Sex, Macht, Geld: Warum ein Verfahren um Serienvergewaltigung in Bayreuth das Zeug zur Schlammschlacht hat Tochter bezichtigt Vater der Serienvergewaltigung

Von Manfred Scherer
Staranwalt in Bayreuth: Johann Schwenn, Rechtsanwalt des früheren VW-Betriebsratschefs Volkert und des Wettermoderators Jörg Kachelmann verteidigt in Bayreuth einen wegen vielfacher Vergwaltigung angeklagten Mann. Archivfoto: Peter Steffen/ dpa Foto: red

Es wäre ein Bericht aus der Hölle, wenn es stimmt, was eine 47-jährige Frau am Dienstag im Landgericht Bayreuth bezeugt hat. Sie bezichtigt ihren 71-jährigen Vater, sie vielfach missbraucht und vergewaltigt zu haben. Warum der Fall, in dem es um Sex, Macht und viel Geld geht, das Zeug zur Schlammschlacht hat.

 
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Das sind die Anklagevorwürfe: Die Staatsanwaltschaft wirft dem 71-Jährigen 23 Fälle der Vergewaltigung an seiner Tochter vor. Dazu sexuellen Missbrauch seiner zwei Enkelinnen und einer Freundin der Kinder. Viertes Opfer soll die Ex-Ehefrau des Mannes sein.

Das ist der Angeklagte: Der 71-Jährige stammt aus Westdeutschland. Er ist Inhaber zweier erfolgreicher Firmen. Eine der Firmen befindet sich in Oberfranken, hat rund 200 Mitarbeiter. Zu der Anklage, für deren Verlesung Staatsanwalt Daniel Götz am Montag 35 Minuten braucht, sagt der 71-Jährige: „Ich äußere mich nicht dazu.“

Das ist sein Verteidiger: Man darf Johann Schwenn getrost Staranwalt nennen. Der Jurist aus Hamburg hat in einem spektakulären Vergewaltigungsverfahren den Wettermoderator Jörg Kachelmann verteidigt und einen Freispruch erwirkt. Schwenn ist Spezialist für Sexualprozesse. Er soll über Vergewaltigungsprozesse einmal gesagt haben: „Bei keinem anderen Straftatbestand ist die Bereitschaft zum Vorurteil so groß, die Unschuldsvermutung so unpopulär.“ Im vorliegenden Fall deutet Schwenn sogleich seine Strategie an: Er rügt die Staatsanwaltschaft, die der Verteidigung Akten vorenthalte. Darin geht es laut Schwenn um Anzeigen, die die Hauptzeugin der Anklage gegen ihren Ehemann erstattet haben soll. Laut Schwenn wirft sie ihm darin Vergewaltigung vor und einen  Tötungsversuch an einem ihrer Kinder. Schwenn betont: „Die Anklage in diesem Fall ist subjektiv.“ Der Verdacht gegen seinen Mandanten fuße auf „Belastungen“ der Tochter.

Das sagt die Hauptzeugin: Schon als Kind sei sie von ihrem Vater begrapscht worden, habe sie mit ihm duschen müssen, habe er sie eingecremt. Nach der Scheidung ihrer Eltern habe der Vater begonnen, sie sexuell zu missbrauchen. Da sei sie 13 gewesen.

Über Jahre hinweg habe der Vater Macht über sie gehabt, auch weil er finanziell so stark sei. Aber auch körperlich. „Ich hatte keine Chance zur Gegenwehr“, erklärt die Zeugin mehrfach, warum sie den teilweise überfallartigen Vergewaltigungen durch ihren Vater nicht ausweichen konnte. Sie berichtet üble, teils brutale Details. Manchmal weint und schluchzt sie.

Sie schont sich selbst nicht. Räumt ein, dass sie sich durch Geld dazu hat bewegen lassen, doch nicht zur Polizei zu gehen. Räumt ein, dass sie trotz jahrelangen Missbrauchs mit dem Vater  mehrfach in Familienurlaub fuhr. Dass sie mit ihrem Mann vor Gericht um viel Geld streitet – erst am Montag war ein Termin bei einer Zivilkammer des Landgerichts. Sie beschuldigt ihren Ehemann, die Übergriffe des Angeklagten geduldet zu haben. Ihr Ehemann, Chef der oberfränkischen Firma des Angeklagten, habe sich sein Stillschweigen erkaufen lassen.

Die Zeugin berichtet aber auch, wie sie etwa im September 2010 begann, darüber nachzudenken, ihren Vater doch anzuzeigen: Sie habe mitbekommen, wie er sich an ihre Töchter heranmachte. Ihre jüngste Tochter, damals 14, habe einen heftigen Annäherungsversuch des Opas mit den Worten „wenn du mich noch mal anfasst, zeig’ ich dich an“ gekontert. Im Oktober 2011 will die Hauptzeugin eine besonders erniedrigende Vergewaltigung durch ihren Vater erlitten haben. Sie begab sich in therapeutische Hilfe, es kam in Folge zur Anzeige.

Das ist das Gericht: Den Prozess führt Michael Eckstein, der Vizepräsident des Landgerichts. Er hat zwei Laienrichter und drei Berufsrichter zur Seite. Einer dient als Ergänzungsrichter. Der Gerichtsvorsitzende hat große Erfahrung. Er hat den Wiederaufnahmeprozess im Fall Peggy geleitet. Bei manch anderen Prozessen oder Tatbeständen ist er schon einmal zu Späßen aufgelegt. Hier nicht. Man darf gespannt sein, wie der Vorsitzende reagiert, wenn Verteidiger Schwenn die Hauptzeugin heute zu sehr ins Kreuzverhör nimmt.

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