Etliche Highlights dabei
Highlights: die Ottheinrich-Bibel, die Gutenberg-Bibel, Martin Luthers Bibel, deutsche Klassiker in Erstausgaben, das Reichenauer Evangeliar, das Nibelungenlied, Dokumente zur Familie Fugger, die Carmina Burana, Eschenbachs Parzifal, ein babylonischer Talmud, die Karte von der Vermessung Bayerns durch Philipp Apian, die Weltchronik des Nürnbergers Hartmann Schedel und noch vieles mehr. Auch online scheint der Entdeckerfreude keine Grenze gesetzt. Papier ist geduldig, Server-Kapazitäten sind es aber auch.
"Forscher können auf Dinge stoßen, die sonst vor sich hin schlummern"
In München machen die Digitalisate den Lesesälen keine Konkurrenz, eher machen sie beispielsweise die Staatsbibliothek dadurch noch attraktiver. "Unsere 600 Lesesaal-Plätze sind immer voll", sagt Pressesprecher Peter Schnitzlein. "Eher verändert sich die Bibliothek dadurch zum Ort des Austauschs. Das ist die wahre Demokratisierung des Wissens, denn so können Forscher international ja auf Dinge stoßen, die bisher in den Beständen schlummerten. Und davon haben dann wieder alle etwas."
Zusammenarbeit mit Google
Die Staatsbibliothek arbeitet seit 2007 mit Google zusammen. Als erste deutsche Bibliothek hat sie so bereits eine Million Bände der urheberrechtsfreien Bestände digitalisieren können. Von allem gibt es eine Kopie vor Ort, damit Google nicht das Monopol auf die Digitalisate hat. "Ich weiß, es gibt viel Kritik deswegen an Google", sagt Schnitzlein. Aber das Vorhaben koste 60 bis 70 Euro pro Band. "Das kann die öffentliche Hand einfach nicht zahlen."
Seine Kollegen und er sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und arbeiten auch mit dem Google Cultural Institute zusammen, das den Internet-Dienst "Arts & Culture" bereitstellt, mit dem man per App reale Ausstellungen in der virtuellen Welt besuchen kann. Der Vorteil aus Münchner Sicht: Neben dem Werbeeffekt lässt sich die jeweilige Anwendung als Audioguide für die Ausstellung oder zum Nachlesen nutzen. "Arts & Culture" operiert weltweit und archiviert auch "Ausstellungen", die keine sind und die es nicht mehr gibt, denn man kann per App sogar Routen in Städten mit Graffiti und anderer Straßenkunst navigieren, wo es die Kunstwerke oder sogar die Häuser, auf denen sie prangten, gar nicht mehr gibt.
Erstes Digitalisierungsprojekt in Bayreuth kurz vor Start
Im Richard-Wagner-Museum und dem Nationalarchiv der Wagner-Stiftung gab es bisher noch kein systematisches Digitalisierungsprojekt. Das war bislang auch nicht erforderlich, weil noch bis Anfang der Neunziger ein Großteil der Handschriften mikroverfilmt worden war, erklärt Museumsdirektor Sven Friedrich.
"Zur Bestandssicherung und Dokumentation ist eine Digitalisierung jedoch ebenso erforderlich wie zur orts- und zeitunabhängigen Bereitstellung der Dokumente im Internet." So startet hoffentlich bald, sobald das Geld bewilligt ist, ein Pilotprojekt. Der Handschriften-Nachlass von Richard, Cosima und Siegfried Wagner - das, was am meisten in der Forschung nachgefragt wird - soll im Rahmen der bayerischen Offensive "bavarikon" digitalisiert werden. Ein entsprechender Antrag ist gestellt, jetzt wartet Bayreuth auf die Bewilligung. "bavarikon" ist die digitale Plattform zu Kunst, Kultur und Landeskunde Bayerns des Freistaats.Sie besteht seit 2012.
Kein Qualitätsverlust
Es geht in Bayreuth um rund 16.500 Dokumente. Drei Jahre Laufzeit hätte das Pilotprojekt, 228.000 Euro wird es kosten. "Das Archiv hat ja immer funktioniert, auch wenn es inzwischen ein bisschen retro ist", sagt Friedrich. "Außerdem haben Sie in der digitalen Reproduktion keinen Qualitätsverlust, Sie können Ausschnitte vergrößern; bei Mikrofilm ist die Haltbarkeit nicht klar, und Mikrofilm ist schwarzweiß."
Für das Projekt muss ein Dokumentenscanner gekauft, zusätzliches Personal eingestellt werden. "Mit der reinen Digitalisierung allein ist es ja auch noch nicht getan“, so Friedrich. „Zur Beschreibung und Identifizierung der Dokumente in der Datenbank müssen auch so genannte ‚Metadaten‘ entwickelt, erfasst und mit den Bilddateien in Datensätzen verbunden werden. Andernfalls wäre ein Widerfinden ja unmöglich. Eine inhaltliche Erschließung ist in diesem Rahmen aber nicht möglich", betont Friedrich, dafür bräuchte man wesentlich mehr Zeit, auch eine Transkription kann nicht stattfinden.
Vor allem die Technik stellt aber ein Problem dar
So toll das auch ist, dass dann demnächst ein Forscher aus den USA über das Internet entweder direkt beim RWM oder über "bavarikon" auf einen bestimmten Brief Wagners zugreifen und diesen mit der gedruckten Ausgabe vergleichen kann - es gibt auch im Jahr 2016 immer noch eine Menge Herausforderungen.
Systeme kompatibel?
Da ist die Frage, ob die Systeme und unterschiedlichen Softwares kompatibel sind, wie Schnittstellen eingerichtet und gestaltet werden, ob man Formate verändern oder anpassen kann oder ob nicht Informationen verloren gehen können. Muss neue Software oder sogar auch neue Hardware angeschafft werden? Ist die Museumssoftware, die vorhanden ist, auch als Archivierungssoftware geeignet? Was ist mit dem Thesaurus, wie geht man mit unterschiedlichen Schreibweisen um?
Virtueller Rundgang durch Wahnfried?
Ist es danach nur ein kleiner Schritt zum virtuellen Rundgang durch Wahnfried? Friedrich ist auch mit dem Google Cultural Institute im Gespräch. „Digitalisierung und virtuelle Realität bieten großartige und attraktive Informations- und Darstellungs-Möglichkeiten. Das Internet kann und soll aber die Realität nicht ersetzen. Keine noch so perfekte digitale Information reicht an das umfassende haptische Erleben heran. Kein 360-Grad-Rundgang im Netz ist mit dem tatsächlichen Museumsbesuch vergleichbar.“
Auch andere Vorhaben drängen
Aber auch andere Vorhaben drängen. So hat die kritische Ausgabe der Werke Wagners bislang ebenso wenig abgeschlossen werden können wie diejenige seiner mehr als 10.000 und kulturhistorisch hoch bedeutenden Briefe. Und die Edition seiner nicht minder bedeutenden Schriften ist gerade erst begonnen worden. „Wir zitieren Wagner noch immer nach der ‚Volksausgabe‘ von 1911. Das ist eigentlich unfassbar!“, so Friedrich.
Berichtigung:
Ursprünglich schrieben wir bei den Kosten der Bayerischen Staatsbibliothek für die Digitalisierung einer Seite von 60 bis 70 Euro. Das ist nicht richtig. Diese Kosten beziehen sich auf jeweils einen Band. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.