Wie die Bamberger Geburtstag feiern und über Sorgen mit der Stadthalle: Darüber  sprach der Kurier mit Marcus Rudolf Axt Interview mit Marcus Rudolf Axt

Von Michael Weiser

Die Bamberger Philharmoniker feiern im nächsten Jahr 70. Geburtstag, spielen für den Bundespräsidenten und haben auch sonst noch jede Menge vor. Wie man feiern will, ob man schon einen Nachfolger für den scheidenden Chefdirigenten Jonathan Nott gefunden hat, und über Dirigenten in schulterfreien Kleidern sprachen wir mit Intendant Marcus Rudolf Axt.

 
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Die Bamberger Symphoniker feiern im nächsten Jahr 70. Geburtstag. Können wir mitfeiern?
Marcus Rudolf Axt: Wir feiern am Tag des Geburtstages im März 2016 mit einem Tag der offenen Tür. Wir  wollen das Haus für Abonnenten öffnen und überhaupt für alle, die uns gerne hören und sich für unsere Arbeit interessieren. Bei freiem Eintritt bieten wir ein Programm, mit dem wir das Haus von der Tiefgarage bis zum Intendantenzimmer bespielen. Christian Schmitt spielt György Ligetis "volumina" auf der Orgel, Jörg Widmann wird seine "freien Stücke" dirigieren, und natürlich ist auch Jonathan Nott, unser Chefdirigent, dabei. Er wird das Oboenkonzert von Richard Strauss dirigieren. Außerdem gibt es ganz ganz viel Kammermusik. Es gibt die "Geschichte vom Soldaten", mit Isabel Karajan als Sprecherin. Bis in die Nacht hinein wird es gehen, wir haben da noch einiges in Arbeit. Am Vorabend des Geburtstags haben wir die Ehre, das Benefizkonzert des Bundespräsidenten zu spielen. Das ist  meistens in Berlin, wird aber immer mal wieder auch woanders gespielt. 2016 ist Bayern an der Reihe, und da fiel der Zuschlag auf Bamberg, worüber wir sehr glücklich sind.

Erinnerungen an Böhmen

Mit einem Programm, das auch auf die Geschichte der Bamberger Symphoniker anspielt?
Axt: Wir spielen die Ouvertüre von "Don Giovanni",  Mozart selbst leitete die Uraufführung dieser Oper 1787 mit dem Orchester des Prager Ständetheaters. Aus diesem Klangkörper wuchs das Orchester, das ab Ende des 19. Jahrhunderts das Neue Deutsche Theater Prag bespielte. Aus denen gingen nach dem Krieg die Bamberger Symphoniker hervor. Bei großen Projekten taten die Musiker des Deutschen Theaters sich mit der Tschechischen Philharmonie zusammen. So auch 1908, als Gustav Mahler in Prag die Uraufführung seiner siebten Symphonie dirigierte. Die werden wir ebenfalls spielen. Die beiden Orchester haben sich gegenseitig übrigens immer ausgeholfen, es war eine Zeit der wunderbaren Kooperation, geradezu ein Schmelztiegel. Bis zum Jahr1938. Außerdem spielen wir von Bedrich Smetana "Aus Böhmens Hain und Flur". Das weist direkt auf unsere böhmische Herkunft.

Vier Kandidaten

Der scheidende Chefdirigent Jonathan Nott wird beim Geburtstagskonzert mitwirken, und das wird einer seiner letzten Höhepunkte in Bamberg sein. Haben Sie schon einen Nachfolger in Aussicht?
Axt: Wir haben eine Shortlist, da sind wir schon weiter als die Kollegen in Berlin. Unsere Auswahl umfasst vier Kandidaten. Das werden wir noch dieses Jahr im Herbst entscheiden können. Wir haben vier verschiedene Typen. Ich berate mich natürlich mit dem Orchester, auch mit verschiedenen Gremien. Die entscheidende Frage ist, wie der neue Chefdirigent unsere Geschichte fortführen soll. Klar, wir sind bekannt für Mahler, und in den vergangenen Jahren haben wir auch immer mehr zeitgenössische Musik eingebaut. Aber gibt es auch Bereiche, wo das Orchester neue Impulse braucht. Es ist auch eine Frage der Gesamtsituation in einem überhitzten Markt, es gibt wenige Dirigenten in dieser Qualität, die zu den Bambergern passt. Viele Orchester suchen gerade. Wir sind aktiv und werben offensiv für Bamberg. Ich bin jedenfalls zuversichtlich.

Bei den Berlinern war auch Gustavo Dudamel im Gespräch. Den hat das oberfränkische Publikum beim Gustav-Mahler-Wettbewerb in durchwachsener Form erlebt.
Axt: Der war ja noch wirklich sehr jung damals, 2004, bei der ersten Auflage des Wettbewerbs. Das kann schon mal passieren. Er hat tatsächlich zunächst geschwächelt, hat etwas stark gestikuliert, aber in der nächsten Runde hat er den ersten Preis geholt - und zwar einstimmig.

