Telefonaktion: Das zahlt die Pflegekasse

Gefragte Gesprächspartner bei unserer Telefonaktion zur Pflege (von links): Marco Gräbner von der AOK Bayern, Christian Hartmann vom Sozialverband VdK und Heide Dörfler von der bundesweit agierenden Compass-Pflegeberatung. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Was tun, wenn man selber oder ein Angehöriger zum Pflegefall wird? Und ab wann gibt es eigentlich Geld von der Pflegeversicherung? Solche und viele andere Fragen beantworteten gestern die Experten am Kurier-Telefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Meine Mutter ist privat versichert und hat noch keinen Pflegegrad. Sie bezahlt aber schon einen ambulanten Dienst für diverse Unterstützung. Eine Nachbarin hilft im Haushalt und wird ebenfalls von ihr vergütet. Sollten wir nicht einen Pflegeantrag stellen?

Auf jeden Fall. Wenn Ihre Mutter dauerhaft und nachweislich ohne Unterstützung im Alltag nicht klarkommt, sollte Sie unbedingt einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei Ihrer Pflegekasse stellen. Die ist immer an die jeweilige Krankenkasse beziehungsweise an Ihr Versicherungsunternehmen angegliedert. Dann erfolgt ein Hausbesuch eines Gutachters. Je nach erfasstem Hilfebedarf, erhält Ihre Mutter dann einen der fünf Pflegegrade und darauf basierend Leistungen.

 

Unser Vater hat Pflegegrad 1 und lässt sich von einer Nachbarin im Haushalt helfen. Sie begleitet ihn auch zum Arzt oder beim Einkaufen. Können dafür diese sogenannten zusätzlichen Entlastungsleistungen zum Einsatz kommen?

Der von Ihnen genannte 125-Euro-Betrag kommt nicht aufs Konto Ihres Vaters, und das Geld kann auch nicht an die Nachbarin gehen. Es handelt sich dabei vielmehr um einen sogenannten Entlastungsbetrag. Das heißt, das Geld wird in dieser Höhe mit einem zugelassenen Anbieter abgerechnet. Das kann eine stundenweise Betreuung sein, die Begleitung auf dem Spaziergang oder Vorlesen. Solche Angebote werden sowohl von ambulanten Diensten, als auch von anderen, nach Landesrecht zugelassenen Diensten und Einzelkräften bereitgehalten. Zuständige Behörde für die Zulassung solcher Anbieter ist das Zentrum Bayern Familie und Soziales. Fragen Sie bei der Pflegekasse Ihres Vaters danach, oder schauen Sie unter www.zbfs.bayern.de unter dem Stichwort Förderung und EFS.

 

Meine Bekannte riet mir, unbedingt einen Antrag auf Pflegeleistungen zu stellen. Nach einem Schlaganfall bin ich seit fast einem Jahr zunehmend auf Hilfe angewiesen. Ich weiß gar nicht, was mir zusteht.

Fordern Sie bei Ihrer Pflegekasse unbedingt eine kostenfreie Pflegeberatung an. Die steht jedem Bürger per Gesetz zu. Die Pflegeberatung findet in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung statt – auf Wunsch in Ihrer Wohnung. Zuständig ist Ihre Pflegekasse, bei privat Versicherten ist es die bundesweite Compass-Pflegeberatung. Neben der Information über das Begutachtungsverfahren und alle Leistungen der Pflegeversicherung können auch Listen der regionalen Pflegeanbieter eingesehen werden.

 

Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt benötige ich jetzt täglich Hilfe. Ich möchte gern Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Wie mache ich das?

Sie stellen einen Antrag auf Pflegeleistungen bei Ihrer Pflegekasse. Diese beauftragt den Medizinischen Dienst der Krankenkassen beziehungsweise, wenn Sie privat versichert sind, Medicproof mit der Begutachtung im häuslichen Umfeld. Wenn diese erfolgt ist, wird auf der Grundlage des Gutachtens ein entsprechender Pflegegrad zuerkannt. Sie können dann wählen, ob Sie Pflegegeld, Sachleistungen oder eine Kombination aus beidem in Anspruch nehmen.

