Studie: Jeder Zweite lehnt Muslime ab

Mitglieder und Sympathisanten des Bündnisses "Wir sind die Grenze" bei einer Demo in Freilassing am 09.01.2016, an der auch die österreichische Identitäre Bewegung beteiligt war. Laut einer neuen Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung haben isch islamfeindliche Haltung bei Bayern verstärkt. Archivfoto: Tobias Hase/dpa Foto: red

Münchner Soziologen haben die «gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit» in Bayern untersucht, um herauszufinden, was die Menschen im Freistaat von Muslimen, Flüchtlingen oder Arbeitslosen halten. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.

 
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Mehr als die Hälfte aller Bayern (56 Prozent) zeigt laut einer neuen Studie eine ablehnende Haltung gegenüber Muslimen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in ihrer Studie zur «gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit» in Bayern, die am Montag in München vorgestellt wurde. 35 Prozent der Befragten zeigten demzufolge eine «mittlere» ablehnende Haltung Muslimen gegenüber, 21 Prozent sogar eine «starke».

34 Prozent bescheinigt die Studie noch eine «schwache gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit» in Bezug auf Muslime. Nur 11 Prozent der Befragten hatten demnach keinerlei Vorbehalte gegenüber Menschen dieses Glaubens. «Insgesamt ist da schon eine deutliche Ablehnung da», sagte der Soziologe Christian Ganser von der LMU - und das sei keine rein bayerische Beobachtung. «Grundsätzlich ist es deutschlandweit ähnlich.»

Die Wissenschaftler hatten drei Behauptungen aufgestellt, auf die die rund 1700 Befragten in verschiedenen Stufen der Zustimmung oder Ablehnung reagieren konnten: «Die muslimische Kultur passt gut nach Deutschland», «Die Sitten und Bräuche des Islam sind mir nicht geheuer» oder «Es gibt zu viele Muslime in Deutschland».

Die Abwertung von Muslimen, Langzeitarbeitslosen, Flüchtlingen, Sinti und Roma sei ein verbreitetes Phänomen, bilanzierten die Forscher. Knapp ein Drittel der befragten Bayern zeigte eine «mittlere» oder «starke» Ablehnung von Flüchtlingen, mehr als ein Drittel zeigte diese in Bezug auf Arbeitslose sowie auf Sinti und Roma.

Dabei sind Männer der Studie zufolge anfälliger für feindliche Einstellungen als Frauen; außerdem spiele auch der Bildungsgrad eine Rolle. Auch zwischen Stadt und Land gibt es Unterschiede: Die «gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit» falle in München weniger ausgeprägt aus als im Rest Bayerns. «Eine starke Identifikation mit Deutschland und ein geringes Vertrauen in politische Institutionen gehen mit höherer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einher», sagte Ganser.

Nach Angaben der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die die Umfrage gefördert hat, handelt es sich um die erste bayernweite Studie dieser Art. 1731 bayerische Haushalte wurden dazu befragt. Hintergrund sei die steigende Zahl rechter Straftaten in Bayern und das veränderte Profil der Täter, die oft nicht mehr aus der einschlägig bekannten, rechtsextremen Szene stammten.

Reaktionen auf die Studie:

Regionalbischof Prof. Dr. Stefan Ark Nitsche, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern: "Gesamtgesellschaftlich treibt uns um, dass das „Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland“ gepaart mit einem „Misstrauen in die politischen Institutionen“ zu den wichtigsten Gründen der Herausbildung von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gehören. Hier stehen uns allen, Politik, Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft, große Aufgaben bevor."

Dr. Martin Schneider, Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising: "Wir nehmen das Ergebnis sehr ernst. Aus Angst um die eigene Identität andere abzuwerten, ist nicht christlich. Wenn gegen Fremde gehetzt wird, dann wird gegen Jesus gehetzt. Keine Nuance des Hasses darf hingenommen werden. Nicht zuletzt die hohen Werte in der Muslimenfeindlichkeit erschrecken uns. Der interreligiöse Dialog muss verstärkt werden, um Ängste und Vorurteile abzubauen."

Mehr dazu:

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit - was ist das und wie äußert sie sich? (bpb)

Bereits 2012 gab es an der Universität Bielefeld ein Forschungsprojekt dazu. Infos dazu gibt es Publikationen hier, hier und hier.

Lesen Sie dazu auch einen Kommentar von unserem Politikredakteur Peter Rauscher

Menschenfeinde

Die Bayern ein Volk von Menschenfeinden? So weit gehen auch die Soziologen der Universität München nicht, die nun ihre erste Studie über „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ im Freistaat vorgelegt haben. Aber die Ergebnisse sind schon alarmierend für eine freiheitlich-liberale Gesellschaft, wie sie Bayern angeblich hat. Mehr als die Hälfte der Bayern sind demnach kritisch bis ablehnend gegenüber dem Islam eingestellt, jeder Dritte gegenüber Flüchtlingen, Langzeitarbeitslosen, Sinti und Roma, rund jeder Fünfte gegenüber Juden oder Homosexuellen.

Giftige Mischung aus Ängsten, Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit

So stellt man sich eine offene Gesellschaft nicht vor. Hinter der bürgerlichen Fassade, so legen diese Zahlen nahe, verbirgt sich in vielen Fällen eine giftige Mischung aus Ängsten, Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit. Das Erstarken rechter Parteien scheint aus diesem Befund gut erklärbar. Man wundert sich allerdings, dass es dazu erst die Flüchtlingskrise brauchte und Bayern und Deutschland jahrzehntelang als Muster bürgerlicher Demokratie, geläutert vom Nationalsozialismus, gelten konnten, in der Extremisten von links wie rechts keine Chance hatten. Sind wir nicht mehr die, die wir mal waren?

Die Studie gibt darüber keine Auskunft, denn Vergleichszahlen mit früheren Jahren liegen nicht vor. Und sind die Autoren ihrem Anspruch wirklich gerecht geworden, „Menschenfeindlichkeit“ zu enttarnen? Ist es menschenfeindlich, wenn man der These nicht zustimmt: „Die muslimische Kultur passt gut nach Deutschland“?

Im Eifer übers Ziel hinausgeschossen

Es scheint, als wären die Studienautoren in ihrem Eifer übers Ziel hinausgeschossen. Und das ist schade. Denn methodische Schwächen untergraben die Glaubwürdigkeit und machen es denen einfach, die den alarmierenden Befund gar nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wer 56 Prozent der Menschen in Bayern den Stempel „Menschenfeind“ aufdrückt, drängt sie förmlich in die Arme rechter Extremisten.

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