Telemann-Werk eröffnet Osterfestival

Von Frank Piontek
Foto: Andreas Harbach Foto: red

„Bach“ steht nur auf der Eintrittskarte für das Bayreuther Osterfestival. Kein Wunder: Für viele Musikfreunde gibt es nur „die“ Matthäuspassion. Was aber unterscheidet Telemanns Matthäuspassion von Bachs Werk? Abgesehen davon dass Telemann nicht eine, sondern ein Dutzend Passionen nach Matthäus schrieb?

 
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Die formidable Aufführung, die das Osterfestival als Eröffnungsvorstellung am Karfreitag in die Stadtkirche brachte, präsentiert ein mit zwei Stunden Dauer und 61 Sätzen, darunter elf prägnanten Arien und neun Chorälen, fast kurzweiliges, auf jeden Fall unter der Leitung Michael Dorns niemals schleppendes Werk.

Oratorisches Großwerk

Es war wieder eine glänzende Idee, ein so gut wie unbekanntes oratorisches Großwerk zur Eröffnung des Festivals zu spielen. Dass das Werk seine Meriten hat, belegen die Interpreten: das Orchester La Banda, das den dramatischen und lyrischen Sätzen ohne Pauken und Trompeten, aber mit Streichern und Holzbläsern und dem rechten Sinn für die spätbarocke Tonmalerei und Klangrede Gerechtigkeit widerfahren lässt.

Hinreißend: die Oboe des Hochmuts über dem Pizzicato. Die koloraturgesättigten und die balsamischen, gelegentlich schon mozartnahen Arien (in diesem Sinn herausragend: das einzige Duett der Passion, in dem sich die liebende Christenseele in ein Gespräch mit Jesus begibt) werden von Anna Nesyba (Sopran) und Kirsten Obelgönner (Alt) betörend gesungen; Michael Kranebitter verfügt über einen robusten Bassbariton, der Jesus dramatisch durchschlagend auf die imaginäre Bühne bringt, und Christian Rathgeber ist ein deutlich berichtender Evangelist, der auch die kleineren Partien zu machen hat.

Auskomponierte Demut

Telemanns Abfolge von Chorälen (klangschön und genau: die Stadtkantorei der Stadtkirche), betrachtenden Arien, Rezitativen und theatralischen Zurufen der erregten Chormasse ist nicht nur im spektakulären Ineinander von Alt-Solistin und Chor der Judasarie, als wär's ein Stück in dis-Moll, dramatisch beseelt.

Die Passion ist zugleich ein Werk der auskomponierten Demut, das an diesem Abend klangschön und bewegt realisiert wurde. Höchst freundlicher Beifall für diese verdienstvolle Aufführung, an der das lange Glockenläuten nach dem auskomponierten Tod Jesu seinen dramaturgisch relevanten Anteil hatte.

Das Osterfestival wird am Samstag um 11 Uhr bei Steingraeber fortgesetzt, Shizuko Yamamoto spielt am historischen Liszt-Flügel Werke von Debussy, Ravel und Liszt. Am Ostersonntag - um 20 Uhr in der Ordenskirche St. Georgen - findet das Symphonieorchester mit der 1. Symphonie von Johannes Brahms, der "Holländer"-Ouvertüre  und Liedern von Mahler statt.

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