Feulersdorf: Erste Ernte läuft im neuen Riesen-Gewächshaus Tonnenweise Gemüse aus der Region

Von Christina Holzinger

Gemüse, so weit das Auge reicht: Über 35.000 Gurken- und 40.000 Tomatenpflanzen stehen in dem kleineren der beiden Gewächshäuser von Stefan Scherzer. Gemeinsam mit seinem Cousin Fritz Boß will er auf dem 25 Hektar großen Grundstück das ganze Jahr über Tomaten, Paprika und Gurken anbauen. Im November wurde geplanzt, die ersten Ernten haben bereits begonnen.

 
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Trotz nasskaltem Januarwetter ist es in dem Gurkengewächshaus molligwarm. 35.000 Pflanzen stehen in Reih und Glied in dem ein Hektar großen Gewächshaus. Sie ranken entlang der zur Decke gespannten Schnüre den 1200 Lampen entgegen, die sie Tag und Nacht mit Licht versorgen. Pro Woche wachsen die Pflanzen bis zu 30 Zentimeter, deshalb gibt es ein simples jedoch effektives System: Zwei Mal wöchentlich werden die Schnüre, an denen jede einzelne Pflanze an einem Querstreben in einigen Metern Höhe befestigt ist, etwa 20 Zentimeter in Richtung des hinteren Endes des Gewächshauses geschoben. So hat die Pflanze mehr Platz, um zu wachsen. Und das ist auch wichtig: Immerhin werden die Minigurkenpflanzen im ausgewachsenen Zustand bis zu 15 Meter lang.

15 Tonnen Gurken und 10 Tonnen Tomaten

Stolz geht der 31-jährige Stefan Scherzer die Reihen mit Gurkenpflanzen entlang. Mit geübtem Blick greift er ein paar Mal zwischen die Ranken nach den hundert Gramm schweren Minigurken. „Die hier hat nur etwa 95 Gramm“, sagt er und deutet auf eine der Gurken vor sich. Andere jedoch sind schon schwer genug, um geerntet werden zu können. In eine der Gurken beißt er genüsslich, die restlichen legt er in eine der grünen Plastikkisten, die einige Schritte entfernt stehen. So gemächlich geht es während der Erntezeit im Boß-Scherzer’schen Gewächshaus nicht zu: schließlich werden dort pro Woche 15 Tonnen Minigurken und zehn Tonnen Cocktailtomaten geerntet. Jeden zweiten Tag stehen dafür 20 Mitarbeiter zwischen den Pflanzenreihen und ernten ganz ohne Maschineneinsatz jede Tomate und jede Gurke mit ihren Händen. Verkauft werden diese im Lebensmittelhandel oder im eigenen Onlineshop. Seit dem vergangenen Jahr ist auch beim Gemüse die Digitalisierung angekommen.

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Einige Meter weiter im Tomatengewächshaus ist es merklich kühler. In den ersten fünf Reihen stehen Strauchtomaten – mit denen ist Scherzer „noch nicht ganz zufrieden“. Daneben mehrere Reihen an Cocktailtomaten, die haben schon deutlich mehr reife Früchte. Vergangenes Jahr wurden die Tomaten im November gepflanzt, dieses Jahr soll es zwei Monate früher passieren, um schon Anfang Dezember ernten zu können.

Auch Scherzer muss mit Trends standhalten

Tomaten im Dezember? So wirklich überzeugt ist Scherzer davon selbst nicht, aber er fügt sich der Nachfrage der Kunden. Die Menschen würden heute kein traditionelles Wintergemüse wie Chinakohl oder Wirsing essen – „dafür müssen es an Weihnachten aber Erdbeeren sein“, sagt er mit einem Kopfschütteln. Das stellt ihn vor ein großes Problem: Seiner Aussage nach kostet der Strom in Deutschland deutlich mehr als im Ausland, weshalb er seine Produkte nicht so günstig vermarkten kann wie die niederländischen und spanischen Mitbewerber. Jedoch würden sich immer mehr Kunden für regionale Lebensmittel interessieren, weshalb Scherzer nach eigener Aussage schon einige ausländische Mitbewerbe aus den Supermarktregalen verdrängen konnte.

