Unvergessen: Erinnerungen an Playoffs 1996

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Auch wenn es lange her ist, dass ein Bayreuther Team in den Playoffs um die Deutsche Basketball-Meisterschaft stand: Die Saison 1995/96 mit den Serien gegen Hagen (4:3 im Best-of-seven-Modus) und Berlin (1:3 im Best-of-five) ist nicht nur bei langjährigen Fans unvergessen, sondern auch bei den Beteiligten. Wir sprachen darüber mit Calvin Oldham, Derrick Taylor und Tim Nees.

 
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Calvin Oldham: "Talentierteres Team setzt sich immer durch"

Auf der Liste der Zeitzeugen aus der Bayreuther Playoff-Geschichte muss dieser Name ganz oben stehen: Calvin Oldham. Der heute 56 Jahre alte Amerikaner war als Spieler einer der Leistungsträger beim einzigen Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Jahr 1989, und als Trainer-Neuling in der Saison 1995/96 war er verantwortlich für die bis heute letzten Playoff-Spiele mit Bayreuther Beteiligung. Wer könnte besser aus beiden Perspektiven beschreiben, was diesen Saisonabschnitt von der regulären Runde unterscheidet?

Noch mehr Verantwortung beim Trainer

Das geringste Problem für Spieler und Trainer sieht Oldham in der richtigen Einstellung: „Wenn man in den Playoffs ist, hat man ja eine erfolgreiche Saison gespielt – und dann ist die Motivation nicht schwer. Sich ganz auf nur noch einen Gegner konzentrieren zu können, vereinfacht die Sache auch noch.“ Aber die Verantwortung verschiebe sich spürbar zulasten des Trainers: „Als Spieler will man nur aufs Feld und den Plan umsetzen. Aber den richtigen Plan zu haben und aus jedem Spiel die richtigen Schlüsse für das nächste zu ziehen – das ist entscheidend.“ Dabei gehe es nicht nur darum, dem Gegner die speziellen Stärken wegzunehmen: „Das hat schon oberste Priorität, aber man darf auch nie vergessen, was einen selbst so weit gebracht hat.“ In letzter Konsequenz sei der Coach allerdings trotz allem machtlos: „Ich bin überzeugt, dass sich in einer Serie über fünf oder erst recht sieben Spiele am Ende immer die talentiertere Mannschaft durchsetzen wird. Neben dem Ausbleiben von Verletzungen ist vor allem Erfahrung ein wichtiger Faktor.“

Jeden dieser Aspekte erlebte Oldham 1996 gleich im ersten Jahr seiner Trainerlaufbahn als Nachfolger von Les Habegger in Bayreuth. Damals führte er den Tabellendritten in einer umkämpften Best-of-seven-Serie gegen Hagen zum 4:3-Sieg, ehe das Halbfinale gegen Berlin im Modus Best-of-five mit 1:3 verloren ging. Prägend für das Viertelfinale war die dominierende Rolle des Hagener Spielmachers Keith Gatlin: Regelmäßig wechselte der Erfolg bei seiner Bewachung und genau so regelmäßig das Ergebnis. „Ihn zu bremsen und den Ball von ihm fern zu halten, waren Schlüssel zum Erfolg“, erinnert sich Oldham. „Bis heute habe ich Kontakt zu Keith Gatlin. Und wenn ich in Hagen mit dem damaligen Trainer Peter Krüssmann spreche, ist diese Serie noch immer ein Thema.“

Als Trainer-Neuling habe er sich damals umso mehr auf seine erfahrenen Spieler verlassen: „Morton, Taylor, Hutchinson, Nees, Bade, Becker und Suhr haben mein Vertrauen gestärkt, die Serie so gut zu führen, wie ich konnte. Wir hatten ein paar Probleme in dieser Saison, aber mit Kommunikation und Einsatz haben wir das Potenzial der Mannschaft ausgeschöpft.“ Im Halbfinale habe sich dann aber auch seine Kernthese bewahrheitet: „Wir waren sehr talentiert, aber wir sind auf ein besseres und tiefer besetztes Berliner Team getroffen.“

