„Tatort“-Kommissar Hinrichs im Interview

Von Kerstin Fritzsche
Basem Hemidi (Mohammed Issa, links) fühlt sich von Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) verraten. Bild: BR/Rat Pack Filmproduktion GmbH/Bernd Schuller. Foto: red

"Am Ende geht man nackt" heißt der Titel des dritten Franken-"Tatorts". Fabian Hinrichs spielt den Hauptkommissar Felix Voss. Vor der Austrahlung am Sonntag gibt der gebürtige Hamburger Einblicke in den Charme fränkischer Städte, seine Vorliebe für Wein statt (Rauch-)Bier und das Vertrauen in die Polizei.

 
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Herr Hinrichs, zu Beginn des Franken-„Tatorts“ wurden Sie als „der Kommissar von nebenan“ wahrgenommen: Der, der mit dem Rad zum Set fährt, offen für Begegnungen in Nürnberg ist und einfach die Region genießt. Hat sich nach den dritten „Dadord“ da etwas geändert? Ist diese Arbeit tatsächlich entspannender als andere Schauspiel-Jobs?

Fabian Hinrichs: Nein, an so einem Bild möchte ich hier nicht unbedingt mitmeißeln. Wir haben ja nun doch ziemlich prall gefüllte Arbeitstage und dieser Umstand ist der Grund dafür, warum ich versuche, ein bisschen Rad zu fahren und mich an einem der wenigen freien Tage ein wenig umzuschauen. Film und Militär haben ja erstaunliche Gemeinsamkeiten: straffe Hierarchie, viel Warten und dann auf einmal überfallartige und präzise Aktion. Und deswegen ist es mir wichtig, während der Arbeit in einer Wohnung zu wohnen und nicht in einem Hotel, damit ich mir selbst etwas kochen kann, also zumindest morgens und abends in dieser Hinsicht selbstständig zu sein. Und deswegen fahre ich auch selbstständig zur Arbeit, wie fast jeder andere Arbeitnehmer ja auch. Mit dem Rad kann ich entscheiden, schneller oder langsamer zu fahren oder auch mal diese statt jene Strecke zu nehmen.

Werden Sie eigentlich noch auf Ihren Kurz-Auftritt beim anderen bayerischen „Tatort“ als Gisbert Engelhardt angesprochen?

Hinrichs: Ja, gerade zum Beispiel von Ihnen.

Und wie sehen Sie selbst die Rolle so im Rückblick?

Hinrichs: Ein selten gut geschriebener Mensch in einem selten gut geschriebenen und inszenierten Film.

Was genau gefällt Ihnen so gut an Franken?

Hinrichs: Bisher war ich immer nur im Sommer da, es war so charmant, draußen abends in einer Gasse oder auf einer Brücke einen Wein zu trinken und auf einen Fluss zu schauen zum Beispiel. Die sich in der Architektur widerspiegelnde Geschichte, das vernarbte und wiederaufgebaute Nürnberg, das fast unangetastete Bamberg beispielsweise – alles inspirierend. 

Die Bayreuther freuen sich: Endlich wurde auch mal in Oberfranken gedreht, wenn auch leider in der Konkurrenz-Stadt Bamberg zuerst. Aber die Vorzüge der Stadt wissen auch die Bayreuther zu schätzen. Wie ist das mit Ihnen, ich habe gehört, dass Eli Wasserscheid sich sehr bemüht hat, ihre Heimatstadt den Kollegen näher zu bringen?

Hinrichs: Ja, sie hat mir liebenswerterweise einige Empfehlungen gegeben, ich habe fast alle Orte davon besucht. Es war herrlich in Bamberg.

Und wie hat Ihnen das Rauchbier gefallen?

Hinrichs: Ich trinke ja eher Wein, aber ich mochte es – was könnte ich jetzt auch anderes sagen, ohne auf völliges fränkisches Unverständnis zu stoßen? Ich mochte es aber wirklich!

Zurück zum Fall: „Am Ende geht man nackt“ ist ja ziemlich heftige Kost: Flüchtlingsproblematik, Ausländerfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft, Neo-Nazismus – der ja auch gerade in der Realität letztes Jahr leider neue Blüten in Bamberg und Oberfranken getrieben hat. Wie geht man damit um, was hat dieses Drehbuch mit Ihnen gemacht? Immerhin hat Ihr Felix Voss durch seine Undercover-Tätigkeit auch den direktesten Kontakt mit den Asyl-Suchenden, er gerät auch in eine Schlägerei mit Neonazis. Am Ende will er sogar sein Leben verändern (wie genau soll natürlich vor Ausstrahlung noch nicht verraten werden).

Hinrichs: Diese Idee, die Felix da kommt, von der wir ja hier nicht reden dürfen, ist Ausdruck seiner Hilflosigkeit, auch seiner Überforderung. Er mag den Jungen namens Basem, er hat ihn als Menschen etwas kennengelernt, Basems Leben geht ihn nun etwas an, ist ihm nicht gleichgültig. Über die Migrationsbewegungen, über ihre Ursachen und über den Umgang Deutschlands und Europas bzw. der sogenannten westlichen Welt mit ihnen lässt sich Einiges sagen, ich fürchte, an dieser Stelle fehlt der nötige Raum.

