Tourismus-Projekt "Johann" steckt fest

Von Stefan Linß
Silka und Peter Mitchell hoffen, dass ihr Johann bald Gesellschaft bekommt und weitere Figuren den Frankenwald im In- und Ausland berühmt machen. Fotos: Stefan Linß Foto: red

Die Schusswunde an Johanns Schulter ist fast ein bisschen symptomatisch. Ob es wirklich ein fehlgeleitetes Projektil war, das die Skulptur beschädigt hat, weiß niemand. Es könnte auch ein herabgestürzter Ast gewesen sein, sagt Peter Mitchell. Der Landschaftsarchitekt und seine Frau Silka, Diplom-Ingenieurin für Innenarchitektur, haben das Loch in ihrer Kunstfigur zugespachtelt. Johann sitzt am Dorfrand von Weißenbach weiter unbekümmert auf seiner Ruhebank. Auch wenn die riesenhafte Beton-Gestalt mit ihren klobigen Füßen etwas anderes vermuten lässt, steckt das ambitionierte Projekt noch immer in den Kinderschuhen.

 
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Vor knapp zwei Jahren hat Johann auf seinem Bänkchen neben dem Franzosenweg am Waldrand Platz genommen. Von dort reicht der Blick bei schönem Wetter bis zur Plassenburg. Mit einer Feier wurde die Figur enthüllt. Die Bevölkerung hat Johann offenbar von Anfang an in ihr Herz geschlossen. Nun weicht die anfängliche Euphorie, die in Wirsberg und im Landkreis Kulmbach zu spüren war, der Ernüchterung.

"Johann schlummert immer noch vor sich hin"

Eigentlich war Johann nicht nur für Weißenbach als Identifikationsfigur gedacht. Seine Strahlkraft sollte den Frankenwald und ganz Oberfranken erfassen und bekannt machen. "Unsere Idee ist, dass die Region international für Touristen attraktiv wird", sagt Silka Mitchell im Gespräch mit dem Kurier. Ihr Mann Peter stammt aus London und hat in seiner Heimatstadt Projekte verwirklicht, die ganze Stadtteile aufwerten und lebenswerter machen. Die beiden sind für ihre Arbeit mehrfach mit Preisen ausgezeichnet worden.

"Das Projekt Johann ist nicht so gelaufen, wie wir gedacht haben", sagt die Weißenbacherin. "Wir haben schon viel Zeit und Arbeit investiert. Aber der Johann schlummert immer noch vor sich hin."

Landkreisübergreifende Zusammenarbeit klappte nicht

Den Grund dafür kennt Klemens Angermann. Der Wirtschaftsförderer und Leader-Manager im Landkreis Kulmbach hatte sich bemüht, die Sache voranzutreiben. Leider habe sich gezeigt, dass einige Beteiligte ihre Bedenken hatten. "Johann war als Kooperationsprojekt gedacht", sagt Angermann und erklärt: "Wir haben keinen Projektträger gefunden."

Kulmbach stand am Ende mit der Idee alleine da. Eine landkreisübergreifende Zusammenarbeit klappte nicht. Dadurch sei es auch nicht möglich gewesen, die Leader-Förderung bei der Europäischen Union zu beantragen. Johann hätte durchaus ein großes Marketing-Instrument werden können, dass den Frankenwald über Deutschland hinaus bekannt macht, sagt Klemens Angermann. Aber es sei nichts anderes übrig geblieben, als das Projekt vorerst zurückzustellen.

Wer etwas wissen will, fragt Johann

Oben auf dem Berg in Weißenbach zeige Johann jeden Tag, welches Potenzial in ihm steckt, beobachtet Silka Mitchell. "Er posiert gern mit den Wanderern und Einheimischen und steht für gemeinsame Fotos zur Verfügung", sagt die Künstlerin. Oft setze sich jemand zu ihm auf die Bank. Im Winter wurde dem Riesen sogar ein Schal umgelegt, damit er nicht frieren muss.

