Als die ARD im November 1970 ihre neue Krimi-Reihe startete, zeigten die Verantwortlichen sich verhalten optimistisch: Zwei Jahre werde die ARD „das schon machen“, sagte der damalige Fernsehdirektor des Süddeutschen Rundfunks auf die Frage eines Journalisten, wie lange die neue Reihe denn laufen werde. Mit dem Krimi am Sonntag wollten die Programmdirektoren der ARD dem erfolgreichen „Kommissar“ im ZDF Paroli bieten. Am Sonntag (13. November) wird nun der 1.000. „Tatort“ im Ersten gezeigt - und damit ist die Reihe zu einem ähnlich unverwüstlichen Markenprodukt wie der VW-Käfer geworden: Sie läuft und läuft und läuft.

Grundlegend ist Regionalität

Drei Kriterien nennt der Erfinder des „Tatorts“ im Ersten, Gunther Witte, als grundlegend für die Krimi-Reihe: Regionalität, die führende Rolle des Kommissars und Geschichten, „die mit unserer Realität zu tun haben“. Doch dass der „Tatort“ sich so lange hält, hat nach Meinung von Witte auch damit zu tun, dass junge Autoren und Regisseure ständig versuchen, die Grenzen des Genres zu erweitern und zu überschreiten. „Der 'Tatort' verträgt viel“, sagt Witte. Dazu gehören auch komödiantische Auftritte wie die von Axel Prahl und Jan Josef Liefers im „Tatort“ aus Münster oder an Shakespeare erinnernde Szenen wie im „Tatort: Aus Schmerz geboren“ mit Ulrich Tukur.

Der 1.000. „Tatort“ heißt wie der erste: „Taxi nach Leipzig“. 1970 war es Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter), der in einem deutsch-deutschen Fall ermittelte, am kommenden Sonntag werden die Hauptkommissare Charlotte Lindholm und Klaus Borowski von einem Taxifahrer als Geiseln genommen.

89 Teams seit November 1970

89 Teams haben seit November 1970 im „Tatort“ ermittelt. Am 29. Januar 1978 löste die erste Kriminalkommissarin einen Fall in der Krimi-Reihe: Nicole Heesters spielte für den damaligen Südwestfunk Kriminal-Oberkommissarin Buchmüller. Bis Ende der 80er Jahre kamen nur beim SWF Kommissarinnen zum Einsatz: Auf Nicole Heesters folgte Karin Anselm und schließlich 1989 Ulrike Folkerts. Bis heute löst sie als Hauptkommissarin Lena Odenthal in Ludwigshafen Fälle und ist derzeit die dienstälteste „Tatort“-Kommissarin.

Eine Zeit lang hatte man den Eindruck, die ARD-Sender versuchten sich mit immer größeren Stars gegenseitig zu überbieten: Als der HR 2011 Ulrich Tukur verpflichtete, konterte der NDR wenig später mit dem Engagement von Til Schweiger. Im neuen „Tatort“ aus Freiburg wird Harald Schmidt die Rolle des Kriminaloberrats Gernot Schöllhammer übernehmen.

Die erste lesbische Kommissarin, der erste schwule Kommissar

In den ersten 20 Jahren gab es nur einmal im Monat einen neuen Fall, erst in den 90er Jahren steigerte sich die Zahl, 2015 waren es 40 Erstausstrahlungen. Neue Teams kommen und gehen, die Kommissarfiguren werden immer ausgefallener, nichts Menschliches ist ihnen fremd. In Berlin verkörpert Mark Waschke den ersten schwulen Ermittler, in Luzern Delia Mayer als Liz Ritschard die erste lesbische Kommissarin, und der Dortmunder Kommissar Peter Faber, der von Jörg Hartmann gespielt wird, ist bei den Kollegen als „Kotzbrocken“ verschrien. Erfunden wurde er von Autor Jürgen Werner. Dass auch das Publikum Faber nicht mag, findet Werner gut: „Leider wurden wir nicht so gehasst wie Schimanski“, sagt er, „das wäre der Ritterschlag gewesen“.

