Verordnete Dämmwut

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Die Dämmung frisst an vielen Häusern die Kunst. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Es wäre ein Jammer, wenn sie verschwinden würde. Die riesengroße Giraffe an dem sonst so schmucklosen wie zweckmäßigen Haus in der Dr.-Würzburger-Straße. Genauso wie die Sonnenuhr am Nachbarhaus. Oder die Pinguine und Schmetterlinge, die – riesengroß – die Fassade hochflattern. Kunst am Bau aus einer Zeit, in der man die Kunst sogar vorgeschrieben hat, um Zweckbauten einen Hauch von Charme zu geben.

 
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Jetzt sind es neue Vorschriften, die dafür sorgen, dass die Kunst in Gefahr ist. Und nicht nur die Kunst. Das Gesicht der Städte, der Charme unterschiedlicher Baustile, das Wesen mehrerer Baumaterialien, die typisch sind für eine Region, die stilbildend sind, verschwinden hinter stereotypem Styropor. Hinter Dämmplatten, die halb so dick sind wie vernünftiges Mauerwerk. Nicht zwingend deshalb, weil der Bauherr, oft genug sind es die gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen, die ihre Mehrfamilienblöcke im Zuge einer Sanierung gleich fett einpacken, das so will. Es sind die Vorgaben der Energieeinsparverordnung. Und die Förderrichtlinien, die gleich die ganz dicke Packung Dämmung vorschreiben, sonst gibt es keine Förderung. Dämmung um der Dämmung willen. Jeder Zentimeter über das sinnvolle Maß von acht bis zehn Zentimetern hinaus sei „einer für die Dämmlobby“, sagt einer, der seit Jahrzehnten im Geschäft ist. Die Folge ist nicht nur, dass zeitgenössische Kunst unter der Dämmung verschwindet, weil der Denkmalschutz an dieser Stelle mit stumpfen Klingen kämpft. Die Folge ist, dass in Häuser mit natürlichem Luftaustausch die Zwangsbelüftung einzieht. Elektrisch betriebene Lüftungssysteme, die aufwendig gewartet werden müssen, damit nicht statt frischer Luft Keime in die Wohnung wabern, ersetzen das gekippte Fenster.

Es geht um mehr als die Kunst, die von Fassaden verschwindet. Dass die Individualität der drögen Langeweile der Einheitsdämmung zum Opfer fällt. Da hilft auch keine poppige Farbe an der Fassade mehr. Jedes Haus atmet anders, braucht – wenn überhaupt – einen individuellen Wärmeschutz an der Fassade, keinen Dämmwahn aus der Förder-Zwangsjacke.

Das ist am Schluss die Kunst, die auch den Charakter einer Stadt erhalten hilft.

eric.waha@nordbayerischer-kurier.de

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