 

Laut Gutachten fehlen mir zwei Punkte für Pflegegrad 2. Das finde ich nicht richtig. Ich habe zwei künstliche Hüftgelenke, die meine Mobilität stark einschränken. Sollte ich Widerspruch gegen den Bescheid einlegen?

Es ist so, dass Ihre Hüftgelenkprobleme allein nicht unbedingt eine höhere Pflegebedürftigkeit bedeuten müssen. Gehen Sie am besten mit einem Pflegeberater das aktuelle Gutachten durch, ob einzelne Verrichtungen, bei denen Sie dauerhaft Hilfe benötigen, auch vollständige erfasst sind. Widerspruch können Sie innerhalb von vier Wochen einlegen. Eventuell kann dem Widerspruch ein ärztliches Attest zur Begründung beigelegt werden.

 

Meine Mutter hat Pflegegrad 2 und ist derzeit in der Kurzzeitpflege untergebracht, nachdem sie aus der Klinik kam. Ich möchte sie nach Hause holen. Geht das, kann man den bestehenden Vertrag kündigen?

Ja, den Vertrag können Sie jederzeit kündigen und Ihre Mutter nach Hause holen. Eventuell können bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zusätzliche Kosten entstehen. Allerdings sollten Sie dafür sorgen, dass Ihre Mutter entsprechend Ihres Hilfebedarfs auch versorgt wird. Falls Sie noch berufstätig sind, benötigen Sie eventuell Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes, der Sachleistungen im häuslichen Umfeld erbringt.

 

Obwohl ich einen Pflegegrad habe, bezahle ich jeden Monat noch 200 Euro an meinen Pflegedienst dazu. Wie kann das sein?

Je nach zuerkanntem Pflegegrad haben Sie Anspruch auf eine bestimmte Höhe an Pflegegeld und Pflegesachleistungen beziehungsweise auf eine Kombination aus beidem. Ist beispielsweise das Budget für Sachleistungen, der mit dem Dienst abgerechnet werden kann, ausgeschöpft, und erhalten Sie ein Mehr an Leistungen, ist die Differenz von Ihnen zu bezahlen. Eine Pflegeversicherung ist so gesehen, immer nur eine Teilkaskoversicherung.

 

Wie es ausschaut, wird unser Vater in eine vollstationäre Einrichtung umziehen, weil die Betreuung zu Hause nicht mehr gewährleistet werden kann. Wir fragen uns, was dann an Kosten auf uns zukommen kann?

Für die Finanzierung der Heimkosten werden Einkommen und Vermögen Ihres Vaters sowie die Leistungen der Pflegeversicherung genutzt. Reichen diese Quellen nicht aus, um alles zu bezahlen, können beide beim zuständigen Sozialhilfeträger einen Antrag auf Hilfe zur Pflege stellen. Das springt dann ein, prüft aber seinerseits, ob und inwieweit Sie als Kinder in die Pflicht genommen werden. Dabei kommen jedoch diverse Freibeträge in Anrechnung. Ihre sozialrechtliche Stellung findet ebenso Berücksichtigung wie beispielsweise das Vorhandensein von in Ausbildung stehenden Kindern.

 

Ich bin wirklich krank – Rückenbeschwerden, Herzkrankheit und Diabetes. Ich komme zunehmend schlechter zurecht. Da müsste ich doch einen Pflegegrad erhalten?

Diverse Krankheiten allein müssen nicht zwingend zu Pflegebedürftigkeit führen. Zum einen ist man tatsächlich erst pflegebedürftig, wenn man länger als sechs Monate in der Selbstständigkeit eingeschränkt bin. Zum anderen muss immer erst ein Antrag bei der Pflegekasse gestellt werden, um überhaupt zu einem Pflegegrad zu gelangen. Insofern ist Ihre Pflegekasse noch nicht in der Pflicht.