Ich für meinen Teil empfehle aber die Essays und Anmerkungen Slavoj Zizeks hierzu, insbesondere „Die explodierte Utopie“ sowie die sozialpsychologischen „Studien zum autoritären Charakter“ von Theodor W. Adorno. „Die explodierte Utopie“ befasst sich mit dem  verlogenen Umgang mit der Migrationsentwicklung, den sowohl das linksliberale als auch das rechtsnationale Milieu pflegen. Adornos Studie untersucht unter anderem die Spannung, die zwischen dem, was man sagen darf, und dem, was man sagen will, entsteht und er beschreibt das Gefühl der Auflösung dieser Spannung durch das entzivilisierte Verhalten des populistischen Agitators.

Der neue Fall hat auch noch eine andere Dimension. Er wirft die Frage auf, wie weit man der Polizei vertrauen kann bzw. stellt dezent die Frage nach Überlastung von Beamten und ob diese eine Haltung haben oder haben müssen. Während Felix Voss mit Streifenbeamten in Konflikt gerät, weil er als Flüchtling gesehen wird, macht Kollegin Ringelhahn per Jutebeutel Werbung für die Deutsche Polizei-Gewerkschaft, dessen Bundesvorsitzenden nicht wenige einen Rechtspopulisten nennen. War das Absicht, oder interpretiere ich als Polizisten-Tochter da zu viel in diese Szenen herein?

Hinrichs: Ja und auch nein. Der Jutebeutel sollte, glaube ich, lediglich ein stoffliches Zeichen für ein über ihre eigenen Belange hinaus gehendes Engagement Paulas sein. Und der Konflikt zwischen Voss  und der Polizeimeisterin bildet Haltungen bezüglich des Umgangs mit geflohenen Menschen ab, die in unserer Gesellschaft und somit eben auch bei der Polizei vorhanden sind. Aber zu sehr sollte man die Szenen auch nicht symbolistisch ausdeuten, es ist immer noch ein Film mit seiner eigenen filmischen Realität, seiner eigenen Welt.

Voss und Ringelhahn haben auf jeden Fall eine Haltung und machen ihren Job auch aus einer gewissen Ideologie heraus, wenn auch unterschiedlich begründet. Was ist aber mit den ganzen Polizisten – und auch Schauspielern - , die einfach nur ihren Job machen wollen? Dem „Tatort“ wird ja ganz gern der Vorwurf gemacht, er zeichne nur ein Bild von „Superbullen“, die dafür kein Privatleben haben. Was sagen Sie dazu?

Hinrichs: Ich würde nicht das Wort „Ideologie“ benutzen, eher das Wort „Wertvorstellungen“. Und jeder Mensch handelt, bewusst und unbewusst, gemäß bewusster und unbewusster Wertvorstellungen, also auch die, die behaupten, sie würden „nur ihren Job machen“. Die Wächter eines Staates müssen von Berufs wegen mutig sein, doch für den Umgang mit der eigenen Bevölkerung benötigen sie zusätzlich eine andere, entgegengesetzte Eigenschaft, die Sanftmut. Die gleichzeitige Entwicklung dieser beiden Qualitäten braucht eine sorgfältige, auf Charakterbildung abzielende Erziehung und Schulung.

In einem optimal eingerichteten Staat ist diese Schulung und Erziehung der Wächter also eine wichtige Aufgabe. Und zum Privaten: Langsam scheint ja mehr Privates von Ringelhahn und Voss auf. Voss ist unter anderem aufgrund einer unglücklich verlaufenden Liebe in Nürnberg gelandet, seine Beziehung zu seiner Herkunftsfamilie wird vielleicht in einem der nächsten Fälle eine Rolle spielen, auch seine Einsamkeit im Leben, seine Versuche, privat irgendwo anzukommen, die aber vielleicht einfach nicht erfolgreich verlaufen. Ich finde, man erfährt in „Am Ende geht man nackt“ schon mehr von ihm als bisher und diesen erzählerischen Weg für Voss würde ich gern weiterverfolgen.

Sie haben mal gesagt: "Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich Hoffnung habe, aber ich ringe darum, weil ich leben möchte." Haben Sie Hoffnung, dass „Am Ende geht man nackt“ irgendwas verändern kann? Dagmar Manzel und Markus Imboden haben während der Dreharbeiten in Bamberg gesagt, es ist ihnen wichtig, mit diesem „Tatort“ Haltung zu zeigen. Ist das überhaupt möglich? Was wird bleiben? Und wird der Fall Felix Voss verändern?

Hinrichs: So viele Fragen auf einmal! Ich habe weder im Film selbst noch bei mir ein messianisches Anliegen ausmachen können. Und was genau ein Film bewirken kann, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Filme und vor allem auch Theater viel weniger in die Gesellschaft hineinwirken können als noch in der Polis oder vor 300 oder 80 oder sogar noch vor 40 Jahren. Einen Großteil der Filme durchzieht ja ein Kältestrom, der in ein Meer aus Zerstreuungsbedürfnis fließt. Aber: We must try.

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