Im Meisterteam hat alles gepasst

Wie es läuft, wenn wirklich alles perfekt zusammenpasst hatte Oldham sieben Jahre zuvor mit der Bayreuther Meistermannschaft erlebt: „Wir waren eine Gruppe mit viel Erfahrung und etwas Jugend, in der jeder seine Rolle akzeptiert hat und alle sich gegenseitig respektiert haben – auf dem Platz und auch außerhalb. Les Habegger hat uns unsere Stärken ausspielen lassen, und der zweimalige Pokalgewinn half uns dabei, zu denken wie Champions. Bo Dukes war der perfekte Anführer auf dem Feld und Buzz Harnett der perfekte Anführer in der Kabine. ,Ihr müsst daran glauben’ war seine Parole, als wir im Finale gegen Leverkusen mit 0:2 zurück lagen.“ Und nicht zu unterschätzen sei schließlich auch der Beitrag der Zuschauer: „Vor einem entscheidenden Spiel die Oberfrankenhalle zu betreten, war immer elektrisierend.“

Gruß nach Bayreuth:„Ein spezieller Platz“

Das ist aber längst nicht die einzige Erinnerung, die Calvin Oldham mit Bayreuth verbindet: „Ich verfolge immer, was in Bayreuth passiert, weil es ein so spezieller Platz ist für mich und meine Familie“, sagt er auch noch fast 20 Jahre nach dem Ende seines Trainer-Engagements 1998. „Ich grüße alle Fans und gratuliere Coach Korner, dem Team und der ganzen Organisation. Die erste Playoff-Teilnahme seit über 20 Jahren ist eine große Leistung!“

Heute Co-Trainer in Japan

Bereits 1983 kam Calvin Oldham als Spieler nach Bayreuth und blieb bis 1990. Fünf Jahre später kehrte er als Trainer zurück, und zwar zunächst als Assistent von Les Habegger, den er aber noch in der ersten von drei Spielzeiten ablöste. Weitere Stationen in Deutschland waren Leverkusen, Berlin (als Co-Trainer) und nach sechs erfolgreichen Jahren in Korea (mit Landesmeisterschaft) noch einmal in Bremerhaven. In der laufenden Saison ist der 56-Jährige in Japan tätig. Formell als Assistent hat er mit den Chiba Jets schon den Pokal gewonnen und rechnet sich auch in den bald beginnenden Playoffs etwas aus: „Ähnlich wie in Bayreuth erleben wir hier gerade einiges zum ersten Mal, und die Stimmung ist entsprechend aufgeregt.“

Derrick Taylor: "Als wäre es gestern gewesen"

Nicht nur unter langjährigen Fans haben die bislang letzten Bayreuther Playoff-Spiele das Prädikat „denkwürdig“. „An die Serien gegen Hagen und Berlin erinnere ich mich noch, als wäre es gestern gewesen“, sagt Derrick Taylor. Dabei gab es in der Laufbahn des damaligen Spielmachers von Steiner Bayreuth auch noch ein paar andere Höhepunkte bis hin zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2005 mit Bamberg im Alter von 41 Jahren.

Der heute 53-jährige Eckersdorfer spielte damals im Viertelfinale eine Schlüsselrolle als direkter Gegenspieler von Keith Gatlin, der das Hagener Spiel noch stärker prägte als die meisten anderen Pointguards. „Sie hatten gute Systeme, um ihm freie Dreier zu verschaffen“, erklärt Taylor. „Und genau dieses Systeme mussten wir vor allem bekämpfen.“ Der sehr wechselhafte Erfolg dabei sei ein typisches Beispiel für die besondere Herausforderung in den Playoffs: „Im Grunde weiß man ja am Ende einer Saison, was ein Gegner macht. Wenn man sich aber nur noch auf einen Gegner konzentrieren muss, dann kennt man am Ende jeden Schritt des anderen. Deswegen muss man immer wieder neue Tricks finden, und der andere sucht dann wieder neue Möglichkeiten dagegen. Das ist mehr eine Prüfung für den Kopf als für die Physis. Und natürlich spielt die Strategie des Trainers eine entscheidende Rolle.“ Am theoretischen Teil der Problemlösung war Taylor vor allem in der Zeit als Co-Trainer von Dirk Bauermann in Bamberg beteiligt: „Bei ihm war das extrem, denn er hat wirklich auf jedes Detail geachtet.“

