Über Oper reden

Florian Zinnecker
 Foto: red

Wie Klaus Florian Vogt und Dieter Haselbach ein Interview geben und einer damit Erfolg hat.

 
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Der Mann macht einfach alles richtig. Er ist hier, um über sich zu reden; er lässt es sich aber nicht anmerken. Man vergisst es deshalb auch sofort, und für den Rest der Zeit wirkt es so, als ginge es um etwas anderes, etwas Wichtigeres, Größeres. Um Kunst. Oper. Um das Leben. Oder um etwas noch Größeres, noch weniger Fassbares.

In Wahrheit geht es natürlich doch nur um Klaus Florian Vogt. Aber das macht nichts, das Publikum ist ja auch seinetwegen hier.

Vogt ist der Erste von zwei Gästen bei den diesjährigen Festspiel-Gesprächen. Der Titel: „Zäsuren“. Der Moderator ist Jürgen Liebing, ein jahrzehntelang erprobter Rundfunkjournalist, dem es gut gelingt, gleichzeitig das Gespräch mit Präsenz und Eloquenz zu führen und dabei völlig hinter seinem Gesprächspartner zurückzutreten.

Wunderbare Sätze

Vogt und Liebing sitzen auf der Bühne des Kleinen Hauses der Stadthalle, an einem Tisch, vor sich zwei gewaltige, wunderbar aus der Mode gekommene Mikrofone. Und Vogt gelingen ein paar wunderbare Sätze.

Ich müsste lügen, wenn ich mir nicht gewünscht hätte, eines Tages mal in Bayreuth zu singen. Ich wünsche mir alles andere, als den Lohengrin schnell wieder loszuwerden. Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen (angesprochen darauf, dass andere Sänger längst nicht so textverständlich sängen wie er). Ich mag Kontinuitäten, mag auch die ländliche Umgebung (angesprochen auf das Ritual, im Sommer nach Bayreuth zu kommen). Man merkt als Sänger sehr genau, ob eine Leistung vom Publikum goutiert wird oder nicht. Einen Negativ-Pegel braucht es da gar nicht (gefragt danach, was er von Buh-Rufern halte). Und dann schafft Vogt es auch noch, sich auf die Seite derjenigen Zuhörer zu schlagen, die sogenannte moderne Inszenierungen mögen, und gleichzeitig auf die Seite derer, die sie nicht mögen.

Es sind gute Antworten auf gute Fragen, es macht ungeheuer Spaß, Vogt dabei zuzusehen, und nachher muss er im Foyer Autogramme geben, und auch da hat er diese Aura, er strahlt Nähe aus, die zugleich Ferne ist.

Vogt ist der Mann, der Lohengrin ist, in Berlin, in Bayreuth, in Tokyo und so weiter, der müheloseste, unangestrengteste Lohengrin seit Jahren, jetzt steht er hier und gibt Autogramme, er ist da, und dann ist er auch noch nett.

„Der Kulturinfarkt“

Eine Woche später sitzt auf demselben Platz Dieter Haselbach, er ist Professor für Soziologie, Leiter einer Unternehmensberatung und einer der vier Autoren des Buchs „Der Kulturinfarkt“. Es war eines der Bücher, für die die Autoren schon Prügel einstecken müssen, bevor sie überhaupt erschienen sind. Die Autoren fragen darin sehr pointiert: Ist es sinnvoll, dass es in Deutschland so viele Opernhäuser und Musikschulen gibt, wie es eben gibt, wenn doch auf den meisten Bühnen sowieso immer dasselbe gespielt werde, noch dazu vor leeren Reihen, könnte man nicht eingreifen, alles um die Hälfte reduzieren, auch die Subventionen, die Nachfrage gezielt dem Angebot zuordnen ... Es sind Thesen und Ideen, die auf den ersten Blick nicht völlig daneben sind, die aber einigen Irrtümern aufsitzen: zum Beispiel, dass Kunst und Kultur Waren sind und sonst nichts, und dass man Verhältnisse, die vielleicht nicht ideal, aber auch nicht schlecht sind, auf keinen Fall weiterlaufen, sondern unbedingt und unwiederbringlich ändern muss. Aber das ist nicht das Thema.

Haselbach ist gekommen, um über all das zu reden, er will die großen Fragen beantworten, die wichtigen, nach Kunst, Oper, dem Leben und noch bedeutenderen Dingen. Und weil er sich das anmerken lässt, wirkt es, als sei er durchaus auch deshalb gekommen, um sich reden zu hören.

Auch dieses Gespräch ist informativ und unterhaltsam. Am unterhaltsamsten wird es in den Momenten, in denen es um Bayreuth geht. Haselbach kennt Bayreuth – also: die Festspiele – dem eigenen Bekunden nach vor allem aus dem Fernsehen. Im Fernsehen taucht Bayreuth immer am Premierentag auf, so entstehen Haselbach-Sätze wie: „Die Bayreuther Festspiele sind eines derjenigen Festivals, bei denen es sich offensichtlich für gesellschaftliche Eliten lohnt, sich beim Eintritt oder Austritt in diesem Haus zu zeigen, zu sehen und gesehen zu werden.“ Es wäre daher eine „interessante Geschichte“ zu überlegen, ob ein solches Festival, „als ein Fest-Treffpunkt der Elite nicht von denen bezahlt werden sollte, die davon profitieren, die hierhin kommen und hier Theater sehen, und nicht mit öffentlichen Subventionen“. Er wisse, wie teuer Oper ist, er wisse aber auch, wie zahlungskräftig die Menschen sind, die „in Bayreuth rein und rausgehen“. Der Mann versucht, alles richtig zu machen, er versucht es auch mit Humor.

Einen allgemeinen Anspruch auf Kultur gebe es sowieso nicht, auch andere Waren könnten sich weniger wohlhabende Leute nicht leisten. „Lassen Sie doch den Reichen eine Chance, sich unter sich zu treffen, das ist es doch, was dieses Festival ausmacht.“ Festspielleiterin Eva Wagner-Pasquier, die im Publikum gesessen hat, verlässt an dieser Stelle türenschlagend den Saal.