Kult Schimmi

Kommissar Horst Schimanski, der von 1981 bis 1991 in Duisburg ermittelte, trug in den 80ern wesentlich zur Etablierung des „Tatorts“ als Kult bei. Die von Götz George gespielte Figur, die laut „Scheiße“ brüllte, „Beamtenärsche“ verachtete und sich mit Wonne prügelte, spaltete das Publikum. Die Duisburger Lokalpolitiker waren zunächst alles andere als begeistert von dem schmuddeligen Image, das der „Tatort“ und dieser Kommissar von ihrer Stadt vermittelten. Inzwischen gibt es in Duisburg eine „Horst-Schimanski-Gasse“.

Die Erfinder von Schimanski, Bernd Schwamm und Hajo Gies, brachten frischen Wind in die Reihe, die Ende der 70er Jahre an blassen Ermittlerfiguren aus dem bürgerlichen Milieu zu ersticken drohte. In Umfragen wird Schimanski mit schöner Regelmäßigkeit noch immer als beliebtester „Tatort“-Kommissar aller Zeiten genannt.

Der "Tatort" gehört zum Sonntag wie das Glockengeläut

Der „Tatort“ ist zum neuen Lagerfeuer geworden, er gehöre zum Sonntag „wie Glockengeläut und Verwandtenbesuch“, schrieb der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres. Daran hatte auch die Titelmelodie von Klaus Doldinger großen Anteil - und der von Peter Hoheisel gestaltete Vorspann, der von weitem an die psychedelischen Zeiten der späten 60er Jahre erinnert. Als Til Schweiger ein paar Monate vor seinem ersten Auftritt als „Tatort“-Kommissar sagte, er finde die Titelmelodie „outdated“, gab es einen Sturm der Entrüstung unter Fans der Krimi-Reihe.

Im Schnitt 9.500 Tweets pro Folge

Diese versammeln sich nach wie vor jeden Sonntag um 20.15 Uhr vor dem Fernseher. Durchschnittlich 9,53 Millionen Zuschauer verfolgten im vergangenen Jahr Woche für Woche die Ermittlungen der Kommissare. Bei den „Tatorten“ aus Münster schauen auch schon mal mehr als 13 Millionen zu. In Zeiten der sozialen Netzwerke ist der Sonntagabendtermin zum neuen virtuellen Gemeinschaftserlebnis geworden. Über Twitter tauschen sich die Zuschauer darüber aus, was sie sehen und wie sie es finden. Im vergangenen Jahr setzten „Tatort“-Gucker sonntags zwischen 20 und 22 Uhr im Schnitt rund 9.500 Tweets zum #Tatort ab.

Die extra lange Vorschau auf das zweite "Taxi nach Leipzig" gibt es hier.

Lange "Tatort"-Nacht

Im Anschluss an den "Tatort" zeigt das Erste am Sonntag um 21.45 Uhr nicht wie üblich die Talkshow "Anne Will" - sie fällt an dem Tag aus. Stattdessen ist eine einstündige Dokumentation mit dem Titel "Sonntagsmörder" vorgesehen, in der der "Spiegel"-Journalist Cordt Schnibben dem Erfolgsgeheimnis der ARD-Krimireihe auf den Grund gehen will. Der Film wurde produziert von der Hamburger Firma Cinecentrum, die auch den 1000. "Tatort" herstellte.

Der NDR kommt außerdem vom 12. auf den 13. November mit einer langen "Tatort"-Nacht daher, in der vier Filme zu sehen sind: "Taxi nach Leipzig" am 12. um 23.25 Uhr, "Rattenlinie" um 0.55 Uhr, "Die Nordkommissare - Eine 'Tatort'-Chronologie" um 2.20 Uhr und "Blechschaden" um 3.05 Uhr.

epd/kfe

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