Es ist der Exzess, das Ausufernde und vor allem die Eskalation der Darsteller, die dem Zuschauer eines unmissverständlich klarmachen soll: Auch die Protagonisten müssen sich an einem Müller-Text abarbeiten, und plötzlich ist der Zuschauer nicht mehr allein: zerlegt ein ums andere Mal gemeinsam mit Gabriela Paule und Claudia Iberle Textfragmente des Lyrikers oder vereinfacht in Robotisch seine noch so verklausuliertesten Querverweise und kommt dabei dem Autor selbst immer näher.
Zeitlose Systemkritik
Denn auch das Bühnenbild als drehbarer Groß-Käfig, eine eindrucksvolle Arbeit aus der Werkstatt von Michel Bövers und Jürgen Goldfuß, schickt es bereits voraus: Es ist das Eingesperrtsein in Systeme, in starre Konstrukte, die ein Ausbrechen unmöglich machen und welche Heiner Müller selbst doch als mundtot gemachten DDR-Künstler zeitlebens begleiteten. Und so illustriert Michael Bachmanns Konzeption des Drehkäfigs vortrefflich jene Versuche des Ausbruchs, welche trotz, oder vielleicht gerade durch ihr dauerhaftes Kreisen um sich selbst, immer wieder misslingen müssen.
Was bleibt, ist die Flucht zu sich selbst, vielmehr in sich selbst hinein. „Ich will in meinen Adern wohnen, im Mark meiner Knochen, im Labyrinth meines Schädels.“ Zeitlos bleibt die Kritik an Systemen ohnehin, auch und vor allem dann, wenn sie auf die heutige Medienlandschaft übertragen wird. Oliver Hepp begeistert hinter Lupenglas als eintönig-unverständlich artikulierender Nachrichtensprecher das Publikum zu Lachern, ohne dabei jedoch an Tragweite einzubüßen, und so gelingt es der Studiobühne sogar mit Humor, einen Heiner Müller in all seiner Bitterkeit und Angstaffinität abzubilden. Bravo.