Ensemble Operleben spielt  Wagners letztes Drama in Kammerfassung Überraschung beim "Parsifal"

Von Frank Piontek
Markus Ahme als Parsifal in der Produktion des Berliner Ensembles Operleben. Foto: red Foto: red

Vier Sänger plus ein Sprecher plus ein Mann am Klavier sollen ein Großwerk ergeben: den "Parsifal". Wagners letztes Drama als Kammeroper, kann das gut gehen? Unser Rezensent erlebte in der Porzellanfabrik Walküre Überraschendes.

 
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„Parsifal“ ohne die Ritterchöre und die Blumenmädchen, im Klang radikal reduziert: wie sollte das gut gehen? Ein „Parsifal“ ohne reiche Bühnenausstattung, gut, das mag angehen – aber ohne den musikalischen Reichtum, den nur das Orchester und die Männer- und Frauenchöre garantieren? Ohne Gurnemanz-Arie, Knappen, Vorspiel zum 3. Akt?

Schon nach wenigen Minuten der Kammerfassung des "Parsifal" durch das Ensemble Operleben sind die 50 meist auswärtigen Besucher gebannt, die in der Porzellanfabrik „Walküre“ in das Gastspiel von Operleben hineingezogen werden. Mag sein, dass es am Ende auch die sparsamen Einspielungen der großen Ensembles sind, die an zwei relativ kurzen Stellen für den Chorklang und das musikalische Glück sorgen, für das ansonsten Marcus Merkel am Klavier zuständig ist. Es ist zuallererst die Präsenz der vier Solisten, die den „Parsifal“ in dieser Fragment-Fassung zu einer ausgesprochen akzeptablen,  fast vollgültigen Version machen.

Parsifal als Tourist

Bei aller Sparsamkeit der Bühne, die mit einem Leinentuch, zwei wilden, lustvollen Gemälden des Walküren-Porträtisten Mariano Rinaldo Goni, einem tuchbedeckten Sitz und einem toten Titurel sowie einer Menge rotem und grünem Licht auskommt, hat man sich sich sogar in die Sphären des sog. Regietheaters gewagt. Treten die Protagonisten zunächst in unschuldig weißen Anzügen auf, so würde Kundry mit ihrem braunen, grünbeborteten Kleid auch auf der Maxstrasse eine gute Figur machen. Amfortas’ Gewand ist klassisch, die Wunde glänzt, er steht, man scheut kein Pathos, sehr präsent im weißen Lichtkegel – aber Parsifal tritt uns als Tourist entgegen. Spannend wird die Sache, wenn die Zuschauer aufgefordert werden, sich am Gralsmahl zu beteiligen. Da können sie dann, sehr praktisch, aus den weißen Bechern trinken, die ihnen die Porzellanfabrik zur Verfügung gestellt hat.

Im dritten Akt, der mit Parsifals Auftritt anhebt, wird man sich daran erinnern, als im Karfreitagszauber die vierte Wand niedergerissen wird. Nun geht Parsifal – ein ausgesprochener Sympathikus – durch die Reihen, um uns sacht zu segnen. Ist das nicht peinlich, nicht überheblich? Durchaus nicht – denn man könnte die religiöse Geste, die zwischen Theaterkunst und Ritus souverän vermittelt, auch privatpsychologisch herunterbrechen: Braucht nicht jeder Mensch von Zeit zu Zeit einen Segen, der ihm durch einen anderen Menschen zuteil wird? Es ist schließlich nur folgerichtig, dass wir am Ende, zusammen mit Herrn Parsifal Jedermann, auf eine gottverlassene Bühne schauen – denn die „Erlösung“ kann immer nur von uns gemacht werden. Wenn überhaupt. Das alles funktioniert nur, weil Markus Ahme ein absolut lyrischer Heldentenor ist, der sich mit der Vitalität eines sensiblen Bären in die Oper wirft.

Verzweifelter Schwarzmagier

Erstaunlich auch, dass Felix Bruder nicht allein Regie geführt hat, auch mit der Doppelrolle des Gralskönigs und seines Gegenspielers deshalb überzeugt, weil er nicht nur das Gewand, sondern auch die starken, stimmlichen Mittel wechselt. So realisiert er die licht verzweifelte und die dunkel verzweifelte Partie des Schwarzmagiers mit unterschiedlichen Farben: hier der pathetisch ausbrechende König, dort der strenge, zynische Zauberer.

Ihm zur Seite: Valentin Olbrich, der plötzlich als Jesus mit der Seitenwunde die Szene illustrativ akzentuiert. Daniel Pannermayr ist ein präzis deklamierender, bewusst statisch agierender Gurnemanz – und Venus? Pardon: Kundry? Abigail Dyer macht aus der Verführerin des 2. Akts tatsächlich eine Wiedergängerin der Venus des „Pariser“ Tannhäuser: leider nicht immer wortverständlich, doch höhensicher an den gefährlichen Stellen, schlichtschön in ihrem klassisch-roten Gewand, niemals überagierend.

Sparsames Theater? Ja, das ist es. Doch kein -armes Theater. Wenn alles mit rechten Dingen zugehen würde, müssten in der zweiten und dritten Vorstellung ein paar Bayreuther mehr sitzen, um hier mal wieder einen „echten Wagner“ zu erleben und zu genießen.

INFO: Letzte Vorstellungen: 9. August, 19 Uhr, und 10. August, 17 Uhr, Porzellanfabrik Walküre, Gravenreuther Strasse 5.