nicht Bach von Wagner unterscheiden (und konnte dann doch ohne Musik nicht leben). “

Auch wenn von der Grün bereits 1951 seine oberfränkische Heimat verließ und bis zu seinem Tod 2005 im Ruhrgebiet lebte – er blieb zumindest sprachlich immer Oberfranke, wie er in seinen Erinnerungen schreibt: „Noch heute leide ich an einem Merkmal meiner fränkischen Heimat, das wohl stärker ist als die beste Selbstdisziplin, denn obwohl ich nun über dreißig Jahre im Ruhrgebiet wohne, werde ich nach zwei Sätzen schon als nicht Heimischer erkannt, der Dialekt, der mit der Muttermilch eingesogen wurde, ist wohl zu stark, als dass man ihn ablegen könnte wie einen abgetragenen Rock.“

Auf dem Rückweg an Bayreuth vorbei

Und nun zur Antwort auf die Frage, ob von der Grün sich vorstellen könnte, in seiner Geburtsstadt, die immerhin 2008 ein Sträßchen nach ihm benannte, zu wohnen: „Nein! Und je länger er durch die Stadt wandert, desto zögernder, unsicherer wird sein Nein, und wenn er merkt, dass das Nein seltener wird, dann setzt er sich in sein Auto und fährt das Steinachtal hinauf über das Fichtelgebirge zur tschechischen Grenze und seiner alten Mutter, da bleibt er dann nur zwei Tage, weil ihn die Kleinstadt erschlägt, und auf dem Rückweg nach Dortmund meidet er Bayreuth, er fährt über Berneck und Kulmbach, er hat mit Bayreuth überhaupt nichts zu tun.“

Autor

Bilder