Letztlich müsse aber keineswegs immer der beste Spieler auch der entscheidende sein: „Je mehr Optionen die gegnerische Verteidigung wegnimmt, umso wichtiger wird der dritte, vierte, fünfte Mann.“ So eine Rolle habe im siebten Spiel der Serie von 1996 der spätere Hagener Trainer Ingo Freyer gespielt: „Der war toll und hat in Bayreuth um die 30 Punkte erzielt“, erinnert sich Taylor. „Das war schrecklich, denn er hat gegen mich gespielt!“

Die Zahl der Alternativen sei dann auch ein entscheidender Faktor beim 1:3 im Halbfinale gegen Berlin gewesen: „Berlin hatte eine sehr gute Mannschaft mit vielen Wechselmöglichkeiten. Ich hatte das Gefühl, dass alle drei Minuten ein anderer gegen mich spielt. Ich war schon todmüde, und die haben immer noch superhart verteidigt!“

Auf einen Tipp für die aktuellen Bayreuther Playoff-Chancen möchte sich Derrick Taylor nicht festlegen: „Ich habe aber ein gutes Gefühl, weil Trainer Korner einen Superjob macht und sicher gute Lösungen finden wird.“ Nur vom Heimvorteil sollte man sich nicht zu viel versprechen: „Wenn es in ein fünftes Spiel geht, stehen die Chancen immer 50:50.“

Tim Nees: "Viel mehr ins Detail"

Zusammen mit Marc Suhr bildete Tim Nees in der Bayreuther Mannschaft der Saison 1995/96 ein sehr markantes Duo auf den großen Positionen. Die Erfahrungen aus den damaligen Playoff-Schlachten kann der 80-malige Nationalspieler nun auch in seine Rolle als einer der Assistenten von Medi-Headcoach Raoul Korner einbringen.

„Wenn man so oft gegeneinander spielt, konzentriert man sich viel mehr auf die Details“, erklärt der 2,09 m große 45-Jährige. „Auf welcher Seite wirft er am besten, auf welcher Seite dribbelt er am liebsten – es hat mir schon immer Spaß gemacht, solche verschiedenen Faktoren am Gegner herauszuarbeiten.“ Auch wenn die Videoanalyse im aktuellen Bayreuther Trainerstab hauptsächlich in der Verantwortung von Lars Masell liegt, so ist bei der Vorbereitung auf die Playoff-Serie doch genau diese Qualität auch bei der Arbeit von Nees mit den großen Spielern im Medi-Kader gefragt: „Ich glaube zwar nicht, dass sich die beiden Mannschaften noch sehr überraschen können, aber man kann jetzt doch viel genauer auf die Kleinigkeiten eingehen.“

Gerade im Duell mit Oldenburg (erstes Spiel am Freitag um 18 Uhr in der Oberfrankenhalle) fällt in die Zuständigkeit von Tim Nees einer der entscheidenden Leistungsträger des Gegners: Der frühere Bayreuther Center Brian Qvale liegt mit einem Schnitt von 15,1 Punkten pro Spiel unter den erfolgreichsten Korbjägern der Bundesliga auf einem starken achten Platz. „Er hatte mal einen Hänger, aber jetzt spielt er wieder besser“, sagt Nees. „Bei unserer letzten Niederlage in Oldenburg sahen wir gegen ihn nicht so toll aus, aber über eine ganze Serie gelten andere Gesetze.“

Obwohl sein Team gerade auf dieser Position durch den Ausfall des verletzten Andreas Seiferth geschwächt ist, erwartet er „keine unlösbaren Aufgaben“: „Mit Assem Marei haben wir eine gute Besetzung gegen Qvale, und auch De’Mon Brooks ist nicht chancenlos, wenn er als Fünfer spielen muss.“ Allerdings sei es mit Zweikampfstärke nicht getan: „Oldenburg spielt viel für Qvale. Da müssen auch andere mithelfen.“ Für einen Erfolg in der Serie müsse man „Topleistungen auf allen Positionen“ abrufen: „Und das werden wir auch tun.“

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