 

Nach einer Knieoperation mit Komplikationen kann ich meinen Haushalt nicht allein führen. Einen Pflegegrad habe ich nicht. Wer kann mir helfen?

Eventuell kann Ihnen über eine ärztliche Verordnung eine Hilfe im Haushalt beziehungsweise häusliche Krankenpflege gewährt werden. Das ist aber dann Sache der Krankenkasse. Die Verordnung wiederum kann nur der behandelnde Arzt ausstellen.

 

Darf ich als Sohn für meinen 88-jährigen, dementen Vater einen Antrag auf einen Pflegegrad stellen? Er lebt mit meiner Mutter im eigenen Haus. Sie hat allerdings die Vorsorgevollmacht für meinen Vater.

Da Ihre Mutter die Vorsorgevollmacht für Ihren Vater hat, kann nur sie einen solchen Antrag unterschreiben.

 

Vor zwei Jahren stellte meine Mutter einen Antrag auf eine Pflegestufe. Der wurde abgelehnt. Inzwischen helfen wir ihr täglich mehrmals. Sie vergisst sehr viel und kann sich auch nicht mehr richtig orientieren. Sollen wir es nochmals versuchen?

Ja, das sollten Sie. Früher hing die Pflegestufe davon ab, wie viel Zeit an Unterstützung bei Hauswirtschaft und Grundpflege benötigt wurde. Jetzt wird beurteilt, in welchem Maße die Selbstständigkeit beeinträchtigt ist. Das wird in sechs Modulen berücksichtigt. Die Selbstversorgung spielt dabei die größte Rolle, aber es werden auch Mobilität, Einschränkungen in der Alltagskompetenz, psychische Probleme, der Umgang mit Medikamenten und soziale Kontakte einbezogen.

 

Es gibt ja die Verhinderungspflege. Können wir damit eine Ersatzpflegeperson für die Mutter bezahlen? Ich wollte für einige Wochen verreisen, und meine Freundin würde stundenweise einspringen.

Mit der Leistung Verhinderungspflege stehen 1612 Euro jährlich als Erstattungsbetrag für die Ersatzpflege zur Verfügung. Für den Fall, dass Sie als Pflegeperson ausfallen. Dieses Geld kann für die Vergütung der Zeit, in der Ihre Freundin Sie ersetzt, verrechnet werden. Sollte Ihre Mutter innerhalb eines Kalenderjahres zudem noch keine Kurzzeitpflege in Anspruch genommen haben, kann sich der genannte Betrag um die Hälfte des Kurzzeitpflegegeldes erhöhen, welches ebenfalls 1612 Euro beträgt. Sie könnten gegebenenfalls 2418 Euro für abrechnen.

 

Ich habe noch keinen Pflegegrad, kann aber Etliches nicht mehr so richtig machen. Wo finde ich jemanden, der zum Beispiel mal Fenster putzt?

Da Sie keinen Pflegegrad haben, stehen Ihnen über Ihre Pflegeversicherung keine Leistungen zu. Aber es gibt zwei neue Anbieter, die Ihnen weiterhelfen können. Sie können im Verein J.A.Z. – Jung und Alt zusammen, einem Projekt der Stadt und des Landkreises Bayreuth Mitglied werden und dann Hilfeleistungen für je acht Euro die Stunde abrufen. Derjenige, der Ihnen die Fenster putzt, erhält sechs Euro, zwei gehen an den Verein. Die Telefonnummer lautet 09 21/60 80 68 41. Eine andere Variante ist in der Stadt Bayreuth „Wohnen für Hilfe“. Wenn Sie eine große Wohnung haben, könnten Sie beispielsweise jemanden zur Untermiete einziehen lassen, der Ihnen dann im Garten und im Haus hilft. Mehr Infos dazu gibt’s im Rathaus Bayreuth.

Autor

Bilder