Deutsche Spitzen-Atheltin muss ihre Saison vorzeitig beenden Verletzung stoppt Anne Haug

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Konzentriert, aber mit geringer Intensität: In der Praxis von Tobias Herrmannsdörfer arbeitet die Bayreuther Triathletin Anne Haug an ihrem Comeback. Foto: Harbach Foto: red

Olympia in Rio de Janeiro – für dieses Ziel lebt Anne Haug. Am 5. August 2016 startet das Großereignis, es ist also noch zwei Jahre entfernt. Eine lange Zeit, doch der Kampf um Rio hat im Triathlon schon begonnen und gerade jetzt schlägt sich Deutschlands beste Triathletin mit der hartnäckigsten Verletzung ihrer Profikarriere herum.

 
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Anne Haug kann nicht still sitzen. Sie muss sich bewegen. Sie verspürt den Drang zu trainieren. Jeden Tag, sechs Stunden Minimum. Das ist sie seit Jahren gewohnt, das Training bestimmt ihren Tagesablauf. „Rio rennt“, sagt die Bayreutherin. „Solange ist es nicht mehr bis Olympia, und ich will jeden Tag nutzen, um 2016 in Topform zu sein.“

Sie blickt auf ihre Krücken. „Aber aktuell werde ich ja gebremst.“ Ein Knochenödem im Oberschenkelhals stoppt den Tatendrang der Weltklasse-Triatheltin. Sie muss ihr rechtes Bein schonen. An Laufeinheiten oder Radfahren ist nicht zu denken. Nur Schwimmen kann sie, allerdings ohne Beineinsatz. Mit der laufenden Saison hat die 31-Jährige abgeschlossen, am Ende des Jahres will sie vielleicht noch ein oder zwei Wettkämpfe bestreiten – wenn es der Heilungsverlauf zulässt.

Länge der Pause unklar

„Viel hängt von den nächsten zwei Monaten ab“, sagt Tobias Herrmannsdörfer. Der Physiotherapeut aus Bayreuth arbeitet seit eineinhalb Jahren mit Haug. Aktuell liegt das Hauptaugenmerk auf einer Mischung aus Physio- und Trainingstherapie. So kann Haug beispielsweise den Oberkörper trainieren, nur eine Belastung des rechten Oberschenkels wird ausgespart. „Mit dieser Art der Verletzung ist nicht zu spaßen, sie muss richtig ausheilen, eine zu frühe Belastung wäre das Schlechteste überhaupt“, sagt Herrmannsdörfer und weiß dabei, wie hart seiner Patientin die Zwangspause fällt.

Hassliebe zu London

Dabei hatte die Saison für Haug sehr gut begonnen. Sie wollte dieses Jahr nutzen, um ihre Schwachstelle, das Schwimmen, zu verbessern. Platzierungen sollten zweitrangig sein. Und trotzdem lief sie beim WM-Rennen in Auckland (Neuseeland) als Zweite auf das Podest und auch den WM-Triathlon in Cape Town (Südafrika) beendete sie als Sechste im Vorderfeld. Doch dann machte die Weltmeisterschaftsserie Ende Mai in London Station. London, die Stadt mit der Haug mittlerweile eine Hassliebe verbindet. „Ich habe London als Triathlon-Stadt noch nicht ganz aus meinem Kopf verbannt, gebe ihr noch eine Chance, aber meine Lieblingsstrecke wird es sicher nicht mehr“, sagt Haug.

Schon bei Olympia 2012 sah sie die Strecke skeptisch, die wenig selektive Radstrecke war der starken Radfahrerin nicht gerade auf dem Leib geschneidert. Doch mit Platz elf als beste Deutsche war sie sehr zufrieden. Das gilt aber nicht für das Rennen im darauffolgenden Jahr, im Weltmeisterschaftsfinale machte sie sich berechtige Hoffnungen auf den Titel – und beendete den Triathlon in der englischen Hauptstadt nach völlig verkorkstem Schwimmen und mit Tränen in den Augen als 35. Der Traum vom WM-Gold war geplatzt, Bronze ein schwacher Trost. Und dieses Jahr? Platz 49 nach einem unverschuldeten Sturz mit dem Rad. Und genau dieses Missgeschick war der Anfang vom Saisonende Haugs.

„Seitdem habe ich Schmerzen. Vor allem beim Laufen.“ Jedoch spürte Haug bei den anderen Teildisziplinen keine Einschränkungen, trainierte im schmerzfreien Bereich weiter. Erst vor zwei Wochen wurde das Ödem diagnostiziert. „Das war ein harter Rückschlag. Klar ist man da frustriert“, schätzt Haug ihre Situation ein. „Vor allem für den Kopf ist es schwierig.“

Konkurrenz trumpft auf

Von 100 Prozent Training auf fast 0, keine Wettkämpfe. Und die Konkurrenz setzt derweil neue Maßstäbe. Gerade die Amerikanerin Gwen Jorgensen läuft derzeit die gesamte Weltelite in Grund und Boden. „Man kann also als Frau die zehn Kilometer unter 33 Minuten laufen“, zeigt sich Haug beeindruckt und weiß nicht, ob sie selbst in Topform der aktuellen Überläuferin Paroli bieten könnte. Doch dann kommt Haugs Ehrgeiz, ihr Optimismus zurück – die Eigenschaften, die sie in die Weltspitze führten: „Wenn diese Zeit möglich ist, dann ist das mein Ziel.“

Haug überlegt bereits, wie sie den Trainingsrückstand wieder aufholen kann. In ihrer Lieblingsdisziplin Laufen sieht sie das geringste Problem. Hier hat sie Talent. Wenn die körperliche Fitness stimme, komme auch das Laufgefühl zurück. Und das Problemkind Schwimmen? Auch hier ist sie optimistisch. Vor der Verletzung hat sie teilweise 50 Trainingskilometer in der Woche absolviert und eine „deutliche Verbesserung“ gespürt. „Außerdem ist das Schwimmen, das Erste, was ich wieder in Angriff nehmen kann.“ In Absprache mit ihren Trainern wird sie ihren Olympia-Fahrplan nun modifizieren, aber Zeit bleibe noch genug.

Olympia nicht gefährdet

Das bestätigt Herrmannsdörfer: Wenn das Ödem voll ausgeheilt sei, werde Haug keine bleibenden Probleme haben. „Anne ist eine Kämpferin und Arbeiterin, sie wird in die Weltspitze zurückfinden. Sie darf jetzt nur nicht zu früh zu viel wollen.“

Haug schmunzelt: „Wenn schon Zwangspause, dann besser jetzt als nächstes Jahr. Mein Olympia-Projekt sehe ich nicht gefährdet.“ Die Spiele in Rio seien die Motivation, dafür quäle sie sich täglich. Und nimmt sich Haug ein Ziel vor, dann erreicht sie es auch – das zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere. „Ich war nie eine gute Schwimmerin, aber ich wollte Profi-Triatheltin werden – und bin es geworden“, sagt die willensstarke 31-Jährige. „Und jetzt mache ich eben eine schwierige Phase durch, aber ich werde gestärkt aus dieser Situation herauskommen.“

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