Werden Sie in der kommenden Saison wieder zeitgenössische Musik spielen?
Axt: Es gibt wieder fünf Zugaben von wirklich hochkarätigen Komponisten, zum Beispiel von Friedrich Cerha. Der hat uns zum Geburtstag etwas komponiert. Georg Friedrich Haas wiederum hat eine Zugabe für den Mahler-Wettbewerb komponiert. Es ist wirklich eine bunte Mischung, eine Frau, vier Herrren. Das schöne ist, dass man bei unseren Konzerten eine komplette Breitbandübersicht in Kurzform bekommt. Am Ende des Projekts werden wir mal so vierzig Stücke zeitgenössischer Musik gespielt haben. Da können wir dann auch mal sehen, der wäre interessant, dem geben wir was Größeres als Auftrag.

 

Komplizierte Balance

Und wie reagieren ihre Zuhörer auf diese Experimente?
Axt: Die Bamberger sind konservativ in einem positiven Sinne, sie sind aber auch neugierig, sie haben hohes Grundvertrauen, das darf man nicht überstrapazieren. Balance ist das Stichwort. Die hören sich Neues an, auch Uraufführungen, sie diskutieren, wenn wir Mozart, Beethoven, Bruckner im Programm mit Neuer Musik kombinieren. Das versuchen wir auszubalancieren, es ist einigermaßen kompliziert.

Wie nehmen die reisefreudigen Bamberger ihre Aufgabe als Kulturbotschafter wahr?
Axt: Wir haben zwei neue Länder im Reiseplan, erstmals spielern wir in Oman, in Muscat, im neuen Opernhaus dort. Das Land hat eine lange Kulturtradition. Erstmals spielen wir in Monaco, im Monte Carlo, beim dortigen Frühlingsfestival. Es werden dort alle Mahler-Symphonien aufgenommen, wir sind mit der 3. vertreten. Wir waren noch nie da. Auch in Südamerika spielen wir.

In der kommenden Saison wird Barbara Hannigan in Bamberg wirken. Sie ist Sopran und Dirigentin, eine seltene Mischung...
Axt: Ja, das ist auch für uns sehr spannend, sie oszilliert ein bisschen zwischen den Welten. Ihre Auftritte sind nah an der Performance. Sie macht auch viel Oper und verkörpert ihre Rollen auf unbeschreibliche Art und Weise. Sie singt nicht einfach nur. Als Portraitkünstlerin wird sie bei uns die "Lulu"-Suite von Alban Berg dirigieren und singen, bei einem Kammerkonzert mitwirken, sie singt unter Nott, die "Correspondences" von Henri Dutilleux. Sie macht mit bei der "Mahler Competition", als Jurorin, die nun zwei Gebiete wirklich kennt.

Dirigentinnen sind im Kommen

Woher kommt es eigentlich, dass man kaum Dirigentinnen kennt?
Axt: Das kommt. Wenn Sie unsere Broschüre studieren: Da sind in unserer Geschichte 509 Dirigenten und 7 Dirigentinnen aufgeführt. Aber wenn man auf denWettbewerb blickt: Da sind 40 Männer und 14 Frauen dabei, und dieses Verhältnis bildet die Quote der heutigen Ausbildung ab. Ein Dirigent hat 20, 30 Jahre Lehrzeit. Heute erleben wir in den Konzertsälen also die Ausbildungssituation vor 20 Jahren. Da waren Dirigentinnen noch Exoten. Mittlerweile kommt das. Und das sind keine Frauen, die sich im Frack als Männer verkleiden, weil sie glauben, die Autorität zu benötigen. Barabara Hannigan zum Beispiel dirigiert im schulterfreien Kleid, weil sie so ihre Persönlichkeit ausdrücken will. Es geht um Führen und Leiten, da zählen nicht mehr diese Pultstars. Da ist ein weiblicher Führungsstil etwas Interessantes.

Das Motto der kommenden Saison lautet "Künstlerleben". Welches Komponisten Leben berührt Sie besonders?
Axt: Das ist jeden Tag ein anderes. Wenn ich hier sitze und die "Fantastique" von Berlioz anhöre. Wie der darin sein jugendliches Ungestüm verarbeitet, sein Leben als Künstler-Bohemien... Dann die Dritte von Bruckner, die er Wagner zugeignet hat: Diese Spannung  finde ich auch beeindruckend. Dann Schostakowitsch, wie er all die Repressionen in seinem Leben in seiner Musik verarbeitet: Das ist sehr berührend und sehr spannend. Aber  ich finde eigentlich alles gut.

Alles gut - bis auf die Situation in Bayreuth. Da wird in der Jubiläumssaison mit dem überfälligen Umbau der Stadthalle begonnen. Für Kammermusik ist auch dann noch Platz genug. Aber wie sieht es mit der vollen Besetzung aus?
Axt: Von Erssatzspielstätten habe ich noch nichts gehört. Es wird über die Markthalle diskutiert, habe ich gehört. Ich finde es wichtig, dass auch während der Baupause etwas stattfindet. Vier Jahre Stopp? Dann hat man zwar vielleicht eine wunderbare Halle, aber auch ein Publikum, das gar nicht mehr weiß, wie das geht: einfach in der eigenen Stadt in ein Konzert gehen. Wir wollen weiterhin in Bayreuth auftreten. Das sehen wir als Teil unserer Tradition. Und wir spielen ja auch gern in Bayreuth, darauf möchten wir nicht verzichten.