Toll, das Reinheitsgebot, aber...

Von Kerstin Fritzsche
 Foto: red

In diesem Jahr feiern wir 500 Jahre Reinheitsgebot. Für manche ist das allerdings nur bedingt oder gar kein Grund zu feiern. Was regionale Bier-Experten und Brauer dazu sagen. Und dafür tun, dass das Reinheitsgebot zwar nicht angeschafft, aber sinnvoll gelockert oder ergänzt wird.

 
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Das steht drin:

 

Jeff Maisel, Chef der Brauerei Maisel in Bayreuth und mit dem Subunternehmen Maisel & Friends auch Craftbier-Brauer, hat am Donnerstag auf Facebook ein Statement veröffentlicht. Unter dem Titel "Wir sind pro Reinheitsgebot, aber..." schreibt er: "Seit 500 Jahren ist das Reinheitsgebot Garant für die außerordentliche Qualität deutscher Biere, und die Verbraucher verlassen sich zurecht darauf. Wir halten das Reinheitsgebot daher für unbedingt schützenswert! Seit Generationen beweisen deutsche Brauer, dass sich mit nur vier Zutaten vielfältige, geschmackvolle und außergewöhnliche Biere brauen lassen.

Allerdings sind für einige traditionelle, internationale Bierstile und moderne Rezepturen Zutaten wie beispielsweise Koriander und Orangenschalen erforderlich, die aufgrund des besonders strengen Reinheitsgebotes in Bayern nicht verwendet werden dürfen. Dass Bierliebhaber solche Spezialitäten genießen und bayerische Brauer diese kreieren möchten, verstehen wir voll und ganz – auch wir würden das gerne tun. Zuvor muss allerdings gewährleistet sein, dass auch diese Spezialitäten einer rechtsverbindlichen Grundlage bzw. einem „Reinheitskodex“ unterliegen, damit ausschließlich reine, natürliche Zutaten verwendet werden. Ohne eine solche Regelung kann nicht verhindert werden, dass auch künstliche Aromen, Enzyme oder Konservierungsstoffe ihren Weg ins Getränk finden – diese haben unserer Meinung nach darin nichts verloren.

Wir haben die Initiative ergriffen und eine Arbeitsgruppe mit Brauerkollegen, Verbänden und Behörden gegründet. Unser gemeinsames Ziel ist, das Bayerische Reinheitsgebot zu bewahren. Gleichzeitig möchten wir einen verbindlichen Rahmen für die Bierstile schaffen, zu deren Herstellung vom bayerischen Reinheitsgebot nicht zugelassene, natürliche Zutaten unerlässlich sind."

Contra Brauer-Bund?

Das Statement hat innerhalb von nicht mal einer Stunde über 100 Likes bekommen und wurde drei Mal geteilt. Viele freuen sich über die Initiative. Aber sie wird auch kritisch betrachtet - wegen einer Personalie. Denn Jeff Maisel sitzt im Beirat des Bayerischen Brauer-Bundes. Der sich klar pro Reinheitsgebot ohne Aufweichungen ausgesprochen hat. Und da wurde der Beschluss einstimmig gefasst - was jetzt einen gewissen Widerspruch ergibt. Beim Brauer-Bund heißt es:

"Nach Auffassung des Bayerischen Brauerbundes und gestützt auf einschlägige Kommentare zum Lebensmittelrecht diente die Sonderregelung für 'besondere Biere' außerhalb Bayerns dem Schutz solcher Erzeugnisse, die sich zum Zeitpunkt der Ausweitung des Geltungsbereiches des Reinheitsgebotes von Bayern auf das gesamte übrige damalige Reichsgebiet auf eine gewisse Tradition berufen konnten und deren Herstellung nach (damals) neuem Recht nicht mehr zulässig gewesen wäre (z.B.Braunschweiger Mumme, Leipziger Gose usw.). Pumpernickel-Porter, Chrysanthemenbier, Fruchtbiere, aber auch das sich auf ein belgisches Vorbild berufende „Witbier“ können sich auf eine solche Tradition in Deutschland kaum stützen."

Der Beirat des Bayerischen Brauerbundes als dessen höchstes beschlussfassendes Organ habe daher beschlossen, sich "dafür einzusetzen, dass das (engere) Bayerische Reinheitsgebot erhalten und die Herstellung sog. „besonderer“, also vom Reinheitsgebot abweichender Biere in Bayern auch weiterhin unzulässig bleibt; entschieden, die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder aufzufordern,  sich verbindlich und bundeseinheitlich darauf zu verständigen, welche Produkte als „besondere Biere“ überhaupt genehmigungsfähig sind. Ziel ist dabei eine Beschränkung auf solche Biere, die nachweislich auf eine deutsche Brautradition vor 1906 verweisen können; sich dagegen ausgesprochen, durch die Verwendung anderer Bezeichnungen für Produkte, bei denen es sich augenscheinlich um Bier handelt, einer beliebigen  Umgehung des Reinheitsgebotes Tür und Tor zu öffnen. Alle Beschlüsse wur den einstimmig ohne Enthaltungen angenommen."