Der Name "Johann" war in Weißenbach einst sehr geläufig. Der Bauernhof, auf dem das Ehepaar heute lebt, hatte im Jahr 1627 beispielsweise einen Vorbesitzer namens Johann Jungkunz. Er steht Pate für die Kunstfigur Johann, der ebenfalls ein einfacher Mann vom Lande sein soll. "Er dient als Vehikel und erzählt seine Geschichte", erklärt Peter Mitchell die Idee dahinter. Wer etwas über die Historie des Frankenwaldes, die Natur und Umwelt und die Menschen erfahren will, der fragt Johann.

Johann regt die Fantasie an

Es funktioniert interaktiv und setzt auf die Kreativität der Menschen. Sie sollten Geschichten über Johann verfassen. Alt und Jung könnten gemeinsam schreiben. "Ich habe dazu auch Kontakt zu Schulen aufgenommen", sagt Silka Mitchell. Denkbar wäre ein Wettbewerb für Schüler im kreativen Schreiben.

Die ersten Johann-Freunde haben ganz spontan schon Geschichten, Lieder und Gedichte verfasst. Wer eine Idee dafür hat, kann sie gerne weiterhin an Silka Mitchells E-Mail-Adresse silka@leepswood.de schicken. Johann regt die Fantasie an. Das war auch vor zwei Jahren bei der Einweihung zu sehen, als Bürgermeister Hermann Anselstetter statt einer Rede einen Sketch verfasst hatte und sich in Verkleidung zu Johann aufs Bänkla setzte.

Verborgene Schönheit des Naturparks

Nicht nur in der Gemeinde und im Landkreis, sondern auch von Unternehmen, die als Sponsoren Geld zuschießen sollten, war zu Beginn ein tolles Feedback da, sagt die Innenarchitektin. "Deshalb haben wir viele Wochen damit verbracht, die Idee auszuarbeiten." Auf den Wanderwegen im Frankenwald sollten im Laufe der Zeit überall Johann-Figuren zu finden sein. Es gehe darum, die Besucher aus Nah und Fern zu ermutigen, die verborgene Schönheit des Naturparks zu entdecken, erklärt Peter Mitchell.

Johann könne internationales Interesse an der Region wecken. Mitchells Kontakte ins Vereinigte Königreich seien möglicherweise hilfreich, um über Johann englische Touristen anzusprechen. Sie kommen bislang so gut wie gar nicht auf die Idee, ihren Urlaub in Oberfranken zu verbringen, stellt der Wahl-Wirsberger fest.

Kunst- und Skulpturenweg soll die Ortsteile verbinden

"Wir waren mit Feuereifer dabei", erinnert sich Silka Mitchell. "Wir wollten kleine Johann-Figuren erschaffen, die zusammen mit Kindern in den Urlaub um die ganze Welt reisen." Auch eine eigene Internetseite sollte entstehen. Dort wären die Geschichten des Johann für jedermann nachlesbar. Im Comic oder Cartoon sollte die Figur virtuell vom Ruhebänkchen aufstehen und zum Leben erweckt werden. Und alle touristischen Ziele könnten auf ihrer eigenen Website den Johann einbinden.

Nicht direkt eingebunden in das Johann-Projekt ist die Marktgemeinde. Die Wirsberger wollen unabhängig davon zusammen mit Silka und Peter Mitchell und deren Design-Studio Leepswood eine andere Idee verwirklichen. Der Kunst- und Skulpturenweg soll die Ortsteile verbinden und über eine hohe EU-Förderung finanziert werden. Für den ersten Konzeptentwurf hat der Gemeinderat zunächst 2500 Euro im Haushalt vorgesehen.

Die Chancen für den Skulpturenweg stehen derzeit besser als für Johann. Doch der Riese ist geduldig und sitzt die Probleme einfach aus. Als würde er nur darauf warten, dass seine große Zeit noch kommt.

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