Physiker der Uni sagen: Acht- und neunjähriges Gymnasium haben die gleichen Defizite Studie: Viele Studenten ohne Grundlagen

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Dr. Wolfgang Richter präsentiert eine Studie, die mehr als 2500 Studenten zur Nachhaltigkeit ihres Schulwissens befragt hat. Foto: Waha Foto: red

Zwölf Jahre lang hat Wolfgang Richter den Studenten der Physik an der Bayreuther Uni zu Beginn ihre Studiums ein Blatt vorgelegt. 18 Fragen. 14 aus der Mathematik. Vier aus der Physik. Mehr als 2500 Fragebögen, die Richter ausgewertet hat. Die Ergebnisse überraschen. Und die Ergebnisse der Studie könnten Schlüssel sein für das Überdenken des Lehrplans und der Methoden des Unterrichts am Gymnasium. Denn: Es fehlt an der Nachhaltigkeit des Wissens.

 
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Wolfgang Richter, Akademischer Rat am Lehrstuhl für Experimentalphysik IV, sagt: Der Ansatz vor zwölf Jahren sei einfach gewesen. „Wir wollten herausfinden, wo die Defizite bei den Erstsemestern sind.“ Bei denen, die sich für Physik als Studienfach entschieden haben. Und bei denen, die Physik im Nebenfach studieren. „Bei dem Fragebogen – wir haben jedes Jahr den gleichen Bogen verwendet – sind Dinge dabei, die sofort verfügbar sein müssen“, sagt Richter. Die aber bei vielen Studenten nicht verfügbar sind. Weil die Grundlagen des Wissens fehlen. „Das haben wir mit einigem Erschrecken festgestellt.“

Die Physik-Studenten hätten durch die Bank besser abgeschnitten als die, die Physik nur als Nebenfach gewählt haben. „Im Schnitt haben die Physiker zwölf Fragen richtig beantwortet, die Nicht-Physiker sechs. Die Ergebnisse waren über die Jahre recht stabil. Wir hätten aber nie gedacht, dass 30 Prozent derer, die Physik im Nebenfach studieren, das Prozentrechnen nicht richtig beherrschen.“ Oder dass bis zu 60 Prozent nicht wissen, wie der physikalische Leistungsbegriff errechnet wird. Überraschend: „Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen dem acht- und dem neunjährigen Gymnasium.“ Jeder habe gedacht, „es gibt da einen Sprung. Den gab es aber nicht“.

Die Ergebnisse der Studie, die nach Richters Worten bayernweit einzigartig – und die aus seiner Sicht durchaus auf andere Fächer übertragbar – ist, müssten zu mehreren Schlüssen führen: „Sie ist Aufforderung für die Schulen, selbstkritisch die Methoden und den Lehrplan zu hinterfragen.“ Und sie komme genau zur richten Zeit, denn das Kultusministerium habe den Lehrplan plus angekündigt, der genau darauf abziele, Basiswissen und Wiederholung der Grundlagen zu fördern. „Das stimmt mich nach den ersten Aussagen nach der CSU-Klausur in Banz zumindest hoffnungsfroh“, sagt Richter, der die Ergebnisse der Studie am Freitagnachmittag bei einem Schulforum des CSU-Kreisverbands vorstellte.

Wissen werde nur dann nachhaltig, wenn man es immer wieder ins Gedächtnis hole. „Je weiter die Dinge zurückliegen, desto weniger präsent sind sie. Wir versuchen alles, um die Defizite aufzufangen. Aber wenn die Studenten ein oder zwei Semester frustriert drin sitzen, hören sie auf.“ Die 20 Prozent der Studenten, die im vergangenen Jahr null bis zwei Fragen richtig hatten, sind Kandidaten für einen Abbruch oder einen Wechsel des Studiengangs.

 Denn er und seine Kollegen wollten vor allem eines: „Dass die Studenten Erfolg haben. Wir wollen möglichst schnell das aufarbeiten können, was sie nicht wissen.“

Franz Eisentraut, Direktor des Gymnasiums Christian-Ernestinum (GCE) und Autor mehrere Mathematikbücher, setzt wie Richter auf eine neue Aufgabenkultur: „Das Zurückliegende immer wieder anzutippen, ist wichtig“, sagt Eisentraut. Wie Richter sieht Eisentraut aber noch ein weiteres Problem: „Unsere Aufgabe als Schule ist es, die Kinder für die Naturwissenschaften zu begeistern.“ Das jedoch werde schon dadurch erschwert, dass „man durch die neue Oberstufe mit nur einer Naturwissenschaft kommt, ohne darin auch Abitur machen zu müssen“.

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