Thema Mollath: Ein Fall und seine Opfer

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Kein Held, kein Strahlemann, eher eine unglückliche und tragische Figur: Gustl Mollath ist entzaubert. Die Wiederaufnahme seines Prozesses hat gründlich aufgeräumt mit dem Mythos des Unschuldigen, Unbeugsamen und Unbequemen.

 
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Sein jahrelanger Kampf hat ihm zwar seine Freiheit gebracht, aber der Fall Mollath lässt viele Opfer zurück. Als erstes die Psychiatrie, die zu Unrecht pauschal in ihrem Ruf geschädigt worden ist. Sie hatte leider keine Chance auf Rehabilitation. Denn nicht in den Prozess und in die Urteilsfindung eingeflossen ist die Zeit, die Mollath in der Psychiatrie untergebracht war. Und damit fehlen die Details, mit denen seine Ärzte ihre Diagnose einer Wahnkrankheit jahrelang untermauert hatten.

Opfer ist auch die Justiz, der ebenso pauschal unterstellt wurde, sich mit den Mächtigen und Wichtigen gegen einen Unliebsamen zu verbünden. Aber der Prozess hat gezeigt, dass kein völlig unschuldiger Mensch ohne irgend ein Symptom mir nichts dir nichts hinter den Mauern der Psychiatrie verschwinden kann, nur weil er nicht ins System passt.

Opfer ist auch Mollaths Ex-Frau, die ohne Beweise, mit bloßen Behauptungen in der Öffentlichkeit als kaltblütige Hexe und Schwarzgeldverschieberin diffamiert wurde, die ihren Mann hinter Gitter bringen wollte. Aber der Prozess hat gezeigt, wie weit weg diese Vorwürfe von der Wirklichkeit waren. Sie sind sogar absurd.

Mollath Webreportage

Gelitten hat auch die Meinungsfreiheit. Wer anders über den Fall dachte und schrieb, sah sich einer Flut von Beleidigungen ausgesetzt. Der Chor der Verschwörungstheoretiker brüllte die verhältnismäßig wenigen, leisen Stimmen der Vernunft nieder. Aber der Prozess hat gezeigt: Was an Negativem über Mollaths Gewalttätigkeit, seine geschäftliche Pleite und sein starrsinniges Verhalten ans Licht kam, entsprach der Wahrheit.

Opfer ist aber auch er selbst: ein Ermittlungsergebnis ohne punktgenauen Nachweis seiner Täterschaft bei den Reifenstechereien und eine vorschnelle Einstufung als gemeingefährlich haben ihn in die Psychiatrie gebracht. Sein Starrsinn hat es ihm darüber hinaus unmöglich gemacht, aus dem zum großen Teil selbst verschuldeten Elend herauszukommen. Denn auch das hat der Prozess gezeigt: Alle Türen, die ihm geöffnet wurden, um der Psychiatrie zu entgehen oder ihr schnellstmöglich zu entkommen, schlug er als selbsternannter Märtyrer zu.

Opfer sind überhaupt sehr viele an diesem Fall beteiligt. Sie und oft auch deren Familien wurden beschimpft, ihr Ruf wurde beschädigt und nicht selten wurden sie, wie im Fall von Bayreuther Juristen und Psychiatern, sogar bedroht. Hier hat der Prozess gezeigt, dass jeder einfach seine Arbeit gemacht hat und dabei Fehler passiert sind. Keiner aber war absichtlich gegen Mollath vorgegangen.

Jetzt aber haben er und seine Unterstützer das, was sie immer gefordert haben: Gerechtigkeit und Freiheit für Gustl Mollath.


otto.lapp@kurier.tmt.de

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