Der Dirigent und Komponist Pierre Boulez wird an diesem Donnerstag 90 Jahre alt Vom Revoluzzer zum Maestro

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Pierre Boulez im Jahr 2005 im Kurier-Interview in der Bayreuther Oberfrankenhalle. Foto: Archiv/Pölnitz-Eisfeld Foto: red

Es begann mit "Parsifal" und endete mit "Parsifal". Pierre Boulez hat das Bayreuther Festspielgeschehen wesentlich mitgeprägt. An diesem Donnerstag wird der Dirigent und Komponist 90 Jahre alt.

 
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Ein unauslöschlicher Eindruck: „Ich habe als Wirklichkeit einen Traum gesehen.“ Die Bühne, der Graben, der Zuschauerraum – alles übte auf den jungen Dirigenten eine enorme Faszinationskraft aus. „Das kam mir vor wie eine fantastische Skulptur.“ Knapp vierzig Jahre später erinnerte sich Pierre Boulez mit diesen Worten (in einem im Jahr 2005 im Verlag Ellwanger erschienenen Buch) an seine ersten Eindrücke vom Bayreuther Festspielhaus.

Boulez war gewissermaßen als Einspringer gekommen. 1964 war der legendäre Hans Knappertsbusch gestorben, einige Zeit später der Dirigent André Cluytens. Folglich sollte der Bayreuth-Debütant aus Frankreich 1966 „Parsifal“ dirigieren. Der Brisanz der Aufgabe war er sich bewusst: „Wenn es ein Erfolg wird oder sagen wir besser, wenn es klappt, wird man sagen, er hat die Situation gerettet, wenn es nicht klappt, wird man sagen, er hat versucht, die Situation zu retten.“ Dass Boulez im Folgenden, insbesondere an der Seite von Patrice Chéreau im sogenannten Jahrhundert-„Ring“, Festspielgeschichte schreiben sollte, ist hinlänglich bekannt ...

Auch wer das Geschehen auf dem Grünen Hügel in den 60er- und 70er-Jahren nicht selbst miterlebt hat, kann sich noch heute von der revolutionären Attitüde, mit der Boulez ans Werk ging, einen akustischen Eindruck verschaffen. Man vergleiche einfach die Aufnahmen des von vielen Bayreuth-Pilgern hoch verehrten Knappertsbusch mit dem Boulez-Mitschnitt des „Parsifal“. Während Knappertsbusch gewissermaßen das Weihrauchfass schwenkte, näherte sich Boulez dem Stück aus der ästhetischen Warte eines Claude Debussy, demnach Wagners letztes Bühnenwerk wie ein Kirchenfenster klingen müsse, durch das Licht ströme. Auf seine schnellen Tempi angesprochen sagte mir Boulez im Jahr 2005 in einem Gespräch in der Oberfrankenhalle: „Ich will Drama!“

Leicht und elegant

Nach jahrzehntelanger Abstinenz war Boulez 2004 und 2005 auf den Grünen Hügel zurückgekehrt. Was einst mit dem „Parsifal“ begonnen hatte, sollte auch mit dem „Parsifal“ abgeschlossen werden. In der medialen Wahrnehmung ging der Musiker damals freilich ein wenig unter. Alles drehte sich um Regisseur Christoph Schlingensief. Dass Boulez erneut einen äußerst transparenten, leicht und elegant klingenden „Parsifal“ dirigierte, geriet fast zur Randnotiz.

Indes: Das Dirigieren war stets nur ein Teil des künstlerischen Wirkens von Pierre Boulez. Seinen festen Platz in der Musikgeschichte hat er sich als Komponist gesichert. Auch wenn seine Werke im Musikleben der Kulturstadt Bayreuth nur selten zu hören sind – Boulez’ Kompositionen gehören zumindest in Musikmetropolen zum Repertoire. Er gilt als einer der Väter der seriellen Musik. Neben Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono zählt der in Baden-Baden lebende Komponist seit den 50er-Jahren zu den wichtigsten Repräsentanten der musikalischen Avantgarde. Einen gewissen Bekanntheitsgrad erfuhren seine 12 Notations für Klavier aus dem Jahr 1945, die er später auch für Orchester bearbeitete. Auch sein Werk „Le Marteau sans maitre“ fand Eingang in das Konzertrepertoire. Die gebührende Würdigung zum 90. Geburtstag am heutigen Donnerstag wird Pierre Boulez bei den Berliner Festtagen der Staatsoper unter den Linden im Schillertheater zuteil werden. Am Samstag, 28. März, um 12 Uhr ist im Gläsernen Foyer ein Podiumsgespräch mit Daniel Barenboim und weiteren Weggefährten geplant. Am Sonntag, 29. März, wird Barenboim in der Berliner Philharmonie Orchesterwerke von Pierre Boulez dirigieren.

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