Ein Angeklagter tischt eine Geschichte auf, die das Landgericht so leicht nicht überprüfen kann "Vergessene" Drogen vor Gericht

Von Manfred Scherer
Mit einer unwahrscheinlich klingenden Geschichte verteidigt sich ein mutmaßlicher Drogentransporteur vor dem Landgericht Bayreuth. Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Ein Angeklagter erzählt eine unwahrscheinlich erscheinende Geschichte. Ein Gericht muss sie prüfen. Es geht um einen mutmaßlichen Drogentransport, der auf der Autobahn bei Bayreuth endete.

 
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Vor dem Landgericht steht zurzeit ein 36-jähriger Mann aus Mecklenburg-Vorpommern. Er hatte lange in Südbayern nahe der österreichischen Grenze gelebt und gearbeitet - und hatte dort vor einigen Jahren mit Rauschgift gehandelt. Dafür wurde er verurteilt.

Ende Januar steuerte der Mann seinen VW Passat über die A 9 in Richtung Norden. Das Ziel: Seine neue, alte Heimat Greifswald. Er hatte ein Drittel seiner über 900 Kilometer langen Fahrt hinter sich, da stoppten Bayreuther Polizisten ihn. Die Kontrolle des Passats und seines Fahrers brachte ein ein Sammelsurium an Drogen zum Vorschein: LSD, Marihuana, rund acht Gramm Amphetamin, berauschende Pilze und - besonders schwerwiegend - 183 Gramm Amphetaminpaste. Ein verhältnismäßig großer Fang für die Polizei. Der Mecklenburger stand unter Drogen. Er kam zunächst in Untersuchungshaft, die aber nach sechs Wochen außer Vollzug gesetzt wurde. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen kranken Mann.

Die Drogen sollen durch Zufall ins Auto gelangt sein

Dem Prozess über seine Drogenfahrt stellte er sich dennoch. Und er wartete mit einer Geschichte nach dem Motto "Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts" auf, die der Strafkammer unter Vorsitz von Michael Eckstein mehr Arbeit macht als ursprünglich gedacht.

Der Angeklagte will nämlich nichts davon gewusst haben, dass die Drogen in seinem Auto waren. Er habe an jenem Tag Ende Januar seine letzte Fahrt von Oberbayern nach Greifswald gemacht, seinen Umzug sozusagen. Alles, was er mit nach Greifswald habe nehmen wollen, habe er damals einfach ins Auto geworfen.

Angeblich in einem Versteck "vergessen"

Er gestand: Ja, die Drogen, die seien "Altbestand" aus seinem Strafverfahren vor Jahren. Damals habe die Polizei bei seiner Wohnungsdurchsuchung eines seiner Verstecke in einer ausgehöhlten Tischplatte nicht gefunden. Er habe dann die Drogen im Lauf der Jahre "vergessen". Erst, als er für den anstehenden Umzug ausgemistet habe, will er sich wieder an die in einem Kulturbeutel verpackten Drogen in dem Versteck erinnert haben. "Ich wollte nichts mehr damit zu tun haben, deshalb habe ich das Paket einem Bekannten gegeben, mit der Bitte, das Zeug zu entsorgen." Dass dieser Bekannte der Bitte nicht nachkam und den Kulturbeutel offenbar beim gemeinsamen Verpacken der Umzugssachen in seine Reisetasche steckte, das habe ihn auch überrascht, ja geschockt: "Mir wurde ganz schlecht, als ich den Kulturbeutel sah."

Die Richter der Strafkammer machten deutlich, dass sie die Einlassung des Angeklagten eher für Dichtung als für Wahrheit halten. Woher das Amphetamin in seinem Blut stammt, wollten die Richter wissen. Ja, antwortete der Angeklagte, er habe ein wenig Speed genommen, um die lange Fahrt nach Greifswald zustehen zu können. Er sei ein kranker Mann. Wie er sich erklärt, dass die Zusammensetzung der in seinem Auto gefundenen Drogen so gar nicht zu den vor Jahren in seinem früheren Strafverfahren beschlagnahmten Drogen passe? Die Erklärung des Mannes: Er habe damals eben ein Sammelsurium aufgekauft.

Ausgerechnet der Ex-Komplize sollte das Rauschgift vernichten

Als der Angeklagte den Namen des Mannes nannte, den er um die "Entsorgung" der Drogen gebeten habe, folgte ungläubiges Kopfschütteln auf der Richterbank: Es handelt sich um jenen Komplizen, über den der Angeklagte früher schon seine Drogendeals abgewickelt hatte.

Das Problem für den Prozess: Um die Einlassung des Angeklagten zu prüfen, um festzustellen ob sie Wahrheit oder eher Dichtung ist, braucht das Gericht den angeblichen Umzugshelfer als Zeugen. Die Polizei in Oberbayern versucht zurzeit den Mann zu finden. Falls das gelingt, soll er kommende Woche als Zeuge vor Gericht aussagen. Falls nicht, wird der Prozess ausgesetzt und erst dann wieder von Neuem verhandelt, wenn der Zeuge einmal gefunden ist.

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