Vanessa: Bademeister freigesprochen

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 Foto: red

Die juristische Aufarbeitung des tragischen Badefalls im Himmelkroner Freibad vor fast vier Jahren hat vorerst ein Ende. Das Amtsgericht Kulmbach sprach den der fahrlässigen Tötung angeklagten Bademeister frei. Die mitangeklagte Betreuerin der Kindergruppe erhielt eine Verwarnung.

 
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Richterin Sieglinde Tettmann differenzierte zwischen beiden Angeklagten sehr genau. Für alle Beteiligten sei es keine leichte Aufgabe gewesen, das mit vielen Emotionen behaftete Ereignis juristisch aufzuarbeiten. „Was ist passiert am 22. Juli 2014? Das Gericht muss das Geschehen juristisch bewerten, Fakten sammeln und unparteiisch und objektiv urteilen“, eröffnete Tettmann die Urteilsbegründung. Nur wer selbst ein Kind verloren habe, könne ermessen, wie schwer der Tod des Mädchens auf den Eltern laste. Doch auch die beiden Angeklagten werde das Badeunglück ein Leben lang begleiten.

Jeder Fall ist anders

Tettmann betonte zugleich, dass sie kein Grundsatzurteil fälle. Weder über die Sorgfaltspflichten Ehrenamtlicher noch über das Betreiben kommunaler Bäder. „Jeder Fall ist anders.“ Wenn es sich im Fall von Vanessa um eine fahrlässige Tötung durch Unterlassung sei die Frage zu stellen: "Wer hat was nicht getan, was sie oder er hätte tun müssen?" Aufgrund des Gutachtens sei davon auszugehen, dass Vanessa leise ertrunken sei. „Niemand hat das Mädchen untergehen sehen.“ Die Pflichten eines Bademeisters seien gesetzlich nicht geregelt.

Nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen obliegt die Aufsichtspflicht, sobald eine Gruppe oder ein Verein das Bad benutzen, allein den betreuenden Begleitpersonen, so die Richterin. Die Aufsichtspflicht habe also bei den Betreuerinnen des Turnvereins gelegen, die mit den Kindern den Schwimmbadbesuch unternahmen. Da es keine genauen Absprachen mit dem Bademeister gegeben habe und noch zwei Schwimmbadbesucher da waren, sei seine Aufsichtspflicht nicht gänzlich erloschen. Vier Mädchen wurden zudem von ihren Müttern begleitet. All diese Aufsichtspflichten bestünden gleichrangig nebeneinander, sagte Tettmann.

Lückenlose Überwachung nicht leistbar

Viele Erwachsene, relativ wenig Kinder und dennoch ist das Badeunglück passiert. Der Bademeister habe neben der Wasseraufsicht noch andere Pflichten gehabt. Zum Prozessauftakt hatte er selbst gesagt, er sei im Freibad "Mädchen für alles" gewesen. Seine Aufgabe sei es, die Besucher vor Gefahren für ihr Leben und ihre Gesundheit zu bewahren. „Eine lückenlose Überwachung ist nicht leistbar“, sagte die Richterin. So sehe dies auch die aktuelle Rechtsprechung. Darüber wie lange die Wasseraufsicht unterbrochen werden darf, herrsche indes Unklarheit. "Eine Sicherheit, die jeden Gefährdungsfall ausschließt, ist nicht zu erreichen."

Das Mädchen wäre nach Aussagen der medizinisch Sachverständigen nur in einer sehr knappen Zeitspanne zu retten gewesen. Der Gutachter schätzte diese auf zehn bis 15 Sekunden. Das Gericht ging hingegen von einer Minute aus, in der die Achtjährige womöglich noch zu retten gewesen wäre. Die Bewusstlosigkeit sei wahrscheinlich erst unter Wasser eingetreten. Nach der Bergung wurde festgestellt, dass das Kind erbrochen hatte und die Atemwege somit verstopft waren. "Schon ab diesem Zeitpunkt war sie nicht mehr zu retten, auch nicht von Laien", folgerte Tettmann. Fest stehe außerdem, dass der Bademeister nicht Zeitung gelesen hatte. Dem habe er selbst vehement widersprochen und eine Zeugin zog ihre Aussage wieder zurück. Dass er das Kind erst außerhalb des Beckens am Boden habe liegen sehen, könne nicht widerlegt werden. Wo er war, als das Unglück geschah, sei nicht mehr nachvollziehbar.

Nicht einfach glauben, was ein Kind erzählt

Die Schuld der Betreuerin sieht die Richterin in ihrem Verhalten vor dem Schwimmbadbesuch. Während sie außen Kontrollgänge machte, war die zweite Betreuerin im Wasser bei den Nichtschwimmern. Die Angeklagte hätte aber das achtjährige Mädchen nicht in den Schwimmerbereich lassen dürfen. "Ich kann doch nicht einfach glauben, was ein Kind erzählt." Sie hätte vielmehr mit den Eltern direkt sprechen müssen, ob das Kind tatsächlich das Seepferdchen hat. Nicht alle Eltern müssten ihre mündlichen Aussagen mitbekommen haben, für Nichtschwimmer seien Schwimmflügel mitzugeben. Die Betreuerin hätte nachfragen und sich von der Schwimmfähigkeit überzeugen müssen, zum Beispiel durch Vorschwimmen, befand die Richterin. „Dann hätte der Tod verhindert werden können“, folgerte die Richterin. "Zum Glück ist bis dahin noch nichts passiert." Auch ein Mitverschulden der Eltern sei nicht von der Hand zu weisen. Über das Thema Schwimmflügel sei nicht ausreichend gesprochen worden. "Keiner darf sich einfach auf den anderen verlassen."

Da die Betreuerin nicht vorbestraft ist, lasse sie es bei einer Verwarnung bewenden, urteilte Tettmann. Eine Geldstrafe von 25 Euro zu 90 Tagessätzen sei in den nächsten beiden Jahren auf Bewährung vorbehalten. 1000 Euro muss die Betreuerin an den Kinderschutzbund bezahlen.

Die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung hatten jeweils Freispruch gefordert. Innerhalb einer Woche können nun Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden.

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