Komplizierte Balance
Und wie reagieren ihre Zuhörer auf diese Experimente?
Axt: Die Bamberger sind konservativ in einem positiven Sinne, sie sind aber auch neugierig, sie haben hohes Grundvertrauen, das darf man nicht überstrapazieren. Balance ist das Stichwort. Die hören sich Neues an, auch Uraufführungen, sie diskutieren, wenn wir Mozart, Beethoven, Bruckner im Programm mit Neuer Musik kombinieren. Das versuchen wir auszubalancieren, es ist einigermaßen kompliziert.
Wie nehmen die reisefreudigen Bamberger ihre Aufgabe als Kulturbotschafter wahr?
Axt: Wir haben zwei neue Länder im Reiseplan, erstmals spielern wir in Oman, in Muscat, im neuen Opernhaus dort. Das Land hat eine lange Kulturtradition. Erstmals spielen wir in Monaco, im Monte Carlo, beim dortigen Frühlingsfestival. Es werden dort alle Mahler-Symphonien aufgenommen, wir sind mit der 3. vertreten. Wir waren noch nie da. Auch in Südamerika spielen wir.
In der kommenden Saison wird Barbara Hannigan in Bamberg wirken. Sie ist Sopran und Dirigentin, eine seltene Mischung...
Axt: Ja, das ist auch für uns sehr spannend, sie oszilliert ein bisschen zwischen den Welten. Ihre Auftritte sind nah an der Performance. Sie macht auch viel Oper und verkörpert ihre Rollen auf unbeschreibliche Art und Weise. Sie singt nicht einfach nur. Als Portraitkünstlerin wird sie bei uns die "Lulu"-Suite von Alban Berg dirigieren und singen, bei einem Kammerkonzert mitwirken, sie singt unter Nott, die "Correspondences" von Henri Dutilleux. Sie macht mit bei der "Mahler Competition", als Jurorin, die nun zwei Gebiete wirklich kennt.
Dirigentinnen sind im Kommen
Woher kommt es eigentlich, dass man kaum Dirigentinnen kennt?
Axt: Das kommt. Wenn Sie unsere Broschüre studieren: Da sind in unserer Geschichte 509 Dirigenten und 7 Dirigentinnen aufgeführt. Aber wenn man auf denWettbewerb blickt: Da sind 40 Männer und 14 Frauen dabei, und dieses Verhältnis bildet die Quote der heutigen Ausbildung ab. Ein Dirigent hat 20, 30 Jahre Lehrzeit. Heute erleben wir in den Konzertsälen also die Ausbildungssituation vor 20 Jahren. Da waren Dirigentinnen noch Exoten. Mittlerweile kommt das. Und das sind keine Frauen, die sich im Frack als Männer verkleiden, weil sie glauben, die Autorität zu benötigen. Barabara Hannigan zum Beispiel dirigiert im schulterfreien Kleid, weil sie so ihre Persönlichkeit ausdrücken will. Es geht um Führen und Leiten, da zählen nicht mehr diese Pultstars. Da ist ein weiblicher Führungsstil etwas Interessantes.
Das Motto der kommenden Saison lautet "Künstlerleben". Welches Komponisten Leben berührt Sie besonders?
Axt: Das ist jeden Tag ein anderes. Wenn ich hier sitze und die "Fantastique" von Berlioz anhöre. Wie der darin sein jugendliches Ungestüm verarbeitet, sein Leben als Künstler-Bohemien... Dann die Dritte von Bruckner, die er Wagner zugeignet hat: Diese Spannung finde ich auch beeindruckend. Dann Schostakowitsch, wie er all die Repressionen in seinem Leben in seiner Musik verarbeitet: Das ist sehr berührend und sehr spannend. Aber ich finde eigentlich alles gut.
Alles gut - bis auf die Situation in Bayreuth. Da wird in der Jubiläumssaison mit dem überfälligen Umbau der Stadthalle begonnen. Für Kammermusik ist auch dann noch Platz genug. Aber wie sieht es mit der vollen Besetzung aus?
Axt: Von Erssatzspielstätten habe ich noch nichts gehört. Es wird über die Markthalle diskutiert, habe ich gehört. Ich finde es wichtig, dass auch während der Baupause etwas stattfindet. Vier Jahre Stopp? Dann hat man zwar vielleicht eine wunderbare Halle, aber auch ein Publikum, das gar nicht mehr weiß, wie das geht: einfach in der eigenen Stadt in ein Konzert gehen. Wir wollen weiterhin in Bayreuth auftreten. Das sehen wir als Teil unserer Tradition. Und wir spielen ja auch gern in Bayreuth, darauf möchten wir nicht verzichten.