Infektionen noch gut behandelbar
«Wir sind sehr daran interessiert, das Angebot auch bundesweit auszubauen», sagt Brockmeyer. In den USA gebe es vergleichbare Apps auf dem Markt, die jedoch kaum genutzt würden. Nutzer fürchteten Datenmissbrauch - das sei anders, wenn eine medizinische Einrichtung hinter dem Angebot stehe. Die SMS-Warnungen hält Epidemiologin Bremer für einen «super Ansatz». Oft sei es noch so, dass Frauen beim Gynäkologen behandelt würden, während betroffene Männer keine derartige Anbindung hätten - und erst einmal unbehandelt blieben.
Dabei gelten diese Infektionen als gut behandelbar. Aber wie lange noch? Hier sind Experten in Sorge, weil vermehrt Resistenzen gegen gängige Antibiotika beobachtet werden, insbesondere bei der Behandlung von Tripper. «Hier in Deutschland hatten wir bisher nur Einzelfälle», sagte Viviane Bremer. Verbreiteter seien die Resistenzen in Ostasien - bislang.
Schwerwiegende Folgen
In geringerem Maß werden Resistenzentwicklungen auch bei Syphilis und Chlamydien beobachtet. Letztere gelten unter jungen Frauen und Männern als weit verbreitet, auch weil die Bakterieninfektion oftmals weitgehend symptomfrei verläuft. Unbehandelt können in manchen Fällen Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten die Folge sein.
Es ist nicht die einzige, sexuell übertragbare Infektion, die schwerwiegende Folgen haben kann. «Wir sehen mehr Karzinome, die durch Humane Papillomviren (HPV) ausgelöst wurden», sagt Brockmeyer. «Da müssen wir aktiver werden.» Die Impfquoten bei Mädchen in Deutschland lägen mit gut 30 Prozent viel zu niedrig, auch im internationalen Vergleich. Die HPV-Impfung wird vor dem ersten Sex empfohlen und kann das Risiko für Gebärmutterhalskrebs verringern.
Hemmschwelle wird größer
Grundsätzlich sei die Hürde, Geschlechtskrankheiten anzusprechen, für Frauen noch höher als für Männer, betont Brockmeyer. Sexuell übertragbare Infektionen würden bei ihnen immer noch gesellschaftlich weniger toleriert, Frauen hätten große Angst um ihren Ruf. Bei Jugendlichen beobachtet der Experte sogar eher eine wachsende Hemmschwelle, über Geschlechtskrankheiten zu sprechen. Pornos seien zwar leicht schon für 12-Jährige verfügbar - die Filme sorgten aber für verzerrte Maßstäbe die eigenen Geschlechtsorgane betreffend. Wer ohnehin mit dem eigenen Körper hadere, wolle im Falle eines Problems nicht auch noch mit dem Arzt darüber sprechen, so die Erfahrung.
Eine womöglich erfreuliche Entwicklung gibt es aber auch: Entgegen dem zunehmenden Trend bei sexuell übertragbaren Infektionen zeigte sich bei HIV im vergangenen Jahr mit rund 3400 Neudiagnosen ein leichter Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren. Viviane Bremer sagt: «Wir wissen noch nicht, ob das tatsächlich ein neuer Trend ist - aber vielleicht ist es ja der Anfang einer Besserung.»