Neuer Anwalt prüft, ob er wirklich die damals neunjährige Peggy missbraucht hat Ulvi K.: Neues Gerichtsverfahren im Visier

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Hat Ulvi Kulac wirklich die neunjährige Peggy missbraucht? Foto: Wittek Foto: red

Vom Mord an der damals neunjährigen Peggy Knobloch ist er schon freigesprochen. Jetzt soll er auch für den Missbrauch an dem Mädchen freigesprochen werden. Ulvi Kulacs (37) Anwalt will nochmal die Akten durchkämmen. Sein Ziel: den Fall nochmal vor Gericht aufrollen.

 
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Als am Montag, 6. Mai 2001, gegen 13.15 Uhr die damals neunjährige Peggy Knobloch aus Lichtenfels verschwand, geriet ein Mann bald in Verdacht: Ulvi Kulac. Der geistig zurückgebliebene junge Mann war aktenbekannt wegen sexueller Handlungen mit Kindern. Missbrauch. Bei den vielen Vernehmungen gestand er aus freien Stücken immer mehr Missbrauchshandlungen an Kindern. Im Laufe der Ermittlungen wurden bis Mitte 2002 laut den Akten 22 Missbrauchsfälle an 15 Opfern bekannt. In einer der Vernehmungen erzählte Kulac, wieder aus freien Stücken, auch von dem Missbrauch an der Schülerin Peggy. Wobei er mehrere Varianten bot, die sich im Kern allerdings glichen: Die Neunjährige sei bei ihm zu Hause gewesen in seinem kleinen Zimmer. Mal habe er sie überredet, mal habe sie ihn dazu überredet. Nach dem angeblichen Missbrauch läuft sie weg und er habe danach Angst gehabt vor Peggys Stiefvater. Die Anklage wegen Mordes an dem Mädchen fußte dann auch auf dieser Angst: Er habe Peggy umgebracht, um den Missbrauch zu vertuschen

Auch den Mord ab Peggy hatte er gestanden. Allerdings wurde er im vergangenen Jahr vom Landgericht Bayreuth in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen. Grund: Ulvis Geständnis hätte erfunden sein können.

Für Kulacs Betreuerin Gudrun Rödel (67) steht fest: Auch das Missbrauchs-Geständnis ist nicht viel mehr wert. „Es ist für jeden Blinden ersichtlich, dass das Geständnis genauso wenig Bestand hat wie das Mordgeständnis“, sagte Rödel. Es dürfe nicht länger im Raum stehen, dass Kulac sich an Peggy vergangen habe. Kulacs Betreuerin Rödel ist sich sicher: „Wir können ja zeigen, dass kein Missbrauch stattgefunden hat“, sagt sie. „Die Beweise haben wir.“

Neue Beweise?

Genau darum wird es gehen: um neue Beweise, neue Zeugen. Denn die Hürden, um, einen abgeschlossenen Fall neu aufzurollen sind sehr hoch. Kulacs Anwalt Thomas Saschenbrekker, ein Spezialist für Psychiatriefälle, hat jetzt das Mandat, sich um die Wiederaufnahme zu kümmern. Den ersten Schritt hat er gemacht: Er hat Akteneinsicht beantragt. Er will die sogenannte Spurenakte durchforsten, in dem die Ermittler alle Hinweise abgelegt haben, die Kulac be- oder entlasten. Sein Ziel ist es, „letztlich in die ein oder andere Richtung zu klären“, ob die Vorwürfe wegen Missbrauchs an Peggy Bestand haben.

Verschwörungstheorien

„Es wird so viel geredet, dass man keinen Anhaltspunkt hat“, sagt Saschenbrecker. Er spielt auf die vielen (Verschwörungs-)Theorien an, die im Internet oder im Umfeld des Unterstützerkreises von Kulac kursieren. Saschenbrecker selbst will den Fall „völlig wertneutral“ angehen.

Tatsächlich gibt es keine Zeugen eines Missbrauchs an Peggy – nur Kulacs Geständnis. Spuren hatten die Ermittler in seinem kleinen Zimmer nicht gefunden. Auch Kulacs Vater E. war in Verdacht geraten, bei der Beseitigung der Spuren – und später sogar der Leiche – geholfen zu haben. Peggys Mutter war eine Zeitlang vor ihrem Verschwinden aufgefallen, dass ihre Tochter sich seltsam verhielt. Alles Zusammenhänge, die in den Akten zu finden sind. Und die Anwalt Saschenbrecker nochmal durchleuchten muss.

80 000 Seiten Akten

Insgesamt ist der Aktenberg im Laufe der mehr als 14 Jahren dauernden Ermittlungen auf fast 80 000 Seiten angewachsen. Immer wieder wurden die Zeugen neu verhört, an verschiedenen Stellen gegraben oder in Gewässern nach Spuren des Mädchens getaucht. Bisher ohne den kleinsten Erfolg. Auch eine  Aktenzeichen XY-Sondersendung über vermisste Kinder brachte keine neue Spur.

Im Juli wurde Ulvi Kulac nach mehr als zehn Jahren in der geschlossenen Psychiatrie im Bezirkskrankenhaus entlassen. Dort saß aber er nicht, weil er zu lebenslanger Haft wegen Mordes an Peggy verurteilt worden war – diese Haftstrafe hatte er nie angetreten. Er saß wegen mehrfachen Missbrauchs von Kindern. Er macht zurzeit in einer betreuten Einrichtung in der Region eine Ausbildung. „Es geht ihm bestens“, sagt seine Betreuerin.

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