Vielen Frauen droht Armut im Alter

Von Peter Rauscher
Nur Kleingeld: Die Zahl der armen Rentner steigt. Foto: dpa-Archiv/Karl-Josef Hildenbrand Foto: red

Auch in Zeiten der Hochkonjunktur nimmt die Gefahr von Altersarmut zu. Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung ist in Bayreuth Stadt und Land in zehn Jahren um gut 70 Prozent gestiegen. Besonders betroffen sind Frauen.

 
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Carola M. (Name geändert) hat 40 Jahre als Friseurin gearbeitet und ein Kind großgezogen. Für ihre Lebensleistung erhält die 70-Jährige nicht einmal 700 Euro Rente. Für das Geld hätte sie auch gar nicht arbeiten müssen und würde trotzdem Grundsicherung bekommen, sagte sie kürzlich zu Christian Hartmann, Kreisgeschäftsführer des Sozialverbandes VdK in Bayreuth. Mit ihrem Mann zog sie weg aus dem teuren München  ins Fichtelgebirge, weil sie sich in der Großstadt das Leben nicht leisten könne.

73 Prozent mehr Empfänger von Grundsicherung

Fälle wie diesen kennt der VdK viele. Die Armutsgrenze wird in Bayern für einen Ein-Personen-Haushalt mit 1039 Euro angegeben. Gut 1,7 Millionen Rentner im Freistaat bekommen aber weniger Rente.  Stadt und Landkreis Bayreuth registrieren einen Anstieg der Empfänger von Grundsicherung im Alter um 73 Prozent in den vergangenen zehn Jahren auf mehr als 1100 Personen. Besonders hoch ist das Armutsrisiko für Rentnerinnen. Fast jede vierte Frau in Bayern ist armutsgefährdet.  Warum, zeigt ein Blick auf die Rentenhöhe: In der Stadt Bayreuth erhielten Frauen im Jahr 2015 im Durchschnitt 650 Euro Nettorente, Männer brachten es dagegen auf gut 1000 Euro.  Im Landkreis Bayreuth ist der Unterschied sogar noch größer: 580 Euro für Frauen, 1033 Euro für Männer.

Männer-Renten viel höher

Nimmt man nicht nur die gesetzliche Rente, sondern zählt auch Betriebsrente und private Altersvorsorge dazu, ist der Unterschied zwischen Alterseinkommen von Männern und Frauen sogar noch größer.  Nach einer Auswertung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung verfügen Männer im Schnitt über ein doppelt so hohes Alterseinkommen als Frauen. Nirgendwo in Europa sei der Unterschied so groß, so die Studie.

Die Erklärung für die Geschlechterunterschiede ist die traditionelle Arbeitsteilung: Berufstätige Frauen nehmen häufiger Auszeiten für Kindererziehung und Pflege von Angehörigen, arbeiten öfter in Teilzeit und werden im Durchschnitt schlechter bezahlt. Das schlägt auf die Alterseinkünfte durch, trotz Babyjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die geschlechterspezifischen Unterschiede nähmen nur langsam ab, heißt es in der Studie.

Trennung kommt zu teuer

Viele Rentner kommen nur deshalb über die Runden, weil sie zu zweit mit zwei Einkommen im Haushalt leben, sagt Christian Hartmann. „Ich kenne Rentnerpaare, die sich trennen wollen, sich das finanziell aber nicht leisten können.“ Ein etwa 70-jähriger Mann aus dem Landkreis Bayreuth könne nach dem Tod einer im Haushalt lebenden Angehörigen seine Wohnung nicht mehr bezahlen, weil das Landratsamt als Sozialhilfeträger nur 80 Euro Heizung übernehme, er aber tatsächlich 240 Euro zahlen müsse, berichtet Hartmann. Dem Grundsicherungsempfänger bleibe wohl nur der Umzug.

Rente allein reicht nicht

Arm sind nicht nur Grundsicherungsempfänger. Viele Rentner liegen nur knapp über der Grundsicherung und schlagen sich durch, wird VdK-Chefin Ulrike Mascher in einer Mitteilung zitiert. Christian Hartmann sagt, heute gehe es nur noch alten Menschen gut, wenn sie zu ihrer Rente zusätzliches Einkommen haben:  „Meine Omas konnten im Alter noch Geld für ihre Enkel oder für Anschaffungen ansparen. Heute müssen immer mehr alte Leute ihr Vermögen aufzehren.“

Jeder Fünfte bei der Tafel ist Rentner

Dass die Altersarmut zunimmt, bekommt allmählich die Bayreuther Tafel zu spüren. Rund 20 Prozent der 1200 Tafelkunden aus Stadt und Landkreis Bayreuth sind Rentner, sagt Tafel-Vorsitzende Ingrid Heinritzi-Martin. Vor vier Jahren lag der Anteil noch bei 17 Prozent. Bundesweit hat sich die Zahl der Rentner, die sich bei den Tafeln ihr Essen holt, in zehn Jahren sogar verdoppelt. „Die Dunkelziffer ist hoch, ich kenne Frauen, die kommen könnten, es  aber aus Scham oder Stolz nicht tun“, sagt Heinritzi-Martin. Auch die Tafelvorsitzende merkt: Der Anteil von Frauen ist hoch, auch viele Alleinerziehende kommen.  

Scham und Sparsamkeit

Gut 100 Rentner aus der Region Bayreuth und Kulmbach kommen im  Jahr zur Schuldnerberatung der Caritas in Bayreuth, weil sie nicht mehr weiterwissen. „Das ist nicht viel, 90 Prozent unserer Klienten sind jünger“, sagte Einrichtungsleiterin Veronica Specht. Dass der Anteil der Alten so niedrig ist, hat nach ihrer Einschätzung zwei Gründe: Viele alte Menschen schämten sich, wenn sie überschuldet seien. Außerdem sei die jetzige Rentnergeneration noch sparsam, „da wird nur das ausgegeben, was man gespart hat“, sagt Specht. Das werde sich in den nächsten Jahren ändern, „das schlägt zeitversetzt bei uns auf“, weil die Jüngeren weniger Hemmungen hätten sich zu verschulden als die älteren, glaubt sie.

Wohin, wenn das Haus weg ist?

Dass vor allem Frauen, die nur von einer kleinen Witwenrente leben oder vor allem Teilzeit gearbeitet haben,  von Altersarmut betroffen sind, hat Veronica Specht mehrfach erlebt. Sie nennt das Beispiel einer 72-Jährigen, die mit ihrem Enkel in die Beratung kam, weil sie von ihrer kleinen Rente die selbst genutzte Immobilie nicht mehr erhalten kann. Das Haus muss verkauft werden - und noch nicht sicher, ob das Geld zur Begleichung der Schulden ausreichen wird. Nun weiß die alte Frau nicht, wo sie künftig wohnen soll. Wenn sie nicht in die Privatinsolvenz gehen will, wird sie ihre Schulden weitervererben.

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