Versuchte Tötung oder Lügengeschichte?

Von Moritz Kircher
Symbolfoto: Daniel Karmann/dpa Foto: red

Es muss ein Familiendrama gewesen sein, wie man es sonst nur aus Filmen kennt. Doch was passiert ist, ist bitterer ernst. Hat eine Frau aus dem Landkreis Bayreuth versucht, ihre Schwiegermutter umzubringen - heimtückisch und möglicherweise sogar aus Geldgier? Oder heckt die Schwiegermutter mit ihrer Familie eine fiese Intrige gegen die Schwiegertochter aus? Das muss nun das Landgericht Bayreuth klären.

 
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Die 58 Jahre alte Angeklagte sitzt aufrecht auf der Anklagebank und hört den Ausführungen des Staatsanwaltes zu. Er hält ihr vor, sie habe ihre 89-jährige Schwiegermutter von hinten gepackt und sie zu Boden geworfen. Dann habe sie der alten Frau ein Kissen aufs Gesicht gedrückt und mehrmals geschrien: "Stirb endlich!" Nur weil der Staatsanwalt davon ausgeht, dass die Angeklagte irgendwann freiwillig von der alten Frau abgelassen hat, klagt er sie lediglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung an.

"Sie saß auf meinem Bauch und hat mir das Kissen ins Gesicht gedrückt."

Doch das Verfahren, das da am Dienstag am Amtsgericht Bayreuth stattgefunden hat, nimmt eine unvorhergesehene Wendung. Plötzlich steht versuchter Totschlag im Raum. Sogar versuchten Mord halten Staatsanwalt und Nebenklage für möglich. Das Verfahren wird abgebrochen. Für solch schwere Anschuldigungen ist das Landgericht zuständig, verkündet Richter Torsten Meyer nach viertelstündiger Beratung mit seinen Schöffen.

Zu dieser Wendung kommt es, nachdem die 89-jährige Schwiegermutter ihre Aussage gemacht hat. Sie tritt vor Gericht als Nebenklägerin auf. War der Vorfall mit dem Kissen so, wie es der Staatsanwalt schildert? "Das ist haargenau wahr", sagt sie mit dünner Stimme. "Sie saß auf meinem Bauch und hat mir das Kissen ins Gesicht gedrückt." Der Staatsanwalt will wissen wie lange. "Ein paar Minuten waren das schon", sagt die alte Frau und pausiert.

Sogar Heimtücke und Geldgier stehen als Vorwurf im Raum

Dann schildert sie einen mutmaßlichen Überlebenskampf. Immer wieder habe sie unter dem Kissen ihren Kopf nach links und rechts gedreht, um Luft zu bekommen. "Ich wollte schon einmal aufgeben", sagt sie. "Aber im letzten Moment habe ich meine ganze Kraft zusammen genommen." Sie habe sich gewehrt, sie habe ihrer Schwiegertochter unter dem Kissen zugerufen: "Denk' an deine Kinder. Du wirst eingesperrt." Die Angreiferin habe erst von ihr abgelassen, als sie merkte, dass sie mit dem Versuch keinen Erfolg habe.

Für den Staatsanwalt ist das mindestens versuchter Totschlag. Er stellt den Antrag, das Verfahren ans Landgericht abzugeben. Die Nebenklageanwältin schließt sich an. Weil der Angriff hinterrücks erfolgt sein soll, folgert sie Heimtücke. Auch Habgier als weiteres Mordmerkmal schließt sie nicht aus. Denn kurz zuvor soll die Schwiegermutter ein Testament zugunsten ihrer Schwiegertochter aufgesetzt haben.

"In dieser Familie ging es doch immer nur ums Geld."

Die Schwiegertochter erzählt eine ganz andere Version von der Geschichte. Der Vorfall mit dem Kissen sei nie passiert. Vor drei Jahren ist ihr Mann unerwartet gestorben. Seitdem habe sie mit der Schwiegermutter alleine auf dem Grundstück gelebt, auf dem zwei Häuser stehen. Sie habe sich um die alte Dame gekümmert, berichtet sie. Habe ihr in allen Alltagsdingen geholfen.

Wie kann es dann zu so schwerwiegenden Anschuldigungen kommen? Das wollen Richter und Staatsanwalt von ihr wissen. Die Angeklagte vermutet, dass die Familie der Schwiegermutter dahinter steckt, die die alte Dame aufgestachelt habe. "In dieser Familie ging es doch immer nur ums Geld", sagt sie. Ausführlich schildert sie diverse Erbstreitigkeiten, die es gegeben haben soll.

Schwiegermutter und Schwiegertochter leben mittlerweile nicht mehr in unmittelbarer Nachbarschaft. Die 89-Jährige ist einige Monate nach dem von ihr geschilderten Zwischenfall in ein Seniorenheim gezogen. Beide werden sich noch einmal wiedersehen - wenn die Sache vor dem Landgericht ein zweites Mal verhandelt wird.

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