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Ein Stolperstart in den Beruf muss kein Beinbruch sein – Handwerkskammer hilft Viele Azubis scheitern in Probezeit

Von und
Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Auszubildenden im Handwerk haben ihre ersten Wochen hinter sich. Nicht wenige Berufsanfänger fragen sich, ob sie die richtige Wahl getroffen haben. Auch aus Sicht der Handwerksmeister hat nicht jeder den richtigen Ausbildungsplatz. Probleme sind unausweichlich. Aber auch eine ehrenamtliche Initiative bietet Hilfe.

 
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In ihre Ausbildung zur Friseurin hatte Christina Deinlein große Erwartungen gesetzt. Am ersten Tag zog sie stolz morgens los, erinnert sich ihre Mutter. Für Christina Deinlein war das ein neuer Lebensabschnitt. Doch wenige Tage später hieß es im Betrieb, sie brauche nicht mehr zu kommen. Schluss, Ende und Aus. Auch Tage später ist das Mädchen am Boden zerstört. Sie macht sich bittere Vorwürfe. Dass ihr der Einstieg in die Berufswelt nicht geglückt ist, macht der 17-Jährigen schwer zu schaffen.

Dabei sah alles zunächst ganz gut aus. Der Ausbildungsplatz in der Filiale einer Friseurkette hatte sich recht kurzfristig ergeben.

Ein missglückter Start kommt öfter vor

Christinas Mutter hatte den Ausbildungsvertrag mit dem Salonleiter nach zwei Gesprächen per Handschlag besiegelt. Bei der Arbeit habe sich Christina gut angestellt, glaubte sie. Doch der Chef sah das anders. Auf Kurier-Anfrage beruft er sich auf die Probezeit. Da könne ohne Angaben von Gründen gekündigt werden.

Dass jungen Leuten der Start ins Berufsleben missglückt, kommt öfter vor. „Im vergangenen Jahr wurden rund 15 Prozent der Ausbildungsverhältnisse vorzeitig beendet, davon fast ein Drittel schon während der Probezeit“, teilt Kerstin Spieler, Pressesprecherin der oberfränkischen Handwerkskammer, auf Anfrage mit.

"Drum prüfe, wer sich ewig bindet"

Die Probezeit sei übrigens genau dafür da. Sie biete sowohl den Auszubildenden wie auch den Betrieben ein Stück Sicherheit. Schließlich gelte auch dort „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“.

Sollte es in der Lehre nicht klappen, sei das noch lange kein Desaster, sagt Frank Grökel, Ausbildungsberater bei der Kammer. „Der Schritt in die Ausbildung ist groß“, aber die Mädchen und Jungen seien zum Teil sehr jung, wenn sie sich entscheiden. „Und da ist es völlig normal, dass nicht jede Wahl zu 100 Prozent passt und einfach einmal Schwierigkeiten auftreten“, so Grökel.

Berater bieten Konfliktlösungen

Dann kommt die Handwerkskammer mit ihren Beratern ins Spiel. Sie führen pro Jahr rund 600 Beratungsgespräche, bei denen es um Konflikte in der Lehre geht. „Im vergangenen Jahr waren darunter 30 persönliche Beratungen“, berichtet Grökel. Dabei säßen Auszubildende und Ausbilder an einem Tisch, um die Konflikte zu lösen. Wie Grökel weiter schildert, könnten mehr als zwei Drittel der Ausbildungen danach fortgeführt werden.

Und sollte sich tatsächlich einmal herausstellen, dass Auszubildender und Betrieb nicht zusammenpassen, helfen die Ausbildungsberater weiter. „Wir unterstützen beide Seiten bei der Suche nach einer Alternative“, so Grökel.

Zum Ausbildungsstart am 1. September registrierte die Handwerkskammer übrigens 1822 neue Lehrverhältnisse. Das entspricht einem Plus von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Christina Deinlein drückt nach ihrem Ausflug in die Arbeitswelt wieder die Schulbank.

