Uni Open Air: Dosenbier und Kopfkino

Von Wolfgang Karl
Itchy Poopzkid feiern in diesem Jahr ihr 15-jähriges Band-Bestehen unter anderem beim Uni Open Air. Die eigentliche Party fand am Samstag jedoch nicht vor der Bühne statt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wenn Nonsens-Gelaber von Studenten in Feierlaune auf Musik von internationaler Prägung trifft – wenn Kofferräume von Kleinwägen zu Bierbars werden – wenn mitten auf dem Bayreuther Campus die Jura-Studenten von ihren Büchern aufgeschreckt werden: Ja, dann ist wieder Uni Open Air. Warum kommen da jedes Mal 1.400 Menschen? Eine Spurensuche.

 
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Um kurz nach 14 Uhr ist die Welt in Ordnung: Man steht mit den Kumpels am Kofferraum. Die erste Band macht gerade ihren Soundcheck. Das Crushed Ice hat gerade das erste Dosenradler gekühlt. Denn so beginnt ein echter Uni-Open-Air-Veteran seinen Feiertag. Die Autos auf dem Parkplatz werden mehr. Alle Kofferräume bieten denselben Einblick: mal mehr, mal weniger Eis. Dazwischen Bier. Viel Bier. Fast ausschließlich Dosenbier. Und nicht zuletzt deshalb kommt noch eine Runde Flunky-Ball dazwischen.

Die erste Band spielt längst. Aber den Spaß am Parkplatz muss man halt mitmachen. Andere bauen gerade ihre Autositze aus dem Van und bieten Cocktails an: Jägermeister mit grünem Tee. Hinzu kommen Sinnlos-Gespräche: "Hey, hast du Dope?“ - „Nö, aber mein Erdferkel kann einen Handstand.“ So manchen Dialog kann man kaum glauben auf der Parkplatz-Party.

Liebeslieder auf Deutsch ohne Kitsch

Auf der Bühne steht die erste Band. Plutoks – schräger Name, ganz gute Musik. Die Indierock-HipHopper haben sogar ein Liebeslied auf Deutsch im Programm, das gänzlich ohne Kitsch auskommt. Das schaffen nur wenige. Aber eigentlich ist die Musik hier nebensächlich. So hart das klingt: Die Leute sind zum Feiern hier, die Bands liefern den Soundtrack zum Kopfkino der Besucher. Da wird geflirtet, getanzt und gut ausgesehen. Selfies allerorten. Die Hipsterdichte ist hoch. Hipster in Bayreuth? Ja, die gibt es. Würde man „Sören“ oder „Malte“ in die Runde rufen – die Trefferquote wäre hoch. Die Damenwelt trägt gern Blumen im Haar und Schlabberblusen mit tiefen seitlichen Ärmelschlitzen. Man muss ja schließlich den Büstenhalter sehen auf Instagram.

Mittendrin steht ein Mann, den diese Eitelkeiten schon lange nicht mehr interessieren. Grauer Dreitagebart, Hornbrille und ein Lächeln auf dem Gesicht: Stefan Leible fühlt sich wohl. Als Uni-Präsident ist er so etwas wie Haus- und Schirmherr auf dem Festival. Eine Rolle, die der passionierte Konzertgänger gerne ausfüllt. Das tut er, ohne präsidial-reserviert zu wirken. Die Studenten freut es, dass „ihr“ Präsident mit ihnen ein Bier trinkt. Die Uni fühlt sich hier ganz familiär an.

Food Trucks runden das Open Air ab

Mittlerweile sind Artischoque zum Soundcheck auf der Bühne. Jetzt wird der kleine Hunger zwischendurch mit Döner, Bratwürsten und Pulled Pork bekämpft. Eine kleine, aber großartige Parade an Mampf-Möglichkeiten hilft sehr. Kichererbsensalat und Pulled-Pork auf Kartoffelstampf sind die Renner. In Sachen Namensgebung sind die Food Trucks ohnehin ganz vorn. „Worscht-König“ ist von vielerlei Veranstaltungen in Bayreuth bekannt. Dass jemand seinen Futterwagen aber ernsthaft „Swagman“ nennt, ist schlicht genial. Ein Name mit Selfie-Qualitäten. Die Generation Y freut sich auf Instagram mit.

Der heimliche Star: die Parkplatz-Party nebenan

Wer mit dieser Selbstverliebtheit nicht umgehen kann, sucht sich Freunde auf der Parkplatzparty. Vom Campingstuhl aus ist es nirgendwohin weit. Praktisch, wenn man einen heftigen Regenschauer spontan im Auto verbringen muss. Die Feierlaune und das Bier versiegen dabei nie. Johanna ist die Einzige, der das Bier nicht so schmeckt. Sie steht lieber mit einem Sektglas und Aperol Spritz am Kofferraum. Der Aperol wird heute noch weggehen und dabei vor allem Dosenradler genießbar machen. Ein Geheimtipp für den schlagseitig geneigten Cocktail-Connaisseur.

Nach den, hinlänglich bekannten, Bayreuther Lokalmatadoren von Artischoque marschieren Qunstwerk auf. Denen hätte ruhig mal jemand mitteilen dürfen, dass man auf einem Festival live spielen soll. Wir sind hier schließlich nicht bei der "Mini Playback Show". So wird man schnell zum Verlierer des Festivals. Aber das ist egal, stehen nach ihnen ja nur noch Gewinner auf der Bühne.

Musik jenseits der Geschlechtergrenzen

Asbjørn steht für Elektropop und Grenzgang. Geschlechtergrenzen einreissen steht auf Martin Asbjørns Agenda. Die Musik: Ein perfekter Soundtrack zu Instagram-Foto-Orgien. Ehrlicher, direkter, kantiger, rotziger und besoffener wird es zum nächsten Act: The Whiskey Foundation sind inzwischen schon so etwas wie musikalische Ehrenbürger Bayreuths. Einfach geiler Blues. Sie erinnern auch mehr und mehr an The Doors. Sänger Murat Kaydirma trägt den Bart wie Jim Morrison ab 1970 und den Doors-Sänger im Herzen. Das Konzert? Musikalisch wohl mit das Beste, dass man in Bayreuth überhaupt hören kann. Wer braucht Wagner, wenn er Blues haben kann?

Nach einem letzten Besuch auf der Parkplatzparty rocken noch Itchy Poopzkid die Bühne. Seltsamer Bandname, zugegeben. Aber eine Show, die sich gewaschen hat, denn die Jungs sind nach 15 Jahren im Geschäft ja schon routiniert. Aber haben andererseits immer noch Spaß bei ihren Auftritten. Punkrock, Punkrock, Punkrock. Geschrammel und Gebretter und Gespringe. Abriss. So muss ein Festivaltag ausklingen: mit Krach. Die Musik muss man noch auf dem Weg nach Hause nachwummern hören. Denn der dauert länger als gewöhnlich.

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