Torball für Blinde und Sehbehinderte

Von Sophie Scholl
Bettina Waldisch, Gerd Schmidt und Kurier-Reporterin Sophie Scholl (von links) müssen sich beim Torball auf ihr Gehör verlassen. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Absolut dunkel, still, konzentriert. Dann das Aufschlagen eines Balls. Metallenes Rasseln. Irgendwo. Immer schneller und lauter rollt er auf einen zu. Rechts oder links? Schnell muss man sich entscheiden und wirft sich, wie ein Torwart, zur Seite. Torball ist ein Mannschaftssport für blinde und sehbehinderte Menschen. Die Spieler müssen sich voll und ganz auf ihr Gehör verlassen.

 
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Sobald man den Ball gepackt hat, schnell weiter. Aufstehen, zwei Schritte nach vorne tasten und dann, wie beim Bowlen, den Ball zum gegnerischen Team befördern. Ein Pfiff der Schiedsrichterin zeigt, dass der Ball am gegnerischen Team vorbei und über die Torlinie gerollt ist. Jubel in der Halle. Dann wieder Stille. Es geht weiter. Aufschlagen des Balls auf dem Boden, orientieren, sich nach dem Ball schmeißen. Wieder werfen. Nach zehn Minuten ertönen drei Pfiffe. Spielende.

Linien und Matten zur Orientierung

Was das ist? Blindentorball, ein Mannschaftssport für Blinde und Sehbehinderte. Damit es fair zugeht, trägt jeder Spieler eine Augenbinde, egal ob blind, sehbehindert oder sehend. Bei dem Sport ist also allein auf das Gehör Verlass – und so tappen besonders die Sehenden zu Anfang auf dem Spielfeld im Dunkeln.

Das Feld ist 16 mal sieben Meter groß, abgeklebt mit Tape und damit auch ertastbar. An den kurzen Seiten erstrecken sich die Tore der jeweiligen Mannschaft über die kompletten sieben Meter. Vor den Toren: Jeweils drei Matten. Diese dienen den drei Spielern jeder Mannschaft zur Orientierung. In der Mitte sind zusätzlich noch drei Leinen mit kleinen Glöckchen auf Kniehöhe gespannt. Diese gilt es mit dem Ball zu unterwerfen.

Schnell sein und lang machen

Und dann geht es los: Pfiff. Die Mannschaft Adler hat den Ball und setzt zum Wurf an. Das gegnerische Team, die Luchse, hält sich bereit. Wartet auf Geräusche der Adler. Dann schlägt der Ball auf den Boden auf und rollt auf das Tor der Luchse zu. Jetzt heißt es schnell sein und sich lang machen. Wie Torwarte schmeißen sich die knienden Luchse auf den Boden und versuchen den Weg zum Tor zu blockieren. Gehalten, ein neuer Wurf. Dann ein Klingeln. Eine der drei Leinen, die in der Mitte des Feldes gespannt sind, wurde berührt. Der Werfer der Luchse muss für den Wurf der Adler das Feld verlassen. Das ist die Chance das nächste Tor zu erzielen. Und tatsächlich. Tor. Wieder Jubel.

Doch nicht nur Jubel bei den Teams: Immer wieder schallt ein panisches „Oben!“ durch die Halle. Der Ball ist an den menschlichen Balustraden nach oben abgeprallt und über die Spieler hinweg Richtung Tor geflogen. Blind den Ball zu fangen, unmöglich für das Team Maulwürfe.

Der Ball: rasselnde Mischung aus Fuß- und Volleyball

Das Wichtigste beim Spiel: Konzentration. Nur das Gehör und eine Matte am Boden helfen den Spielern dabei, nicht die Orientierung auf dem Spielfeld zu verlieren. Und dann ist da aber noch der Ball selbst, eine Mischung aus Fußball und Volleyball, der einen Orientierungspunkt bietet. Durch Metallringe im Inneren gibt er ein gut hörbares metallenes Rasseln von sich.

Wie bei jedem anderen Sport auch, gibt es auch beim Torball eine Strategie. Das sagen die erfahrenen Spieler: Die richtigen Profis würden es schaffen, sich völlig geräuschlos zu bewegen und den Ball zu werfen, sagt Gerd Schmidt, Torballspieler seit 1986. „Einige Teams entscheiden nach der Körpergröße der Spieler, ob sich diese außen oder in der Mitte positionieren. Große Menschen haben natürlich einen Vorteil, sie bieten mehr Abwehrfläche und können sich wirklich lang machen und so die Torlinie besser schützen“, sagt Horst Zinnert, der zusammen mit seiner Frau Waltraud das Torballturnier organisiert. Beide veranstalten das jährliche Torballturnier schon seit mehreren Jahren. „Diesmal haben wir 18 Teilnehmer, davon sind acht Sehende“, sagt Waltraud Zimmer.

Ein Spiel mit Nutzwert für den Alltag

Eine von ihnen ist Bettina Waldsich. Die 43-Jährige aus Bayreuth spielt das erste Mal Torball. „Ich will mal was Neues ausprobieren. Und es ist richtig anstrengend für den Kopf: es geht vor allem an die Konzentration – manchmal hat mich sogar mein eigenes Atmen abgelenkt“, sagt Waldsich.

Den blinden Spielern hilft der Sport, sich im Alltag besser zurecht zu finden: „Er trainiert nicht nur die Muskeln, sondern auch die Orientierung, Koordination und Reaktionsfähigkeit. Das kann man im Alltag immer gut gebrauchen“, sagt Gerd Schmidt. Neben dem sportlichen Aspekt stehe aber auch die Gemeinschaft im Vordergrund. „Beim Torball sind alle gleich“, sagt Waltraud Zinnert.

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