Über 1000 Gäste: Die Kanzlerin spricht

Von Thorsten Gütling (Text) und Andreas Harb

Punktlandung. 40 Minuten spricht Angela Merkel erfahrungsgemäß, hieß es im Vorfeld. 40 Minuten sind es auf dem Ehrenhof in Bayreuth. Zuvor nimmt die Bundeskanzlerin ein Bad in der Menge, dazwischen verwechselt sie einmal Oberfranken mit Oberbayern und lässt sich auch von lautstarken Zwischenrufen aus den Reihen der AfD nicht aus dem Konzept bringen. Am Ende: die Nationalhymne und ein Abgang durch die Räume des Finanzamtes.

 
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Unter den rund 1500 Menschen, die sich auf und vor dem Ehrenhof versammelt haben, fällt Silke Launert auf. Blonde Haare, rosa Kleid. "Gute Launert" ist auf vielen T-Shirts zu lesen. Es soll der Abend der CSU-Direktkandidatin werden, die sich diesen Werbespruch angeblich gut überlegt hat. "Weil es schon ein bisschen platt klingt, aber es trifft halt meisten auf mich zu."

Launert will Geld für Festspiele und Polizei

18.30 Uhr: Während Launert vom Haustürwahlkampf in Plech erzählt und davon, dass sie mehr Geld für die Sanierung des Festspielhauses und eine dritte Hundertschaft der Polizei für Bayreuth will, versuchen die Bayreuther, die wenigen Sitzplätze vor der Bühne zu ergattern. Aber Pech gehabt. Vor der Bühne sitzen darf nur, wen der Kreisverband der CSU im Vorfeld eingeladen hat. Etwa 400 Menschen finden hier Platz und weil nur 300 gekommen sind, bleiben die hinteren Reihen leer. Der Rest, mehr als tausend Leute, muss hinter einem Zaun stehen, etwa 50 Meter von der Bühne entfernt. "Wir können nichts dafür", erklärt Sebastian Machnitzke, der Geschäftsführer des Wahlkreises. "Das sind Vorgaben, die das Bundeskriminalamt macht."

Klassentreffen der CSU

Und so kommt es im Ehrenhof zum Klassentreffen der CSU. Bürgermeister und Altbürgermeister, Land-, Stadt-, Kreis- und Gemeinderäte sitzen da, dazwischen Verwaltungsmitarbeiter und Verbandsfunktionäre, während die Bayreuther auf der Maxstraße auf die Kanzlerin warten und sich bis an die gegenüberliegende Häuserfront drängen.

 

 

 

Unterdessen erzählt der frühere Innenminister und Bezirksvorsitzende, Hans-Peter Friedrich, davon, dass er Bayern noch sicherer machen will und als die Lichtenfelder Bundestagsabgeordnete ans Mikrofon tritt, läuten die Glocken der Schlosskirche. Kein Wort ist mehr zu verstehen, drei Minuten Pause.

Merkel nimmt ein Bad in der Menge

19.20 Uhr: Durch die Menschenmenge muss eine Schneise gebildet werden. Ein Sicherheitsbeamter erklärt, dass die Bundeskanzlerin nicht durch das Finanzamt, also von hinten, auf die Bühne tritt, sondern auf einem Bad in der Menge besteht. Sehr zum Unmut der Sicherheitsdienste, die jetzt nervös werden. Die Menschen drehen sich in Richtung Marktplatz um, gezückte Handys künden die Bundeskanzlerin an. Den Kopf des Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der die Kanzlerin begleitet, sieht man gleich. Merkel, die vor ihm läuft, nicht. Laute Musik, Applaus.

Buh-Rufe aus Reihen der AfD

Friedrich meldet: "Die CSU Oberfranken ist angetreten". Seehofer spricht davon, dass die Bayreuther eben sehr politikinteressiert seien und als der Ministerpräsident sagt, dass es Deutschland nach zwölf Jahren Merkel so gut gehe, wie nie zuvor, mischen sich erste Buh-Rufe unter den Applaus. Die AfD hatte zuvor noch am Sternplatz die zum Ehrenhof strömenden Bayreuther mit einem Infostand begrüßt und sich jetzt mit sieben Plakakten unters Volk gemischt. Die CSU spricht unterdessen von 4000 Gästen, die gekommen seien.

Bitte kein Neid

19.40 Uhr: Merkel spricht: Sie sei gekommen, um daran zu erinnern, worum es in exakt einen Monat gehe. Um die Antwort auf die Frage nämlich, welchen Parteien man am ehesten zustraue, dass sie das noch umsetzen, was noch nicht umgesetzt werden konnte. Merkel spricht von einer Welt im Umbruch und meint damit nicht nur Krisenherde in fernen Ländern, sondern auch Familien, an deren Essenstisch ein Whatsapp-Chat wichtiger sei als ein Gespräch zwischen Eltern und Kindern. Und die Bundeskanzlerin sagt, dass sie keine Neiddiskussion wolle. Dass man mittlere und niedrige Einkommen entlasten könne, ohne die Steuern für Besserverdienende zu erhöhen.

"Merkel muss weg!"

Immer wieder rufen die Anhänger der AfD dazwischen: "Merkel muss weg!" ist zu hören, "Weil du blöd bist!" und "Ohne dich!". Die Kanzlerin lässt sich davon nicht aus dem Konzept bringen, gerät nicht eine Sekunde ins Stocken, schenkt den Störern keine Aufmerksamkeit. Neben denen haben sich inzwischen Männer des Bundeskriminalamtes aufgebaut. "Die Stimmung hier ist nicht schlecht", sagt einer der Beamten. "Kaum Feindseligkeit." In Sachsen sei das viel schlimmer. "Da hast du ein gellendes Pfeifkonzert, die ganze Zeit." Nur einmal ganz kurz, so scheint es, verliert Merkel den Faden - als sie von Oberbayern statt Oberfranken spricht. Gellendes Pfeifkonzert. Aber wer will es ihr verübeln. Am Vormittag sei sie noch in Thüringen unterwegs gewesen, erzählt Merkel. Der Besuch in Bayreuth ist auch deshalb etwas Besonderes, weil es der erste von insgesamt neun Wahlkampfauftritten der Kanzlerin in Bayern ist.

Weitere Meinungsäußerungen, außer denen der AfD, gibt es kaum. Speichersdorfer sind gekommen und halten ein Transparent gegen den Bau einer Stromtrasse in den Himmel. Ein anderer schwenkt die Fahne für einen fairen Milchpreis.

Stehender Applaus und Nationalhymne

Nach genau 40 Minuten sagt Merkel: "Ich bitte sie ganz persönlich: Ich würde gerne weitere vier Jahre ihre Bundeskanzlerin sein." Jetzt brandet Applaus auf. Die wenigen Leute, die sitzen, stehen auf. Merkel tritt vor das Rednerpult, winkt - und Bayreuth winkt zurück. Gemeinsam wird die Nationalhymne gesungen, dann tritt die Bundeskanzlerin ab, wie es den Sicherheitsdiensten am liebsten ist: durch die Räume des Finanzamtes.

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