Versorgung mit Ärzten in Gefahr

Von Peter Rauscher

Allen Bemühungen zum Trotz: Die ausreichende Versorgung der Region mit niedergelassenen Ärzten ist in Gefahr. „Die Rahmenbedingungen machen es uns immer schwerer, unseren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen“, sagte Dr. Wolfgang Krombholz, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB), am Montag vor der Presse in Bayreuth.

 
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Dabei sieht die Versorgung mit Kassenärzten in und um Bayreuth derzeit noch gut aus – zumindest den amtlichen Zahlen zufolge. So weist die Region Bayreuth (Stadt plus Bindlach und Heinersreuth) zum Beispiel bei Hausärzten einen Versorgungsgrad von 127 Prozent auf. In der Kreisregion Bayreuth, also Stadt und Landkreis zusammen, liegt der Versorgungsgrad bei Frauenärzten bei 152 Prozent, bei Hautärzten bei 135 Prozent, bei Orthopäden sogar bei 194 Prozent und bei Psychotherapeuten immerhin noch bei 113 Prozent.

Bei der KVB schrillen trotzdem seit längerem die Alarmglocken. Bei der Versorgungskonferenz in Bayreuth warnte Krombholz vor rund 160 Medizinern, Kommunalpolitikern und Kassenvertretern vor drohendem Medizinermangel, weil sowohl die Bevölkerung als auch die Ärzte immer älter würden. Bereits vor 15 Jahren habe die KVB vor der Situation gewarnt, die sich jetzt abzeichne. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) nannte die Zahlen: Zwei Planungsbezirke in Bayern seien bereits ärztlich unterversorgt, in 17 weiteren drohe die Unterversorgung.

Lage bei den Hausärzten

Nur auf den ersten Blick sehe die Lage in Oberfranken und der nördlichen Oberpfalz zufriedenstellend bis ausreichend aus, sagte Krombholz. Bei Hausärzten gebe es Engpässe in den Planungsbereichen Hirschaid und Tirschenreuth sowie in Speichersdorf. „Eine große Versorgungslücke ist insbesondere in den nächsten Jahren zu erwarten, wenn viele unserer Mitglieder in den Ruhestand gehen“, sagte er. Gut ein Drittel der Hausärzte in Bayern sei älter als 60 Jahre. 450 Hausarztpraxen seien im vergangenen Jahr geschlossen worden, 120 davon hätten trotz intensiver Suche nach einem Nachfolger nicht wieder besetzt werden können. „Das summiert sich über die Jahre.“

Hausärzte würden aber nicht nur in unterversorgten Gebieten gebraucht, sondern auch in solchen, die offiziell noch als regelversorgt gelten, sagte der KVB-Chef. So seien derzeit im Planungsbereich Wunsiedel/Marktredwitz sieben Hausarztsitze unbesetzt, in Coburg fünf. Krombholz: „Nur wenn es uns gelingt, wieder mehr junge Kollegen für die hausärztliche Tätigkeit zu begeistern, können wir die Patientenversorgung in der jetzigen Form aufrechterhalten.“

Lage bei den Fachärzten

Mit kleiner zeitlicher Verzögerung drohe die Versorgungslücke auch bei Fachärzten, sagte Dr. Pedro Schmelz, stellvertretener KVB-Vorstandsvorsitzender. Engpässe gibt es in Oberfranken den offiziellen Zahlen zufolge bei Augenärzten (Kronach) und Hals–Nasen-Ohrenärzten (Lichtenfels, Wunsiedel). Auch knapp 30 Prozent der Fachärzte seien älter als 60 Jahre. Eine drohende Unterversorgung gibt es in der Planungsregion Oberfranken Ost außerdem bei der Versorgung mit Kinder- und Jugendpsychiatern, sagte Dr. Claudia Ritter-Rupp, Zweite stellvertretende KVB-Vorstandsvorsitzende. Schmelz kritisierte, dass die gesetzlich vorgegebene Bedarfsplanung nicht die Versorgungsrealität abbilde. Im Klartext: Dass die Versorgung mit Fachärzten in Wahrheit deutlich schlechter ist als die offiziellen Zahlen widerspiegeln. Mitte April würden aber im Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen neue Gutachten über die Bedarfsplanung vorgelegt. „Ich hoffe, dass es danach neue Zulassungsmöglichkeiten für Fachärzte geben wird“, sagte Schmelz.

Maßnahmen gegen Ärztemangel

Um niedergelassene Ärzte außerhalb der Ballungszentren zu gewinnen, laufen mehrere Programme. So förderte das Gesundheitsministerium bislang 394 Ärzteniederlassungen in Bayern, davon 46 in Oberfranken, und davon wiederum 38 Hausärzte, sagte Huml. 117 Studierende erhalten derzeit ein Stipendium, wenn sie sich für ein paar Jahre dazu verpflichten, auf dem Land zu praktizieren. In Selb und Waldsassen sei eine drohende Unterversorgung bei Hausärzten abgewendet worden, sagte Krombholz.

Die KVB habe in Verträgen mit Krankenkassen erreicht, dass die gefürchteten Regressforderungen gegen Ärzte, die ihr Budget überschreiten, bei Arzneimitteln verhindert und bei Hilfsmitteln abgemildert wurden, sagte Krombholz. Zur Entlastung von Hausärzten seien außerdem mittlerweile bayernweit fast 80 Bereitschaftspraxen für Wochenenden und die Abendstunden eingerichtet worden, darunter auch im Raum Bayreuth/Kulmbach. in Bayreuth strebe die KVB weiter an, diese Bereitschaftspraxis, derzeit im früheren Dok-Haus, am Klinikum anzusiedeln.

Auch die KVB zahlt Förderungen aus Mitteln eines Strukturfonds. Für Neuniederlassungen, Anstellung eines Arztes, Fortführung einer Praxis über das 63. Lebensjahr hinaus und die Gründung von Zweigpraxen bewilligte sie seit 2014 bayernweit insgesamt 6,1 Millionen Euro. Zudem gibt es Zuschüsse für Weiterbildungen und Praxissemester auf dem Land.

Wünsche an die Politik

Ein „massives Hindernis“ (Schmelz) für die Gewinnung von mehr Fachärzten können aber weder die KVB noch Huml beseitigen: Der von Staats wegen verordnete Kostendeckel für ärztliche Leistungen. „Über Facharztgruppen hinweg bekommen meine Kollegen im Schnitt nur 84 Prozent ihrer Leistungen vergütet.“ Schmelz räumte ein, dass bei einer Beseitigung von Budgets mehr Geld in die Ärztetaschen fließen würde. Woher das Geld kommen soll? Schmelz plädiert für eine Umverteilung zu Lasten der Krankenhäuser. „Die Fachärzte haben ja auch ihr Leistungsspektrum deutlich ausgebaut“. Krombholz sieht noch eine weitere Geldquelle: „Die Krankenkassen horten derzeit knapp 20 Milliarden Euro Überschuss. Sie sind zu Sparkassen geworden.“

Und auch für die versammelten Kommunalpolitiker hatte der KVB-Chef eine Botschaft: „Wir bitten Sie, Ihre Region attraktiv zu gestalten, was zum Beispiel schnelles Internet und Kinderbetreuung angeht. Damit junge Ärzte auch zu Ihnen kommen wollen.“

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