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Alles in dem Gewächshaus funktioniert nach einem ausgeklügeltem System, nichts ist dem Zufall überlassen: Den Strom, der für die tausenden Lampen gebraucht wird, produziert der Gemüsebauer mit einem Blockheizkraft selbst. Mit der dabei entstehenden Hitze erwärmt er Wasser, das er über Rohre in die Gewächshäuser leitet. Diese heizen nicht nur die Wände des Gewächshauses, sondern auch zwischen den Pflanzenreihen. Das Wasser, mit dem die Pflanzen gegossen werden, ist Regenwasser, das in zwei Auffangbecken gespeichert wird. Tröpfchenweise werden die Gurken und Tomaten gegossen, überschüssiges Wasser wird gereinigt und beim nächsten Gießen verwendet. Selbst Kohlenstoffdioxid, das die Blockheizkraftwerke produziert, wird in die Gewächshäuser geleitet, damit die Pflanzen es zu Sauerstoff umwandeln können:

Um 14 Uhr gehen die Hummeln schlafen

Bestaubt werden die Pflanzen von Hummeln, die in mehreren großen Metallkästen an der Decke leben. Von 9 bis 14 Uhr haben die Bestäuber Ausgang und dürfen nach Herzenslust zwischen den Pflanzen  herumfliegen. Danach schließen sich die Türen des Hummelhotels. Der Grund: Nach Scherzers Aussage brauchen die Insekten Sonnenlicht, um sich orientieren zu können. Für den Kampf gegen Schädlinge hängen den Pflanzen kleine Beutel mit Raubmilben, Schlupfwespen und Raubwanzen, die beispielsweise Fliegen bekämpfen.

Gewächshäuser in ganz Franken

Dass jeder Handgriff in dem Gewächshaus sitzt, kommt nicht von ungefähr: Scherzer und Boß sind eigentlich Gemüsebauern aus dem Knoblauchsland. In Nürnberg bauen sie Auberginen und Peperoni an. In Dinkelsbühl auf zehn Hektar Tomaten. Und nun seit November auch in Oberfranken. Für den Standort Feulersdorf sprach nach Scherzers Aussage vor allem die kooperationsbereite Gemeinde, die sie mit offenen Armen willkommen hieß, und die zusammenhängende Fläche von 25 Hektar, die man „so im Knoblauchsland nicht kriegt“. Und auch das Wetter war eine große Entscheidungshilfe: So sei es in Feulersdorf durchschnittlich zwei Grad Celsius kälter, was gerade im Sommer weniger Stress für die Pflanzen bedeute. Auch wenn die Baumaßnahmen durch den vielen Regen und den Felsen im Boden erschwert wurden, konnten Anfang November die Gurken und Tomaten gepflanzt werden. In den kommenden Wochen sollen noch einige Tausend Paprikapflanzen und Rispentomaten folgen.

Ein Ende ist in Sicht

Noch gleicht das Grundstück um die Gewächshäuser einer großen Baustelle: Die Wohnhäuser für die Mitarbeiter sind noch nicht fertig, die Wege und Straßen müssen noch angelegt werden. „Es ist noch viel zu tun“, sagt Scherzer, immerhin lag sein Fokus erst einmal darauf, möglichst schnell ernten zu können. Im nächsten Jahr möchte Scherzer rund ums Jahr Gemüse in dem Gewächshaus anbauen, um so die hohe Nachfrage stillen zu können. Sobald die Bauarbeiten rund um die Gewächshäuser fertig sind, soll das Gemüse auch in Feulersdorf verpackt werden. So spart man sich die langen Umwege ins Knoblauchsland.

 

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