Laut Studie gehen Verurteilungen in Vergewaltigungsfällen zurück – In Bayreuth Freispruchquote „eher gering“ Vergewaltigung: Frauen in der Beweisnot

Von Amelie Wollny
Laut einer Studie wird es immer unwahrscheinlicher, dass Täter für eine Vergewaltigung verurteilt werden. Foto: dpa Foto: red

Eine Vergewaltigung anzuzeigen kostet sowieso schon Überwindung. Jetzt heißt es in einer Studie auch noch: Die Chancen, dass ein Täter verurteilt wird, sinken. Für Bayreuth ergibt sich nach Recherchen unserer Zeitung aber ein anderes Bild.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

In den vergangenen 20 Jahren ist einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover zufolge der Anteil der Vergewaltigungsanzeigen, die mit einer Bestrafung der Täter endeten, stark gesunken. „Vom Gefühl her“, sagt der Bayreuther Oberstaatsanwalt Herbert Potzel auf Anfrage, „glaube ich aber nicht, dass das bei uns so ist. Die Freispruchqoute ist eher sehr gering.“ Dem stimmt auch Doris Benker-Roth, Bayreuther Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Opferrecht, zu. Sie ist seit mehr als 25 Jahren im Opferschutz tätig: „In dieser Zeit habe ich nur Verurteilungen erwirkt – bis auf zwei Fälle.“ Einmal gab es einen Freispruch, einmal wurde das Verfahren eingestellt. Auf zivilrechtlicher Ebene konnte sie in diesen Fällen Schmerzensgeld erwirken.

Bundesweit sind die Verurteilungen aber zurückgegangen. Dies liegt nach Einschätzung der Forscher auch daran, dass Vergewaltigungen im sozialen Nahbereich häufiger angezeigt werden, aber schwerer nachweisbar sind. Als einen Erklärungsansatz nannte das von dem Kriminologen Christian Pfeiffer geleitete Institut auch das veränderte Anzeigeverhalten: Erst seit 1998 sind auch Vergewaltigungen in der Ehe strafbar, seitdem habe sich die Anzeigebereitschaft von Frauen in solchen Fällen „stark“ erhöht. „Die Hemmschwelle, zur Polizei zu gehen“, sagt Carmen Benker, Beauftragte der Polizei für Frauen und Kinder in Oberfranken, „ist Gottseidank viel geringer als früher.“ Laut Studie seien Taten im „sozialen Nahraum“ aber viel schwieriger zu belegen. „Daraus ergibt sich ein Beweisproblem“, erklärten die Autoren, dem stimmt Anwältin Benker-Roth zu. Sie schätzt, dass 90 Prozent der sexuellen Übergriffe im Nahbereich geschehen. Polizeibeamtin Benker merkt an, dass Hämatome und Würgemale als Beweise gelten. „Die Frauen kommen ja nicht nach der ersten Demütigung, sondern nach jahrelangem Missbrauch.“ Ärztliche Attests und Aussagen von Nachbarn würden bei einem Verfahren eine wichtige Rolle spielen – auch, wenn die beschuldigten Männer angeben, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich gewesen.

Das Institut machte keine Angaben, wie sich die absoluten Zahlen der angezeigten Vergewaltigungen in den vergangenen 20 Jahren entwickelten. Es stellte aber in seiner Analyse von Daten der Bundesländer fest, dass fremde Tatverdächtige mittlerweile einen geringeren Anteil der aufgeklärten Fälle ausmachen als früher. Der Anteil der „verwandten Tatverdächtigen“ stieg dagegen an. Dass eine Frau von einem Fremden, der aus dem Gebüsch springt, vergewaltigt wird, passiere sehr selten, sagt Carmen Benker. Bei der Überführung von Tätern kommt es nach Einschätzung des Instituts stark darauf an, wie die Polizei die Vernehmungen der Frauen dokumentiert. Sei das Gespräch aufgezeichnet, dürfe die Chance auf Verurteilung größer sein als bei einem schriftlichen Inhaltsprotokoll. „Ein Tonband kann da sehr viel ausmachen“, bestätigt auch Carmen Benker. „Da hört der Richter das Weinen, die Stimmungslage – es ist viel authentischer.“ Letztlich hänge vieles von der Mitwirkungsbereitschaft des Opfers ab. Wenn eine Frau sich gegen eine Video- oder Tonbandaufnahme entscheidet, seien der Polizei die Hände gebunden. Die Bayreuther Kripo-Beamten, sagt Anwältin Benker-Roth, seien „sehr gut und gründlich – und das ist wichtig für das spätere Verfahren“.

Insgesamt seien die Befunde für einen Rechtsstaat „problematisch“, so das Fazit der Forscher. Frauen riskierten zudem, „in ihrem Umfeld aufgrund einer gescheiterten Anzeige als Verliererin oder gar Lügnerin dazustehen. All dies sollte nicht weiter hingenommen werden“, sagt Pfeiffer.

Mit Material von afp

Bilder