Die Satzung der Richard-Wagner-Stiftung, die Geschäftsordnung der Bayreuther Festspiele GmbH, der Mietvertrag zwischen Stiftung und BF GmbH – selbst viele Juristen blicken inzwischen nicht mehr durch.
Als die Bayreuther Festspiele zum ersten Mal Probleme mit ihrem Fundament hatten, gab es sie noch gar nicht. Das Festspielhaus war eine Baustelle, da senkte sich der Zuschauerraum – die Stützpfeiler waren abgesackt, die Arbeiter hatten sie buchstäblich in den Sand gesetzt. Ob aus Mangel an Zeit, Geld oder Sachverstand, oder sogar mutwillig: Gemerkt hat man’s erst, als es zu spät war. Aktuell haben die Festspiele ganz ähnliche Probleme. Wieder ist es das Fundament, keine Pfeiler diesmal, sondern Satzungen und Verträge: der juristische Unterbau.
Die Satzung der Richard-Wagner-Stiftung, die Geschäftsordnung der Bayreuther Festspiele GmbH, der Mietvertrag zwischen Stiftung und BF GmbH – selbst viele Juristen blicken inzwischen nicht mehr durch.
Es ist nicht einmal sicher, ob das Fundament stabil genug war, um die Festspiele bisher überhaupt tragen zu können. Die einen glaubten daran, dass es schon stabil genug sei, andere beharrten darauf, es werde schon halten. Und es hielt ja auch. Solange niemand daran rüttelte.
Jetzt versammelten sich Angehörige des Richard-Wagner-Stiftungsrats im Rathaus, um die Verträge zu prüfen und nachzubessern. Die Sitzung war streng geheim; wenn es aber stimmt, was man hört, dann war die Sitzung eine einzige große Enttäuschung. Es bröselt und bröckelt nämlich schlimmer als an der Fassade des Festspielhauses. Was jetzt zu tun ist, wo man am besten anfängt: darüber herrschte im Rathaus Ratlosigkeit.
Dass das so ist, hängt auch mit einer Bayreuther Eigenheit zusammen: So etwas wie diese Festspiele gibt es kein zweites Mal. Ihre Einmaligkeit ist immer ihr großer Vorteil gewesen. Im Moment wird sie – im Hinblick auf die rechtlichen Fragen – ein immer größer werdender Nachteil. Es gibt nichts, woran sich die Gremien orientieren könnten, keine Präzedenzfälle, nichts Vergleichbares. Die Bayreuther Festspiele sind nicht die Bayerische Staatsoper, die Richard-Wagner-Stiftung ist nicht die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Bayreuth war immer – und ist auch diesmal wieder – ein Sonderfall, die große, eigentlich unmögliche Ausnahme.
Nur: Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr einfach so weiterlaufen kann. Das Richard-Wagner- Museum wird gerade für 17,9 Millionen Euro erweitert, eines Tages wird es eröffnen müssen, nur: Es ist nicht klar, wie der Museumsbetrieb finanziert werden kann (man weiß noch nicht einmal, wie teuer es werden wird). Träger des Museums ist die Stiftung, die allein damit überfordert wäre; in der Stiftungssatzung ist das Museum aber mit keinem Wort erwähnt, weil es damals, 1973, noch kein Museum gab. Zugleich muss das Festspielhaus saniert werden. Ob es dazu kommt, hängt von der Entscheidung der bayerischen Stiftungsaufsicht über den Mietvertrag ab. Wie das Urteil ausfällt, und was passiert, wenn der Mietvertrag platzt: Das weiß, auch in den Gremien, niemand.
Was die Lage aber so ungut und undurchschaubar macht, ist ein anderer Punkt: Fast alle Fragen nach Strukturen und Notwendigkeiten sind verquickt mit der Frage nach der Eignung von Personen, auch wenn das eine mit dem anderen nichts zu tun haben dürfte. Hier, genau hier, steckt die wirkliche Gefahr für Bayreuth.
Im Moment sieht es so aus: Wer die Festspielhaussanierung nicht gefährden will, muss – über Umwege – einverstanden sein, dass Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier über 2015 hinaus Festspielleiterinnen bleiben. Wer Zweifel an der Kompetenz der beiden hat, spricht sich dafür aus, die 30 Millionen Euro für die Sanierung verfallen zu lassen. Wem an einem funktionsfähigen Richard-Wagner-Museum gelegen ist, muss in der aktuellen Situation den Mietvertrag über das Festspielhaus anzweifeln. Man kann nicht über eine Baustelle reden, ohne automatisch alle anderen mitzumeinen.
All diese Themen sind aber schon einzeln so wichtig für die Zukunft Bayreuths, dass nichts verkehrter ist, als sie gegeneinander auszuspielen.