Dealer aus Berlin wird auf der A  bei Bayreuth gestellt: Viereinhalb Jahre Haft und Zwangstherapie Süchtig bis in die Haarspitzen

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Er sprang dem Tod von der Schippe, denn er nahm eine „Königsmischung“, wie er es selbst nennt: Kokain, Amphetamin und Ketamin, ein starkes Schmerzmittel, das Halluzinationen hervorruft. „Ein Wunder, dass Sie nicht tot sind“, sagte der ehemalige Landgerichtsarzt Klaus-Peter Klante dem 29-jährigen Süchtigen. Seine Sucht machte ihn zum Dealer.

 
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Der 29-jährige Berliner landete als Angeklagter vor der Strafkammer des Bayreuther Landgerichts, weil zwei Polizisten der Hofer Verkehrspolizei die richtige Ahnung hatten. Am 30. März waren die Hofer Fahnder – wie immer in zivil – auf der A 9 in Richtung Süden unterwegs und wollten schon wieder umkehren, weil sie die Grenze ihres Dienstbereichs überschritten hatten. Da überholte sie in der Dunkelheit ein BMW mit Berliner Kennzeichen. Die Polizisten ließen das Kennzeichen überprüfen – der Halter des Wagens war wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ausgeschrieben. An der Anschlussstelle Bayreuth-Nord ergab die Kontrolle: Am Steuer saß nicht der Halter, eben der 29-Jährige, sondern dessen Freundin. Sowohl die Fahrerin als auch der Beifahrer hatten Amphetamine im Blut. Die Kontrolle brachte aber noch anderes zum Vorschein: 1,2 Kilo Marihuana, eine geringe Menge des nicht als Droge eingestuften Schmerzmittels Ketamin und ein „Haschisch-Ei“. Das hochkonzentrierte Cannabisprodukt lag lag im Kofferraum in der Werkzeugtasche.

Angeklagter speicherte Deals in seinem Handy

Die Maschinerie der Kripo lief an: Kollegen in Berlin durchsuchten die Wohnung des Mannes, Polizisten in Baden Württemberg die Wohnung seiner Freundin. In Berlin lagen rund 100 Gramm „Psilade“ in einem Depot. „Psilade“ ist die Abkürzung für „Pilzschokolade“, was wiederum bedeutet, dass halluzinogene Pilze in Schokomasse eingebacken sind.

Der 29-Jährige nahm sofort jede Schuld auf sich und beteuerte, seine Freundin habe nichts mit den Drogen zu schaffen. Derweil durchsuchte die Bayreuther Kripo die Chats seines Smartphones – und wurde fündig: Bestellungen eines Käufers in Baden-Württemberg über „Pferdchen“, „Hasen“ und „Cola“. Der Berliner legte ein umfangreiches Geständnis ab und übersetzte die Codes: „Pferdchen sind demnach XTC-Tabletten, die eine Pferdefigur aufgeprägt hatten. „Hasen“ bedeutet Marihuana, „Cola“ ist Kokain.

Die Spur der Lieferanten verliert sich

Die württembergische Polizei konnte den Käufer identifizieren, gegen ihn läuft ein Strafverfahren. Die Spur der Verkäufer verliert sich im Park der Hasenheide in Berlin: Dort gehen Süchtige hin und treffen zahllose Dealer. Die von dem 29-Jährigen Vornamen „Ali“ und „Jamal“ waren für die Berliner Kripo nicht zielführend. Der Hauptkommissar der Bayreuther Drogenfahndung, der den Fall bearbeitete, sagte als Zeuge vor Gericht: „Ali und Jamal, so bekam ich zur Auskunft, sind für die Szene dort wie Maier oder Müller.“

In seinem Geständnis nannte der 29-Jährige mehrere schon abgelaufene Deals mit seinem Aufkäufer in Bieberach: Insgesamt 5 Gramm Kokain, 30 XTC-Tabletten, weitere 1,1 Kilo Marihuana und ein Kilo Amphetamin.

Der Angeklagte erklärte, er habe im Laufe der Jahre immer mehr immer stärkere Drogen konsumiert. Gehandelt habe er damit, um seine eigene Sucht zu finanzieren. Er berichtete auch, dass er nicht nur illegale, sondern auch legale Drogen gebraucht habe: Zum Teil große Mengen Alkohol. Der Alkohol wurde ihm zum Verhängnis, denn wegen zweier Trunkenheitsfahrten in Berlin ist er vorbestraft und tauchte somit am 30. März im Fahndungsbuch der VPI-Beamten auf.

Staatsanwalt will sechs Jahre Haft

Gerichtsgutachter Klante erklärte, der Angeklagte sei schwer drogenkrank. Sein Hang zu berauschenden Mitteln zwinge ihn zu Straftaten. Die Sucht ist auch durch Labortests erwiesen: In den Haaren fanden sich entsprechende Spuren der Drogen.

Staatsanwalt Roland Köhler beantragte sechs Jahre Haft und eine Einweisung in die Drogentherapie. Verteidiger Johannes Driendl hielt vier Jahre für ausreichend.

Das Landgericht unter Vorsitz von Michael Eckstein verhängte viereinhalb Jahre. Drei Monate muss der Verurteilte in den Knast, ehe er die zusätzlich angeordnete zweijährige Therapie antreten muss. Falls er sie durchsteht – die Therapie kostet 6000 Euro pro Monat-, kann er nach zwei Jahren zum Halbstrafenzeitpunkt entlassen werden.

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