Trunk über TTIP: Vorteil "Made in Germany"

IHK-Präsident Heribert Trunk. Archivfoto: Andreas Harbach Foto: red

Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer exportieren 26 Unternehmen aus den Landkreisen Bayreuth und Kulmbach Waren in die USA. In ganz Oberfranken sind es 117 von insgesamt 49.000 IHK-Mitgliedsbetrieben. Das wären mit TTIP deutlich mehr, sagt IHK-Präsident Heribert Trunk im zweiten Teil der Kurier-Serie über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Im Interview verrät er außerdem, welche Vor- und Nachteile das Abkommen für die heimische Wirtschaft hätte.

 
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Herr Trunk, was überwiegt bei der IHK beim Blick auf TTIP: Zuversicht oder Angst?

Heribert Trunk: Aus der Sicht der Wirtschaft und der IHK überwiegen eindeutig die Chancen. Chancen deshalb, weil wir uns darüber klar sein müssen, dass in Europa 1950 rund 30 Prozent der Wertschöpfung in der Welt stattgefunden hat. Im Jahr 2050 werden es noch zehn Prozent sein. Wenn wir keine vernünftigen Allianzen finden, dann wird es schwierig für uns.

Zollschranken abbauen, einheitliche Produktionsstandards für Maschinen und Geräte – dagegen wird kaum jemand etwas haben. Aber geht TTIP an manchen Stellen nicht zu weit?

Trunk: Was für mich überhaupt nicht geht: Es darf keine Hinterzimmerverhandlungen geben, dass also im Zweifelsfall unsere Abgeordneten, die darüber zu bestimmen haben, selbst nicht wissen sollen, worum es geht. Das ist der falsche Weg in einem demokratischen System. Aus Sicht der IHK ist auch der Verbraucher- und Lebensmittelschutz nicht verhandelbar, weil da die Standards in Deutschland und Europa einfach um Längen höher sind, als in Amerika. Beim Verbraucherschutz darf die EU erstens nur das verhandeln, wozu sie von den Mitgliedsstaaten ein Mandat hat, und zweitens sieht dieses Mandat vor, dass Produkte, die unserem gesetzlich geregelten Verbraucherschutz nicht entsprechen, hier auch nicht verkauft werden dürfen. Durch TTIP wird es laut EU Mandat keine Absenkung von Standards geben, nur Anerkennung von verschiedenen Prüf- und Zertifizierungsverfahren, sofern dasselbe Schutzniveau erreicht wird. Das Thema Schiedsgerichte wird meines Erachtens zu hoch gehängt. Die haben übrigens wir Deutsche erfunden, und zwar mit Staaten, in denen es keine vernünftige Gerichtsbarkeit gibt. Unser Rechtssystem ist hoch entwickelt, das Rechtssystem in Nordamerika ist hoch entwickelt. Das sind die Punkte, in denen mir TTIP eher zu weit geht.

Was hält einen oberfränkischen Mittelständler davon ab, seine Produkte ohne TTIP in die USA zu verkaufen?

Trunk: Wir sind nicht, wie München, übersät mit großen Unternehmen. Wir leben vom Mittelstand in Oberfranken. Über 98 Prozent unserer 49.000 Mitgliedsbetriebe in der IHK Oberfranken haben weniger als zehn Beschäftigte. Für diese ist das Thema Zoll eine Wissenschaft für sich. Das hält natürlich die kleinen und mittleren Unternehmen ganz massiv ab, sich diesen Märkten zu öffnen, auf denen es Zölle gibt. Wehe, man macht bei Zöllen einen Fehler. Dann muss man nachzahlen und wird womöglich bestraft. Diese Wissenschaft für sich muss weg, damit jeder seine Waren exportieren kann.

Nach Angaben der IHK betreiben 117 oberfränkische Unternehmen Geschäfte mit den USA. 117 von 49.000. Wäre der Anteil mit TTIP höher?

Trunk: Es zeigt genau das, was ich sage: Für viele sind die Zollhemmschwellen einfach zu hoch, und Länder mit Zöllen werden links liegen gelassen. Die amerikanische Wirtschaft geht im Moment einen guten Gang. Da wäre es natürlich schön, wenn alles einfacher wäre mit TTIP.

Also würden mit TTIP mehr oberfränkische Unternehmen in die USA exportieren?

Trunk: Da bin ich sicher.

Freihandel ist keine Einbahnstraße. Sehen Sie auch Branchen bei uns, die durch Konkurrenz aus den USA unter Druck geraten könnten?

Trunk: In dem Moment, wo der Verbraucher oder der Einkäufer auf Qualität setzt, habe ich keine Sorge, dass uns amerikanische Produkte überschwemmen. Der Vorsprung von „Made in Germany“ ist immer noch da. Natürlich ist es heikel, dass Amerika deutlich niedrigere Energiekosten hat – insbesondere im Vergleich zu Deutschland. Stichwort Energiewende. Da muss die Politik aufpassen, dass wir konkurrenzfähig bleiben, sonst können die USA irgendwann die gleiche Qualität deutlich billiger produzieren.

Wo Kunden auf den Preis schauen und weniger auf die Qualität, da könnte die Konkurrenz aus den USA einschlagen?

Trunk: Da sind wir wieder bei dem Thema Verbraucherschutz und Nahrungsmittel. Wenn es nur über den Preis geht, ist das natürlich gefährlich. Da, wo der Verbraucher auf Qualität setzt, da mache ich mir keine Sorgen, wo die gute Ware herkommt. Da kommt sie aus heimischen Landen.

Gibt es Bereiche, in denen wir uns von den USA eine Scheibe abschneiden könnten? Man schaue sich nur mal den Verbraucherschutz im VW-Abgasskandal an. Da werden in den USA sehr hohe Entschädigungen für die Kunden genannt, die es in Deutschland wohl nie geben wird.

Trunk: Das würde ich differenzieren. Der Verbraucherschutz bei uns ist eigentlich unschlagbar. Bei uns muss nachgewiesen werden, dass etwas nicht schädlich ist, bevor es auf den Markt kommt. In den USA muss etwas erst passieren. Gerade im Lebensmittelbereich halte ich den Pseudo-Verbraucherschutz für fatal und unseren für sehr gut. Natürlich sind die rechtlichen Konsequenzen und die Haftung bei uns überschaubar. In den USA ist das eine ganz andere Welt, mit Schadensersatz in Millionenhöhe. Den Verbraucherschutz halte ich dennoch bei uns für besser.

Das Gespräch führte Moritz Kircher.

Teil 1 der Kurier-Serie über TTIP: Der Handelsexperte Prof. Bodo Herzog über das Freihandelsabkommen

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