Das eine tun, und das andere nicht lassen

Auf Nachfrage des Kurier möchte Jeff Maisel über die "lange vorbereitete" schriftliche Stellungnahme auf Facebook hinaus nichts weiter sagen. "Weil das auch mit einem kurzen Zitat nicht erledigt wäre". Das Thema sei einfach zu komplex. Allerdings sagt er: "Es wird am 5. März im Rahmen der Veranstaltung ,Bockbier meets Craftbeer' eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde geben, die sich mit dem Thema befassen wird. Denn ich bin überzeugt, dass hier ganz einfach Handlungsbedarf besteht." Auf dem Podium, das im dann frisch eröffneten "Liebesbier" oder in der Alten Abfüllerei stehen wird, werden nach Maisels Worten Brauer sitzen, die klassisch brauen, und Brauer, die experimentieren. Die damit auch an die Grenzen stoßen, wie zum Beispiel Sebastian Priller-Riegel, Biersommelier-Weltmeister, der seinem Bier Dulcius 12 Honig zusetzt und damit gegen das Reinheitsgebot verstößt. Eingeladen ist auch ein Vertreter von Camba Bavaria, der ehemaligen Versuchsbrauerei des Sudhaus-Herstellers BraoKon aus Truchtlaching am Chiemsee, die Im Herbst bundesweit in den Schlagzeilen war, weil ihr Milk Stout wegen der gegen das Reinheitsgebot verstoßenden Zusätze nicht mehr als Bier vertrieben werden darf (die ganze Geschichte zum Nachlesen hier). Auch Oliver Wesseloh, Gründer der Hamburger Craftbeer-Brauerei Kehrwieder, 2013 Weltmeister-Biersommelier, soll auf dem Podium sitzen.

Maisel sagt: "Ich sehe, dass wir das Reinheitsgebot schützen müssen. Aber das geht nur, wenn wir uns mit der Situation am Markt beschäftigten." Es gebe eben nicht nur die handwerklich gebrauten Biere wie die, die in Oberfranken und in Bayern hergestellt werden. "Alles, was wir machen, ist nach dem Reinheitsgebot gebraut", sagt Maisel. Es gebe die anderen Produkte aber auch, die von den Konsumenten als interessant angesehen werden. "Und damit müssen wir uns auseinander setzen." 500 Jahre Reinheitsgebot seien "eine schöne Sache", aber auch eine, über die man reden müsse.  

"Kippen wäre auch schlecht"

Ähnlich wie Maisel denkt auch David Hertl. Der 25-Jährige betreibt in Schlüsselfeld seit etwas mehr als einem Jahr unter dem Namen "Hertl" Frankens kleinste Brauerei, die mit Kreativbieren und hier speziell mit Wein-Bier-Hybriden experimentiert. Außerdem ist er der bierige Kopf hinter dem jungen Bamberger Unternehmen, das die Brauerei St. Erhard und unter dem Namen "Bierothek" drei Craftbier-Shops in Bamberg, Erlangen und Nürnberg betreibt. "Ich gehe davon aus, dass es früher oder später eh abgeschafft wird, denn im europäischen Wettbewerb schränkt es die Brauer einfach ein und ist nicht gerecht", sagte er bereits im Herbst 2015 dem Kurier. "Das Reinheitsgebot sei schon immer eher ein Steuergesetz und ein 'Rettet den Weizen zum Brotbacken'-Gesetz gewesen. "Und dann hat die Regierung das instrumentalisiert. Damit wurde das Monopol auf Weizenbier gesichert und sehr gut Geld verdient. Schon 1516 ging es zu 90 Prozent um die Besteuerung, nicht um die Inhaltsstoffe von Bier Damit man den Wirt bestrafen konnte, wenn er keine Abgaben leistet.

Wenn das Reinheitsgebot jetzt aber komplett gekippt wird, dann wäre das schlecht für beide Seiten, denn dann sind auch Chemie-Zusätze erlaubt. Beide Seiten, die Industriebrauer und die kleinen Brauer, müssten sich einigen. Wie in Österreich, das ist mein Parade-Beispiel. Da dürfen in den Bieren nur die vier Grund-Inhaltsstoffe drin sein. Also es gibt für den breiten Markt weiterhin ein Reinheitsgebot. Aber dann gibt es auch die Kreativbiere. Da darf alles drin sein, aber es muss natürlichen Ursprungs sein. So weiß der Konsument, was er kriegt, und der Brauer kann es entsprechend anders vermarkten. So eine Lösung würde ich mir für Deutschland auch wünschen."

Anlässlich des Stärke-Antrinkens auf dem Herzogkeller am Dreikönigstag sagte Markus Raupach, Bier-Sommelier an der Bierakademie Bamberg:

 

"Kirschen müssen nicht rein"

Anders denkt die bayerische Bier-Königin und Hobby-Brauerin Marlene Speck. Den Craftbier-Boom und die Diskussion ums "neue alte Bier" findet sie gut. Nicht gut findet Speck aber, wenn das Reinheitsgebot aufgeweicht würde. "Wir haben 200 Hopfen-Sorten und viele Möglichkeiten, mit den vier Zutaten zu experimentieren und variieren. Das langt doch. Da muss ich keine Kirsche neiwerfen. Das kann man ruhig den Belgiern überlassen, die haben da auch Erfahrung mit."

 

Mithilfe: Eric Waha

 

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