Wie Senior-Experten der Initiative Vera Jugendlichen helfen, ihre Ausbildung erfolgreich zu beenden

Auch wenn es sich nicht selten um einen Wechsel handelt, sind die Zahlen alarmierend: Im Schnitt wird jede fünfte Ausbildung vorzeitig abgebrochen, in manchen Berufen sind es noch deutlich mehr. Für die Betriebe, die sowieso schon zunehmend Schwierigkeiten haben Nachwuchs zu finden, ein echtes Problem.

Ein Problem, dem die Initiative Vera (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen) entgegentritt. Sie vermittelt betroffenen Jugendlichen erfahrene Ausbildungsbegleiter, mit deren Hilfe sie ihre Lehre doch durchziehen. Der Service ist kostenlos, weil die Berater ehrenamtlich arbeiten.

„Kostenlos, aber nicht umsonst“, sagt der Bayreuther Udo Raps, der sich für das vom Bundesbildungsministerium und den Kammern unterstützte Projekt Vera als Regionalkoordinator für Oberfranken engagiert. Denn bundesweit hat die unter dem Dach des bekannten Senior Experten Service (SES) angesiedelte Aktion seit ihrer Gründung 2008 mehr als 12.000 Anfragen erhalten und 8000 Auszubildenden einen Begleiter zur Seite gestellt – mit nach eigenen Angaben 80-prozentiger Erfolgsquote. In der Region gab es laut Raps seit 2011 exakt 38 Begleitungen bis zu erfolgreichen Abschlussprüfung, fünf laufen aktuell.

Hohe Hemmschwelle bei Jugendlichen

Aber wie läuft die Sache nun konkret? „Meist kommt der Hilferuf nicht von den Jugendlichen selbst, da ist die Hemmschwelle zu hoch“, sagt Raps. Stattdessen melden sich Lehrer, Betriebe oder Eltern und nicht selten auch die Großeltern und berichten von Problemen – soziale, schulische, fachliche. „Allerdings“, betont Raps, „die Entscheidung, einen Antrag auf einen Ausbildungsbegleiter von Vera zu stellen, muss von den Jugendlichen selber kommen. Zwingen kann man niemanden.“

Ist dieser Schritt getan, sucht Raps in Zusammenarbeit mit der Zentrale einen möglichst passgenauen Senior-Experten aus, der sich dann mit dem Jugendlichen zu einem ersten Beschnuppern trifft. Stimmt die Chemie, wird ein Vertrag geschlossen, und die beiden treffen sich fortan mindestens einmal die Woche für zwei bis drei Stunden. Zeit, in der klassische Nachhilfe gegeben, aber auch mal einfach geredet werden kann, sagt Raps: „Es kommt darauf an, dass ein Vertrauensverhältnis entsteht. Nicht selten werden unsere Leute sogar zu einer Art Elternersatz.“

Service kann während der ganzen Zeit helfen

Weshalb die Experten die Jugendlichen oft auch bei Behördenterminen oder Gesprächen mit Schule und Arbeitgeber unterstützen. Der Service ist auf ein Jahr angelegt, kann aber auf die gesamte Ausbildungszeit ausgedehnt werden.

Auf rund 90 SES-Experten, also erfahrene Fachleute im Ruhestand, kann Raps für Vera mittlerweile zurückgreifen. Sie dürften künftig noch öfter gebraucht werden, denn Ministerium und Kammern wollen den Service auch auf die Betreuung von Flüchtlingen ausweiten. Denn nicht wenige Betriebe sehen in jungen Zuwanderern mittlerweile ein wichtiges Reservoir für ihren Nachwuchs.

INFO: Vera-Regionalkoordinator Udo Raps ist per Mail unter oberfranken@vera.ses-bonn.de zu erreichen, oder per Telefon unter den Nummern 0921/65475 und 0151/51186381. Informationen gibt es auch auf der Webseite der Initiative.

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