Thema Bahn: Und der nächste Quantensprung?

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Am morgigen Sonntag gilt nicht nur ein neuer Fahrplan der Bahnen, es gilt auch, Abschied zu nehmen von einem guten alten Freund. Einem Schienenfreund.

 
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Der Pendolino ist nicht mehr, ausgemustert, Alteisen. Mit 22 Jahren. Nicht mehr wettbewerbsfähig, kaum noch Ersatzteile. Ein Fahrzeug, das bei seiner Einführung 1992 Eisenbahngeschichte schrieb – und das in Oberfranken. Ein Quantensprung, der letzte große Wurf der Bundesbahn. Fast 100 Millionen Kilometer legten die 20 Fahrzeuge der Baureihe 610 in dieser Zeit zurück, 127-mal die Strecke von der Erde zum Mond und wieder zurück. Bayreuth liebte seinen Pendolino, es gab einen eigenen Pendolino-Parkplatz, es gab einen Pendolino-Poststempel. „Mit Takt und Tempo“ war das Motto, und: „Bayreuth-Nürnberg. Jede Stunde – in 59 Minuten.“ Ein Erfolgsrezept neben der phänomenalen Fahrgeschwindigkeit: ein eiserner Taktplan, und das an sieben Tagen in der Woche. Reisende wussten auch ohne Blick in den Fahrplan: Zur Minute x, da geht mein Pendolino.

Davon kann ab morgen, 22 Jahre und eine Bahnreform später, keine Rede mehr sein. Es fahren zwar mehr Züge, aber die auch nicht immer, und das Merken der Abfahrtszeiten hält, um es positiv auszudrücken, das Gehirn auf Trab. Die Unattraktivität eines solchen Stolperplans wurde eigentlich schon vor Jahrzehnten festgestellt. Ebenso wie die von Umsteigeverbindungen, wie die Fahrt von Franken nach Sachsen ab morgen zwingend eine ist. Klar, Sachsen will keinen Dieselbetrieb auf seiner frisch elektrifizierten Strecke. Wäre man alt genug, man würde sich an die Länderbahnzeiten erinnert fühlen, Zeiten, zu denen sich die Königlich Sächsischen und Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen in Hof gute Nacht sagten. Damals waren die Züge grün. Heute sind sie rot.

Warum diese Rückschritte, diese neue Kleinstaaterei? Liegt es daran, dass der reformierte Regionalverkehr Ländersache ist und die Aufgabenträger (in Sachsen sind es gleich derer vier) vornehmlich den Blickradius ihres eigenen Kirchturms im Fokus haben? Liegt es am Bund, dem Eigentümer der Schieneninfrastruktur, der das Thema „Elektrifizierung Hof-Nürnberg“ zu einer Sache macht, an der der verstorbene Schriftsteller Michael Ende („Die unendliche Geschichte“) seine helle Freude gehabt hätte?

Speziell bei diesem Thema könnte in der Region der Zug bald abgefahren sein. Die Gefahr dräut aus dem Osten, dem Osten Bayerns, in Form des Projektes „Donau-Moldau-Bahn“. Eine Verbindung von Prag nach München über Furth im Wald, Schwandorf und Regensburg. Eine Verbindung, die auch für Nürnberg prickelnd wäre. Eine Verbindung, für die sich ostbayerische und tschechische Politiker seit Jahren vehement einsetzen. Der ein schier sagenhaftes Nutzen-Kosten-Verhältnis nachgesagt wird. Eine Verbindung, deren Synergien mit einer Elektrifizierung der für den Güterverkehr wichtigen Strecke Hof-Marktredwitz-Regensburg auf der Hand liegen. Zumal von Nürnberg aus schon zum Teil der Fahrdraht hängt, auch wenn die Oberleitung derzeit noch bei Hartmannshof im Nichts endet.

Und die konkurrierende, für uns interessante Strecke durchs Pegnitztal, das einstige Refugium des Pendolinos? Die hat einen Klotz am Bein in Form von 23 maroden Brücken und wird daher vom Güterverkehr gemieden wie das Weihwasser vom Leibhaftigen. Einer geplanten Vollerneuerung der Brücken wurde bekanntlich vom Denkmalschutz ein Bein gestellt; Gutachter kamen nach zwei Jahren zum Schluss, dass fünf Brücken saniert werden können, viere weg müssen – und man beim Rest mangels Beispielen noch gar keine Ahnung habe, was damit passieren soll. Und würde man sie sanieren, müssten sie bei einem tatsächlichen Beschluss zur Elektrifizierung trotzdem wieder abgerissen werden, weil sie nicht mehr den Normen eines europaweiten Güterverkehrs entsprechen. Hier beginnt der Wahnsinn allmählich Fahrt aufzunehmen.

Ob und wann hier die Oberleitung hängt, das wird frühestens in einigen Jahren feststehen. Und ob sich die Ausgaben für einen bestellten Regionalverkehr (von Fernverkehr auf dieser Strecke möge bitte niemand träumen, der den Geist der Bahnreform verstanden hat) lohnen werden? So einen Quantensprung wie seinerzeit 1992, den wird es bei uns so schnell nicht geben. Da hüpfen eher die ersten Menschen über den Mars.

Behalten wir den Pendolino daher in schöner Erinnerung. Er war ein Guter.

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